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Teures Magazin zur Schnäppchenjagd

20.06.2005  00:00 Uhr
Apothekenmarkt

Teures Magazin zur Schnäppchenjagd

von Patrick Hollstein, Berlin

Ab Juli wird bundesweit an Kiosken »Der Apothekenkatalog« erhältlich sein. Das Blatt ­ nach eigenem Bekunden ein Verbrauchermagazin ­ soll Kunden durch den OTC-Dschungel leiten und Apotheken unter Druck setzen, preisgünstige Präparate anzubieten.

Zumindest bei Helga Kühn-Mengel stieß der Katalog mit 400 Preisvergleichen aus dem OTC-Bereich auf große Resonanz: Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung ließ es sich nicht nehmen, die Erstauflage des Blatts mit einem Vorwort zu unterstützen. Dabei handelt es sich bei den Herausgebern keineswegs um eine gemeinnützige Stiftung, sondern um die Berliner Apo-Concept GmbH, die seit 1993 als Beratungsunternehmen für Apothekenneugründungen im Geschäft ist.

»Zufällige« Auswahl

Weil sich zumindest in den öffentlichen Apotheken seit In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform die OTC-Preise kaum nach unten bewegt hätten, wolle man nun mittels Vergleichskatalog zu einem verschärften Preisbewusstsein der Verbraucher im Arzneimittelbereich beitragen, erläuterte Geschäftsführer Rüdiger Rentsch bei der Projektpräsentation im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Zu insgesamt 50 Wirkstoffgruppen hat sein Redaktionsbüro Preisvergleiche anhand der Lauer-Taxe zusammengestellt. Von Antacida bis Schmerzmittel werden jeweils das teuerste, das preisgünstigste und eine »zufällige« Auswahl dazwischen liegender Produkte einer Indikationsgruppe dargestellt, samt Einsparpotenzial, PZN und Packungsfoto.

Dass der immerhin 7,50 Euro teure Katalog dennoch »absolut unabhängig und werbefrei« sein und bleiben soll, konnten sich Branchenkenner zu Wochenbeginn jedenfalls nicht vorstellen. Um Preisentwicklungen nachzuzeichnen, wollen die Herausgeber des Apothekenkatalogs nämlich auch künftig an ihrer Produktauswahl festhalten ­ diese angeblich kostenlose PR dürften sich die meisten der betroffenen Hersteller wünschen. Nur saisonal und zielgruppenorientiert sollen die Inhalte des viermal jährlich erscheinenden Heftes mit einer Auflage von zunächst 20.000 Exemplaren geringfügig verändert werden.

Auf eine verstärkte Nachfrage der gelisteten Produkte können sich die Apotheken in jedem Fall einstellen. Besser ein aufgeklärter Kunde als gar kein Kunde, kommentiert Rentsch schulterzuckend. Der Herausgeber hofft, dass auch die Apotheken in den Vertrieb des Prospekts einsteigen, der außerdem an größeren Kiosken zu haben sein wird, angesiedelt zwischen Taschenbuch und Zeitschriften. Denn für sie springt seiner Meinung nach ohnehin genug aus dem Projekt heraus ­ sofern sie sich beim Abverkauf künftig an die publizierten Gruppenbilligsten halten. Image-Bildung nennt Rentsch euphemistisch diesen vorauseilenden Gehorsam.

Keine Nuancierung

Die Beratungsfunktion der Apotheken wolle man in keiner Weise infrage stellen, beteuerte der Apo-Concept-Geschäftsführer. Dass das Magazin sie trotzdem permanent unterläuft, ist dem Konzept der Arzneimittelliste systemimmanent. Denn den formal berechtigten Anspruch des Herausgebers, man vertraue hinsichtlich der Produktgruppierungen auf Gesetzgeber und Hersteller und enthalte sich jeder qualitativen Wertung, kann man bei einem medizinischen Verbraucherratgeber kaum gelten lassen. Arzneimittel ausschließlich über den Preis zu vergleichen, greift deutlich zu kurz.

»Geist ist geil«, erklärte Rentsch und anerkennt damit die Komplexizität der Materie. Therapeutische Nuancierungen sucht man jedoch in der zweidimensionalen Struktur des Apothekenkatalogs vergeblich. Galenische Unterschiede werden im Magazin ausgeblendet, Anwendungseinschränkungen ignoriert. Therapeutische Alternativen bleiben unerwähnt, das Behandlungsspektrum wird erheblich verengt.

