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Millionen Patienten "Pro Apotheke"

24.06.2002  00:00 Uhr

Unterschriftensammlung

Millionen Patienten "Pro Apotheke"

von Thomas Bellartz, Berlin

Zwei Monate lang sind zahllose Menschen mit ihrem Namen für den Erhalt der Apotheke eingetreten. Am 3. Juli 2002 werden die Kisten mit den Unterschriftenlisten in Berlin an Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch übergeben.

33 Grad im Schatten, der Schweiß fließt in Strömen. Doch darauf können die Frauen und Männer in dem großen Büroraum keine Rücksicht nehmen. Seit Tagen wird ohne Unterlass gezählt. In dem mittelständischen Unternehmen wurden und werden alle Unterschriftenlisten der "Initiative Pro Apotheke" gesammelt und ausgewertet. Schließlich soll am kommenden Mittwoch, dem 3. Juli 2002, klar sein, wie viele Menschen für die deutsche Apotheke und gegen die Einführung eines Versandhandels mit Arzneimitteln unterschrieben haben.

In Berlin sollten eigentlich zigtausend Blätter voll mit Unterschriften der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) übergeben werden. Die Sozialdemokratin ist eine Verfechterin des Arznei-Versandhandels und setzt auf dessen Einführung, wenn auch unter Berücksichtigung der beim Runden Tisch Mitte April verabschiedeten Vorgaben. Kurz nach der Sitzung des beratenden Gremiums in Groß Ziethen bei Berlin kündigte die ABDA an, man werde im Rahmen der "Initiative Pro Apotheke" eine bundesweite Unterschriftenaktion in den Apotheken durchführen. Gesagt, getan. Das Resultat wird am nächsten Mittwoch ab 10 Uhr auf dem Bebel-Platz in Berlin präsentiert.

Ulla Schmidt kommt nicht

Doch Schmidt kann nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums die Unterschriften nicht persönlich entgegennehmen, da sie verhindert ist. Anstelle der Ministerin kommt deren parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch (SPD) auf den Bebel-Platz im Herzen Berlins. Dort, gleich an der Straße Unter den Linden, werden ABDA-Präsident Hans-Günter Friese und weitere Rednerinnen und Redner in kurzen Statements auf die Gefahren des Versandhandels eingehen, die Unterschriften im Beisein von zahlreichen Medienvertretern übergeben.

Anschließend findet eine Pressekonferenz im politischen Zentrum Berlins statt. Da angenommen werden kann, dass die Aktion zu den erfolgreichsten Unterschriftensammlungen zählt, wird ein großes Medieninteresse erwartet. Das hängt auch mit den bevorstehenden Bundestagswahlen am 22. September und der herausragenden Rolle der Gesundheitspolitik zusammen.

Start im April

Mit einer Pressekonferenz im Berliner Presseclub hatten Mitte April ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf, BAK-Präsident Johannes M. Metzger und der DAV-Vorsitzende Hermann Stefan Keller die Aktion, die von dem Leiter der ABDA-Öffentlichkeitsarbeit, Elmar Esser, und seinem Team in kürzester Zeit auf den Weg gebracht worden war, gestartet. Die PR-Strategen und der ABDA-Spitze wollten zwei Millionen Unterschriften innerhalb der folgenden acht Wochen sammeln. Sicher ist vor der Übergabe am kommenden Mittwoch auf dem Bebel-Platz: Im Ministerium von Ulla Schmidt muss Platz geschaffen werden für deutlich mehr signiertes Papier.

Mit der Aktion gelang es der Apothekerschaft, auf ihre Position und die Lage des Berufsstandes aufmerksam zu machen. So folgten bereits kurz nach dem Start der Aktion zahlreiche Reaktionen von Bundes- wie Landespolitikern. Neben der bayerischen Sozialministerin Barbara Stewens (CSU) sprach sich auch deren baden-württembergischer Kollege Friedhelm Repnik (CDU) deutlich und öffentlich gegen einen Versandhandel mit Arzneimitteln aus. Doch auch andere Abgeordnete und sogar Vertreterinnen und Vertreter aus dem Regierungslager signalisierten Zustimmung, zumindest Sympathie für die "Initiative Pro Apotheke".

