Pharmazeutische Zeitung online

Aus der Gruselkammer

08.10.2001  00:00 Uhr
SPARGESETZE

Aus der Gruselkammer

von Rainer Vollmer, Berlin

Der Gesetzentwurf über die Senkung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung war noch nicht im Bundestag eingebracht, da formierte sich bereits heftiger Widerstand bei der Pharmaindustrie. Drei ihrer Verbände machten deutlich: Weder Aut-idem noch Preismoratorium und schon gar nicht die Überprüfung von Analogpräparaten auf ihre Innovation wollen sie hinnehmen.

Nach Ansicht des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gefährden die Vorschläge der Bundesgesundheitsministerin die Patientenversorgung und Arbeitsplätze in der Industrie. Rund 20. 000 Stellen könnten verloren gehen, wenn die rund drei Milliarden DM auf dem Arzneimittelmarkt eingespart würden, sagt BPI-Vorsitzender Dr. Bernd Wegener. Das wiederum relativierte der Vorsitzende des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Patrick Schwarz-Schütte: Nur um die 7000 Arbeitsplätze seien gefährdet.

Einig sind sich VFA, BPI und Deutscher Generikavberband darin, die Aut-idem-Vorstellungen der Ministerin Ulla Schmidt zu bekämpfen. Das sei Teufelszeug für alle Patienten, berge große gesundheitliche Gefahren und verhindere Compliance bei älteren Patienten. Die Apotheker, seien laut BPI "überfordert, wenn sie substituieren müssen". Nur der Arzt könne die Therapieverantwortung im vollen Umfang übernehmen.

Während der BPI mit Gegenmaßnahmen drohte, ohne sie zu benennen, fährt der Deutsche Generikaverband schweres Geschütz auf: Der Verfassungsrechtler Professor Dr. Michael Brenner aus Jena habe in einem Rechtsgutachten klargestellt, dass Vorgehensweise und Pläne der Bundesregierung zur Substitution verfassungswidrig seien. Der Apotheker werde zum Mitbehandler gemacht, die Therapiehoheit des Arztes bedenklich ausgehöhlt, die Haftungsfragen seien nicht geklärt.

Brenner geht nicht darauf ein, dass bereits seit Jahren etwa 15 bis 20 Prozent des möglichen Aut-idem-Marktes von den Ärzten freiwillig zur Substitution freigegeben werden. Dafür aber sieht er notwendigerweise eine Zustimmungspflicht des Bundesrates. Dem allerdings widerspricht der Verband Forschender Arzneimittelhersteller.

Der BPI fühlt sich "brüskiert und stellt den Runden Tisch im Gesundheitswesen in Frage", wenn das Arzneimittel-Spargesetz komme. Vom runden Tisch hält auch Patrick Schwarz-Schütte nicht mehr viel. Aber "wir werden trotzdem teilnehmen. Denn wer den Tisch verlässt, wird durch einen anderen ersetzt". Gemeint ist, dass die Ministerin eine Woche nach der Tagung des runden Tisches die Arzneimittel-Spargesetze verkündete, den Experten am Tisch aber kein Wort darüber sagte.

Tatsächliche Kosten nachgerechnet

Der VFA hat schließlich nachgerechnet, was die Ad-hoc-Aktion der Gesundheitsministerin tatsächlich kosten werde. Die Aut-idem-Substitution wird zwei Milliarden DM des Apothekenverkaufspreis ausmachen; das Ministerium hatte keine Angaben gemacht. Der geplante Preisabschlag auf Arzneimittel von vier Prozent werde 900 Millionen DM zu Lasten der Pharmaindustrie einsparen; das Ministerium spricht von 600 Millionen DM. Schließlich werde die Empfehlungen zu Analogpräparaten noch einmal 600 Millionen DM Umsatzeinbußen bringen. Das mache zusammen 3,5 Milliarden DM aus.

Hinzu käme der geplante Festbetragsabschlag, der bis zu 850 Millionen DM ausmache, während die Ministerin von 750 Millionen DM spreche. Unklar seien auch die Kosten zu Lasten der Apotheker und der Pharmaindustrie bei den zukünftig vorgeschriebenen Parallelimporten. Rund 1,4 Milliarden DM Umsatzverlust im Jahr befürchtet die Industrie.

Die "existenzielle Bedrohung der Pharmaindustrie in Deutschland", darin waren sich alle drei Pharmaverbände einig, könne nicht Ziel der Regierung sein. Die Pläne der Regierung seien aus "der sozialistischen Gruselkammer entliehen, sie seien reine Geldbeschaffungsmaßnahmen der Regierung zugunsten der Krankenkassen.

Wo bleiben die anderen Leistungsanbieter, wo wird noch gespart? fragte der BPI. Sein Hauptgeschäftsführer Dr. Hans Sendler sinnierte dann in Nähe der Königlich preußischen Porzellanmanufaktur Berlins: "Hier wird Porzellan zum Preis eines Linsengerichts zerschlagen." Top

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