Verdächtige Apotheker

Ausgetragen wird der vermeintliche Verbraucherschutz am Ende wahrscheinlich ohnehin in der Apotheke. Hier muss der implizit der Abzocke verdächtigte Apotheker beispielsweise dem Allergiker glaubhaft machen, dass die gelisteten preisgünstigen Cromoglicin-Präparate im Akutfall nicht helfen ­ die teureren topischen Antihistaminika sind im Apothekenkatalog nicht enthalten.

Verbraucher, die das billigste Präparat ohne Diskussion noch billiger erwerben wollen, werden von der Apo-Concept übrigens ebenfalls bestens versorgt: Kooperationspartner Medizinfuchs leitet die Verbraucher direkt zur preisgünstigsten Versandapotheke weiter. Die Nähe zum Internet-Handel war dann auch offensichtlich: Als »Offline-Apothekenmarkt« hat die wohnortnahe Arzneimittelversorgung semantisch in Rentschs Bild vom Gesundheitswesen ihren Platz gefunden.

Bei einer ersten Analyse fällt indessen nicht nur das Vorwort auf. Schon beim Einstieg in die Materie konzentrieren sich die Macher des Blatts auf Generika und deren Nutzen et cetera. Beim Blättern entsteht schnell der Eindrucken, dass es häufig nur die Präparate von Generikaherstellern und dabei besonders die bestimmter Unternehmen, auf die Positivliste geschafft haben.

Beim Branchenverband Pro Generika wusste am Dienstag niemand etwas über den Katalog. Allerdings soll sich der Herausgeber dem Vernehmen nach mit einem großen deutschen Pharmagroßhändler um die Titelrechte am Produktnamen streiten. Beim betroffenen Konzern heißt es , man sei der Auffassung, dass der jetzt verwendete Titel europaweit und urheberrechtlich zu Gunsten des Konzerns geschützt sei.

Klagen drohen

Aus dem Gesundheitsministerium gab es jedenfalls keine Kritik an dem Projekt. Das Heft trage zu einer öffentlichen Diskussion um die Höhe von Arzneimittelpreisen bei, hieß es. Auf die Nachfrage, ob es sinnvoll sei, Dritten die vergleichende Bewertung von Preisen zu überlassen, wollte man nicht eingehen. Wie am Dienstag zu erfahren war, prüfen einige Hersteller Klagen gegen den Verlag.

 

Kommentar: Auf Kosten der Verbraucher Vermeintliche Kenner der Materie lassen sich seit einiger Zeit immer wieder gerne mit der Aussage zitieren: »Der Apothekenmarkt ist in Bewegung.« Da mögen die Fachleute Recht haben und behalten. Der Markt ist in Bewegung. Allerdings ist das beileibe keine qualitativ werthaltige Aussage.

Nur die Tatsache, dass sich etwas bewegt, heißt doch nicht, dass es in die richtige Richtung geht. Bestes Beispiel liefert die Vorstellung eines Katalogs mit dem schnöden Titel »Der Apothekenkatalog«. Das Blatt erscheint auf den ersten Blick ­ und für pharmazeutisch geschulte Mitmenschen auch auf den zweiten ­ schnell zusammengeschustert und konzeptlos.

Eine ohnehin fragwürdige und polemisch geführte Debatte um die Preiswürdigkeit von Arzneimitteln mündet in einer Liste von rund 400 Präparaten, die meisten gleich mit Packung und PZN abgebildet. Die Produzenten des Werks wollen nach eigener Auskunft für mehr Preiswettbewerb sorgen.

Lediglich alle drei Monate soll das Werk herauskommen ­ das wird sich für die Verbraucher als übel herausstellen. Und: Ob die lautstark verkündete Auflage tatsächlich erreicht wird? Das wird die Zukunft zeigen. Aber das Produkt wirkt auf den ersten Blick, als ob es eben nicht, wie gerne und häufig betont, unabhängig ist, sondern abhängig.

Auffallend häufig landen Produkte der immer selben Unternehmen auf den vordersten Rankings. Soll hier gezielt Einfluss genommen werden? Einfluss auf den Verbraucher, der nur auf den Preis angesetzt wird und auf den Apotheker, der sich dem Diktat Dritter beugen soll? Dafür soll der Verbraucher übrigens satte 7,50 Euro zahlen. Und es bleibt im Unklaren, dass sich die Preise im OTC-Segment täglich ändern können. Der Katalog ist am Tag seiner Vorstellung beinahe Makulatur.

Es ist ärgerlich, dass solche »Projekte«, die lediglich vorgeben, die Interessen von Verbrauchern im Blick zu haben, im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung auf sich aufmerksam machen dürfen. Die Maßstäbe scheinen vollends verrückt. Gespannt sein darf man, ob die Patientenbeauftragte den Hintergrund dieses Katalogs hat prüfen lassen. Aber wenigstens war der Markt wieder in Bewegung.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion

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