Während Bundestagsabgeordnete wie Wolfgang Zöller (CSU), Dr. Wolf Bauer und Hans Lohmann (beide CDU) und die Liberalen Detlef Parr und Dr. Dieter Thomae vehement gegen den Arzneihandel wetterten, ärgerte sich die Gesundheitsministerin in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung heftig über die Unterschriftenaktion und drängte sogar die ABDA, die Aktion einzustellen.

Nicht gegen Parteien

Doch mit der "Initiative Pro Apotheke" verfolgte die ABDA von Beginn an nicht das Ziel, gegen die Regierung oder politische Parteien und Funktionsträger Front zu machen. Der ABDA-Präsident verdeutlichte, wie auch viele seiner Kolleginnen und Kollegen in den Kammern und Verbänden, immer wieder, dass man den Versandhandel mit Arzneimitteln verhindern, die Apotheke in der öffentlichen Bewertung stärken wolle.

Bauen konnten Apothekerinnen und Apotheker auch auf die logistische Erfahrung des deutschen Pharmagroßhandels. Mit viel Engagement und teilweise beträchtlichem Kapitaleinsatz warben die Großhändler für die Aktion und organisierten den Versand unterschiedlichster Materialien. In den ersten Tagen war die Resonanz innerhalb der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der ABDA kaum zu bewältigen. Deutlich war der große Druck zu spüren, der auf den Schultern vieler Pharmazeuten angesichts der Bedrohung durch den Versandhandel mit Arzneimitteln lastet.

Mit dem Beginn der "Initiative Pro Apotheke" wurden in zahlreichen deutschen Tageszeitungen Anzeigen geschaltet, um auf die Aktion aufmerksam zu machen. Auf großen Plakatwänden, an Bushaltestellen und in vielen Publikumsmedien fand sich nicht nur das auffällige Logo der "Initiative Pro Apotheke", sondern auch Fachinformationen. Hörfunkspots informierten Hörerinnen und Hörer ebenso wie mehrere hunderttausend Broschüren, mit denen die Kunden - jenseits des persönlichen Gesprächs - über die Gefahren des Versandhandels aufgeklärt wurden. Kammern und Verbände taten ihr Übriges, um der Initiative zu einem breiten Erfolg zu verhelfen. Der Stand der Dinge bei der bereits gesammelten Anzahl von Unterschriften interessierte die Öffentlichkeit schließlich ebenso, wie die Presseinformation, warum die Einführung eines Versandhandels das ganze System zerstören wird.

Fortsetzung der Initiative

Während noch bis zur letzten abschließend gezählten und verpackten Unterschriftenliste Zeit verstreichen wird, denkt man in Eschborn und nach dem ABDA-Umzug in Berlin bereits über eine Fortsetzung der Aktion nach. Schließlich sollen der hohe Motivationsgrad innerhalb des Berufsstandes und das große öffentliche Interesse genutzt und weiter ausgebaut werden. In den kommenden Tagen erhalten die Apotheken wieder Post von der ABDA. Mit den dann vorliegenden Informationen können Apothekerinnen und Apotheker, deren Kunden sich in die Listen eingetragen hatten, über den Erfolg der Aktion informieren, und sich auch "offiziell" bedanken.

 

Kommentar: Selten so einig Bringen wir es auf den Punkt: Es fällt manchem schwer, Verbänden und Organisationen zu vertrauen, besonders wenn sie verwalten und/oder regieren. Das war bei der ABDA meist nicht anders. Vieles von dem grundsätzlichen Misstrauen, das der ABDA allerdings entgegen gebracht wurde und wird, entbehrt der Realität, ist manchmal auch nur das unbefriedigende Resultat des Föderalismus. Wir wissen zum Beispiel: Kommunen geben Ländern die Schuld an vielen Miseren, und die Länder schließlich dem Bund. Föderalismus eben.

Dass es Sinn ergeben kann, jenseits der allzu starren gedanklichen Strickmuster einen gemeinsamen Weg zu beschreiten, hat die "Initiative Pro Apotheke" gezeigt. Von der ABDA entwickelt, von Kammern und Verbänden unterstützt und von einer immer geschlosseneren Basis getragen. Das ist das Prinzip, mit dem formal die ABDA, aber faktisch ein kompletter Berufsstand für seine Interessen eintritt; und zudem für die Interessen von Millionen Patientinnen und Patienten.

Diese Art von Auftritten lassen andere aufhorchen, zuhören und schließlich mitmachen. Der Erfolg ist die Einheit, Kraft gibt die Geschlossenheit. Nur das beeindruckt den Gegner.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion

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