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Industrie bietet Tauschgeschäft an

05.11.2001  00:00 Uhr
SPARPAKET

Industrie bietet Tauschgeschäft an

PZ/dpa  Das von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geplante Arznei-Sparpaket wird auf Drängen von Pharmaindustrie und Chemiegewerkschaft möglicherweise nochmals geändert. "Wenn das angestrebte Sparziel erreicht wird, sind wir auch für andere Lösungen offen", sagte eine Ministeriumssprecherin am Samstag in Berlin. "Da sind wir flexibel." Die geplante Aut-idem-Regelung steht allerdings nicht zur Disposition. Die ABDA wirft der Industrie " modernen Ablasshandel" vor.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hatte Schmidt einen Tauschhandel vorgeschlagen. So bietet der VFA eine Zahlung von 300 Millionen Mark (153,38 Millionen Euro) an. Im Gegenzug soll Schmidt auf den für 2002 und 2003 geplanten Preisabschlag von vier Prozent auf Medikamente, die nicht unter Kassen-Höchstpreise fallen, verzichten. Davon wären vor allem VFA-Firmen betroffen. Schmidt will durch den Preisabschlag allerdings 480 Millionen Mark sparen.

Der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt geht nach einem Gespräch mit Schmidt vom Donnerstagabend davon aus, dass es Korrekturen am Sparpaket geben wird. "Frau Schmidt hat signalisiert, dass sie bereit ist, die geplante Preissenkung für bestimmte Medikamente durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Pharmaindustrie zu ersetzen", sagte er der "Berliner Zeitung" (Samstag). Nach Angaben der Zeitung will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kommende Woche bei einem Gespräch mit Pharmaverbänden und IG BCE klären, welche Änderungen es gibt.

Das Gesundheitsministerium betonte, dass man an der geplanten Aut-idem-Regelung festhalten wolle. Danach sollen die Ärzte im Regelfall nur noch Wirkstoffe verschreiben und die Apotheker dann ein preiswertes Mittel heraussuchen. Das Ministerium stellt sich damit gegen einen Vorschlag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Der BPI wollte den Kassen einen zeitlich befristeten Rabatt von drei Prozent auf alle Festbetrags-Arzneimittel gewähren. Dafür soll die Aut-idem-Regelung gekippt wird. Die ABDA lehnt den Vorschlag der Industrie kategorisch ab.

Auch der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Hermann Stefan Keller, bezeichnete die Idee als "unausgegoren und nicht umsetzbar". Den Apothekenrechenzentren, die der BPI ohne Absprache mit dem DAV als Umsetzer dieses Vorschlages ins Gespräch gebracht hatte, würde ein enormer Verwaltungsaufwand aufgebürdet, der die angekündigten Einsparungen zu großen Teilen wieder aufbrauchen würde. Zudem sei durch die Befristung des Vorschlages auf zwei Jahre wieder einmal nur eine kurzfristige Kosteneinsparung möglich. Die Aut-idem-Regelung sei dagegen eine langfristig angelegte strukturelle Maßnahme, die zu dauerhaften Einsparungen der gesetzlichen Krankenkassen führe.

"Ich bin schon mehr als befremdet, dass der BPI diesen Vorschlag einbringt, ohne vorab mit den Apothekern gesprochen zu haben", sagte Keller. Würden die Apothekenrechenzentren in der vom BPI geplanten Weise tätig, müssten sie alle Hersteller von Festbetragsarzneimitteln permanent über die durch Apotheken zu Lasten der Krankenkassen abgegebenen Produkte aus ihrem jeweiligen Bereich informieren. Dies verursache Verwaltungskosten im dreistelligen Millionenbereich und sei auf keinen Fall bis zum Jahreswechsel umsetzbar. "Angesichts des Sonderopfers, das den Apotheken durch die Erhöhung des Kassenabschlages von fünf auf sechs Prozent zusätzlich zu allen anderen Maßnahmen des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes aufgebürdet werden, grenzt es schon an Unverschämtheit, den Apotheken über ihre Rechenzentren weitere Lasten zuzumuten."

Keller zeigte kein Verständnis dafür, dass die Industrie unter anderem deswegen gegen die Aut-idem-Regelung protestiere, weil sie dann ihre Vertriebsaktivitäten nicht mehr nur auf die Ärzte, sondern auch auf die Apotheken ausrichten müsse. "Ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass sich einige Hersteller davor fürchten, ihre Außendienstmitarbeiter mit der pharmazeutischen Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker zu konfrontieren. 

"Zuvor hatte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese den Vorstoß der Pharmaindustrie als "modernen Ablasshandel" bezeichnet. "Hier wird versucht, die einzige strukturelle und auf Dauer angelegte Maßnahme des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) mit der Macht des Geldes zu verhindern", sagte Friese, der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dazu aufforderte, das Aut-idem-Gebot auf jeden Fall beizubehalten. Es sei in einem demokratischen Meinungsbildungsprozess legitim und richtig, Alternativen zu bestehenden Gesetzentwürfen vorzubringen, meinte Friese. Wer das Verhalten der Industrie in den letzten Wochen beobachtet habe, werde aber eher an eine Versteigerung oder einen Basar erinnert. Friese äußerte die Hoffnung, dass dies auch in der Politik so gesehen werde. 

Die von Bundesgesundheitsministerin Schmidt vorgeschlagene Regelung, dass der Apotheker bei wirkstoffidentischen Arzneimitteln das Produkt auswählen solle, habe sich unter anderem in den Niederlanden, der Schweiz und Frankreich bewährt. "Sie ist strukturell richtig, weil sie den pharmazeutischen Sachverstand der Apotheker nutzt und diese auch stärker in die ökonomische Verantwortung einbindet. Und sie wird auf Dauer Kosten einsparen, weil die Apotheker verpflichtet sind, möglichst preisgünstige Medikamente abzugeben. Hier können die beiden Heilberufe Arzt und Apotheker sinnvoll zum Nutzen des Patienten und des gesamten Gesundheitswesens zusammenarbeiten.

"Industrieverbände und Ärzte machen unterdessen weiter gegen die Aut-idem-Regelung Stimmung. "Völliges Unverständnis über die Haltung des Bundesgesundheitsministeriums", äußerte der Geschäftsführer des Deutschen Generikaverbandes Thomas Hummels. Die SPD wolle aus offensichtlich rein ideologischen Gründen an der Aut-idem-Regelung festhalten, obwohl damit keine gesicherten Einsparungen möglich sind. "Unser seriöser Alternativvorschlag eines dreiprozentigen Abschlages kann mit gesetzgeberischen Mitteln sauber belegen, wie eingespart werden kann, Aut idem kann das nicht," betonte Hummels. Wer trotzdem an Aut idem festhalten wolle, zeigt, dass es ihm nicht um Einsparungen gehe. Der Generikaverband beziffert das Einsparvolumen des Industrievorschlages auf 750 Millionen DM.

Auch die bayerischen Fachärzte lehnen eine Wirkstoff- Verschreibung für Patienten ab. Dadurch würde ihnen die Therapiehoheit genommen und eine Zwei-Klassen-Medizin eingeführt, erklärte die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände Bayerns am Freitag in München. Bei der geplanten Regelung würden die Apotheker nach einer Wirkstoffverschreibung das jeweils kostengünstigste Medikament bestimmen. Kassenpatienten würden dann aus Sicht der Fachärzte immer mit dem billigsten Arzneimittel versorgt. Top

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