Politik
Rund 250 Teilnehmer konnten die Vorstände der Apothekerkammer, des
Apothekerverbandes und der Scheele-Gesellschaft
Mecklenburg-Vorpommern zur Scheele-Tagung und zum Apothekertag vom
7. bis 9. November 1997 in Zinnowitz auf Usedom begrüßen. Die
berufspolitischen Diskussionen waren den Auswirkungen der europäischen
Integration auf das Apothekenwesen und den Arzneimittelmarkt gewidmet.
Sie sähen es als ihre Verpflichtung, Wissenschaft und pharmazeutische Praxis als
Einheit zu gestalten, betonten der LAV-Vorsitzende Dr. Gerhard Behnsen,
Kammerpräsident Wilhelm Soltau und Dr. Thomas Jira, Vorsitzender der
Scheele-Gesellschaft, zu Beginn der traditionellen Veranstaltung, zu der erstmals alle
Organisationen und Verbände geladen hatten, die die Apothekerschaft des Landes
repräsentieren.
Neue Dimension im Gesundheitswesen
"In schwierigen Zeiten ist es gut, wenn alle das Boot der Pharmazie gleichzeitig
ausbalancieren", betonte Soltau. Er verwies auf anstehende strukturelle
gesellschaftliche Veränderungen, die notwendig sind, wenn die Entwicklung in
Deutschland nicht stagnieren soll. Diese Entwicklungen dürften keineswegs
ausschließlich aufgrund finanzieller Erwägungen in Angriff genommen werden, so der
Kammerpräsident mit Blick auf die Möglichkeit des Abschlusses von
Strukturverträgen und Modellversuchen, die Ärzte an den Einsparungen der
Krankenkassen bei Minderverordnungen von Arzneimitteln beteiligen.
Soltau sprach von einer "neuen Dimension im Gesundheitswesen". Es werde der
mehr als 750 Jahre gültige Grundsatz aufgehoben, wonach der Arzt weder mittelbar
noch unmittelbar am Arzneimittel verdienen soll. "Wenn schon gespart wird, muß
das Geld der Versichertengemeinschaft zukommen", so der Kammerpräsident.
Als Generalangriff auf die ordnungspolitisch gewollte Trennung zwischen ambulanter
und stationärer Arzneimittelversorgung sei in einigen Punkten die Bundesratsinitiative
zur Änderung des Apothekengesetzes zu verstehen. Es müsse klar sein, daß aus
dem Bedingungsgefüge eines funktionierenden Gesamtsystems nicht Teile
herausgebrochen und durch andere Elemente ersetzt werden können, ohne daß es
zu tiefergreifenden, so nicht gewollten Veränderungen kommt.
Kein Keil zwischen Offizin- und Krankenhausapotheker
Auf keinen Fall dürfe die Apothekerschaft zulassen, daß zwischen Offizin- und
Krankenhausapotheker aufgrund der schwierigen Finanzlage der Kassen ein Keil
getrieben wird. Unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit sei die
Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen zur Arzneimittelbelieferung und
pharmazeutischen Betreuung zwischen Alten- und Altenpflegeheimen sowie
öffentlichen Apotheken zu begrüßen.
Plädoyer für Europa
Strukturen und Initiativen des Zusammenschlusses der Apotheker der Europäischen
Union zum Verbraucherschutz, unter anderem vor Teleshopping oder vor dem
Verkauf von Medikamenten durch Internet, erläuterte Paul Baetens, Generalsekretär
des Zusammenschlusses der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU). Ein
Plädoyer für Europa hielt auch der Vizepräsident der ZAEU und Repräsentant der
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Brüssel, Professor
Dr. Ernst-Dietrich Ahlgrimm. Ist auf dem Gipfeltreffen in Amsterdam eine
Neufassung von § 129 des EG-Vertrages zur Gesundheitspolitik auf europäischer
Ebene beschlossen worden, so konkretisiert und bestätigt die neue Regelung das
Subsidiaritätsprinzip, hob Ahlgrimm hervor.
Zwar stünden "Riesenveränderungen" an, doch bleibe die Verantwortung der
Mitgliedsstaaten für ihre Gesundheitspolitik, insbesondere ihr Gesundheitswesen,
unberührt. Auch unter den Bedingungen des gemeinsamen Marktes und der
gemeinsamen Währung werde es in den nächsten zehn bis 16 Jahren keinen
einheitlichen Preis für Fertigarzneimittel geben. Weder die Freiheit des Herstellers,
den Abgabepreis seiner Fertigarzneimittel zu bestimmen, noch die
Arzneimittelpreisverordnung stünden dadurch zur Disposition. Das System des
deutschen Apothekenwesens werde sich in absehbarer Zeit nicht wesentlich ändern.
Der Status des geltenden nationalen Rechtes bleibe erhalten.
PZ-Artikel von Christiane Berg, Zinnowitz


© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de