Politik
"Arzneimittel und Gesellschaft" - unter diesem Motto stand der 4.
Thüringer Apothekertag vom 28. bis 30. November in Gera. Das
Arzneimittel als ein hohes gesellschaftliches Gut, das einen besonders
sicheren Vertriebsweg erfordert, stand im Mittelpunkt der berufspolitischen
Reden. Erfreuliche Botschaften aus Gera: Hochrangige Politiker sowie
Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung halten den
Apotheker für unverzichtbar. Zur leistungsfähigen Apotheke gebe es keine
Alternative; Fremd- und Mehrbesitz wurden abgelehnt. Und immer wieder
wurde die Bereitschaft zum Dialog beschworen.
Der Veranstaltungsort war nicht neu: Am 5. Oktober 1991 trafen sich die Kollegen
zum 1. Thüringer Apothekertag in der zweitgrößten Stadt des Landes. Auch diesmal
konnte Kammerpräsident Dr. Egon Mannetstätter weit mehr als 200 Kollegen sowie
neben dem Oberbürgermeister der Stadt, zahlreiche Gäste aus Ministerien und
Behörden, von der ABDA und benachbarten Landesapothekerkammern, von
Universitäten, Krankenkassen, Pharmaindustrie, Großhandel und Rechenzentren
begrüßen.
Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel zollte den Apothekern in einem Grußwort,
das Mannetstätter verlas, Lob für die moderne und leistungsfähige
Arzneimittelversorgung. Er mahnte aber auch alle zur Einsicht bei der Korrektur der
derzeitigen Schieflage. Ein bewährtes System dürfe nicht über Bord geworfen
werden. Nicht mehr Staat und Regulierung seien gefragt, sondern
Eigenverantwortung und Selbstverwaltung. Überlegungen zu Versandhandel, Fremd-
und Mehrbesitz seien sehr kritisch zu prüfen. Und die Preisbindung für Arzneimittel
habe sich bewährt.
Grußredner loben Apotheke
Auch die Thüringer Ministerin für Soziales und Gesundheit, Irene Ellenberger, lobte
das dichte Apothekennetz, das eine umfassende Versorgung der Bevölkerung rund
um die Uhr gewährleiste. Die 19 Krankenhausapotheken böten ebenfalls ein
umfangreiches Spektrum an Dienstleistungen an, unter anderem die Verwaltung von
fünf Notfallsonderdepots und die Qualifizierung von Offizin-Apothekern in der
Zytostatika-Herstellung. Acht Krankenhaus- und sieben öffentliche Apotheken
arbeiten derzeit auf der Grundlage der vom Ministerium erstellten
Zytostatika-Richtlinie.
Die Ministerin: "Für eine qualitativ hochstehende Arzneimittelversorgung gibt es
keine Alternative zur leistungsfähigen Apotheke." Sie sehe eine Gefahr für die
Arzneimittelsicherheit, wenn andere Stellen die Vorratshaltung, Abgabe, Information
und Beratung zu Arzneimitteln übernehmen würden. Und sie äußerte Verständnis für
das Eintreten der Apotheker gegen Fremd- und Mehrbesitz. Klar sprach sie sich für
eine Beteiligung der Apotheker an Modellen und Strukturverträgen aus, wenn es um
Arzneimittel oder die Optimierung der Pharmakotherapie gehe.
Von einer guten Tradition der berufspolitischen Standortbestimmung sprach der
Abteilungsleiter der AOK Thüringen, Dr. Peter Sicker. Die Versicherten dürften ihre
Arzneimittel nicht aus Kaufhäusern, über das Internet oder per Versand bekommen:
ebenso seien Apothekenketten, Fremd- und Mehrbesitz abzulehnen. Zu den
Modellvorhaben vertrete die AOK eine eindeutige Position: Sich gegenseitig
beeinflussende Leistungen müßten komplex als Paketlösung betrachtet werden.
Auf das hochqualifizierte Pharmaziestudium an der Universität Jena und dessen
internationale Prägung verwies der Direktor des Pharmazeutischen Instituts,
Professor Dr. Herbert Oelschläger. Bei der Reinstallierung des Faches 1990 sei die
Pharmazie mit Erfolg als Life Science in die Biowissenschaften integriert worden.
"Zur Apotheke gibt es keine Alternative", griff der bayerische Kammerpräsident, Dr.
Hermann Vogel, die politischen Aussagen der Grußredner auf. Die Apotheker selbst
sollten nichts herbeireden. Nur die Mischkalkulation könne die flächendeckende
Arzneimittelversorgung sichern, sagte er an die Krankenkassen gerichtet.
Rosinenpickerei sei letztlich menschenverachtend. Ein "ganz schlechter Weg" seien
die Bonusverträge. Vogel brach eine Lanze für Pharmaceutical Care: "Das
Arzneimittel benötigt die pharmazeutische Betreuung durch den akademisch
ausgebildeten Apotheker." Diese individuell abgestimmte Leistung sei unersetzbar
und müsse wissenschaftlich begleitet werden. "Jetzt muß ein Ruck durch den Stand
gehen." Er plädierte dafür, der Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung
beizutreten.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler und Gisela Stieve, Gera

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