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Abschied vom Jugendwahn

05.03.2001  00:00 Uhr

RISIKOSTRUKTURAUSGLEICH

Abschied vom Jugendwahn

von Rainer Vollmer, Berlin

Der Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den Krankenkassen wird für die Leistungserbringer und damit auch für die Apotheker eine neue Dimension bekommen. Die beauftragten Gutachter haben schon aufgezeigt: Im Jahr 2007 wird es einen umfassenden Ausgleich geben, der allein auf die Morbidität der Versicherten abstellt. Vorher werden aber schon Poole gebildet für chronisch Kranke und Hochrisiko-Patienten. An der Erstellung der Morbiditätslisten sollen auch Leistungserbringer beteiligt werden.

Geschickt hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die unterschiedlichen wissenschaftlichen Gutachten zum RSA zu einem Konsenspapier zusammengefügt. Sie zwang das Gutachterteam ihres Ministeriums (Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und die Professoren Dr. Wasem und Dr. Cassel) sowie die Gutachter eines Teils der Krankenversicherung (die Professoren Dr. Lauterbach und Dr. Wille), eine einheitliches Gutachten vorzulegen.

Der Risikostrukturausgleich wird bis 2007 auf ein morbiditätsorientiertes Modell zur Ermittlung des Beitragsbedarfs der einzelnen Krankenkassen umgestellt. Die notwendigen Gesetze dazu sollen bald erlassen werden, um den Zeitplan einhalten zu können, fordern die Gutachter. So sollen die Spitzenverbände der Krankenkassen die Entscheidung zur Auswahl und Anpassung des Modells bis zum 30. Juni 2003 treffen. Oder das Ministerium selbst müsste spätestens drei Monate danach eine Ersatzvornahme leisten.

Sofort müsste eine "partielle Morbiditätsorientierung" in den jetzigen Risikostrukturausgleich eingebaut werden, um die Zwischenzeit zu überbrücken. So sei der erhöhte Beitragsbedarf für bestimmte chronische Erkrankungen - geplant ist, sieben Erkrankungen in jeweils drei Altersstufen aufzulisten - zu berücksichtigen. Voraussetzung ist, dass die Krankenkasse ein Disease-Management aufbaut. Der Versicherte müsse sich freiwillig in die dafür notwendige Liste eintragen.

Die Tücke des dazu notwendigen Verfahrens: Die Management-Programme sind von den Krankenkassen und den Leistungserbringern (eventuell durch den Koordinierungsausschuss Krankenkassen/Krankenhäuser/Ärzte) zu erstellen. Die Disease- Management-Programme sollten wettbewerbsorientiert gestaltet sein und "den einzelwirtschaftlichen Vertragspartnern" vorbehalten bleiben. Vorstellbar sind Einzelverträge zwischen Kassen und Leistungserbringern. Nicht ausdrücklich erwähnt, aber vorstellbar ist, dass solche Verträge auch mit Apothekern geplant werden.

Nicht einigen konnten sich die Gutachter auf eine befristete Lösung für einen weiteren Pool: Das Iges-Gutachterteam schlägt einen Hochrisiko-Pool für alle Patienten vor, deren Krankheit mehr als 20.000 DM im Jahr Kosten verursacht.

Die Professoren Dr. Lauterbach/Dr. Wille (siehe PZ 9/01, Seite 16) dagegen wollen die so genannte "Wechslerkomponente" berücksichtigen. Für die - meist gesunden Wechsler von einer zur anderen Krankenkasse - sei ein Ausgleich zu schaffen. Gesundheitspolitiker der SPD und die SPD-geführten Bundesländer favorisieren den Hochrisiko-Pool.

Das Iges-Team schlägt zusätzlich eine politikbegleitende "RSA-Kommission" vor. Der neue "Sachverständigenrat zur Begutachtung von RSA und GKV-Wettbewerb" sollte dem Bundestag alle zwei Jahre einen Bericht zur Wettbewerbsentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung abgeben. "Entgangene Zuzahlungen" von rund 2,6 Milliarden DM müssten ebenfalls im RSA berücksichtigt werden; darunter sind die Härtefälle zu verstehen, bei denen Versicherte keine Zuzahlung zum Beispiel für Arzneimittel leisten.

 

Ersatzkassen profitieren dpa. Sollte die Reform, wie von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geplant, bereits im Herbst verabschiedet sein, könnten nach Ansicht des Kölner Gutachters Karl Lauterbach vor allem die Ersatzkassen Beitragserhöhungen im nächsten Jahr vermeiden. Dagegen müssten sich die Versicherten der bislang günstigen Betriebskrankenkassen 2002 auf kräftige Anhebungen einstellen. Ein bis 2007 angelegter Stufenplan soll das Transfersystem zwischen den Kassen, mit dem im vergangenen Jahr rund 23 Milliarden Mark umverteilt wurden, auf eine neue Basis stellen. 

Schmidt, die für die Reform mit Hochdruck an einem Konsensmodell arbeitet, will an die Stelle des "Wettbewerbs um Gesunde" den "Wettbewerb um die beste Versorgung der Patienten" setzen. Die Neuordnung solle zu einem "gerechten Lastenausgleich" führen. "Unser Ziel ist es, zu einer Lösung zu kommen, die möglichst breit getragen Wird", sagte Schmidt. Die Koalitionsfraktionen und die Gesundheitsminister der SPD-geführten Länder stützten die Vorstellungen. 

Um den so genannten Risikostrukturausgleich (RSA) ist seit langem ein heftiger Streit entbrannt, da immer mehr gesunde und gut verdienende Versicherte zu Kassen mit niedrigen Beitragssätzen wechseln, was bei den abgebenden Kassen zu weiteren Belastungen, zuletzt vor allem bei den Ersatzkassen, führte. Die Betriebskrankenkassen, bei denen 12 Millionen Bundesbürger versichert sind, haben im vergangenen Jahr der Konkurrenz 1,2 Millionen Mitglieder abspenstig machen können.

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