Keine rekombinanten Generika |
08.10.2001 00:00 Uhr |
In Deutschland gibt es nach den Angaben von Professor Dr. Theo Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie am Biozentrum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main inzwischen über 60 gentechnisch hergestellte Proteine - Hormone, Enzyme, Gerinnungsmodulatoren, Zytokine, Antikörper und Antigene, die als Arzneimittel eingesetzt werden.
Nach dem Europäischen Arzneibuch sind diese Wirkstoffe als DNA-rekombinationstechnisch durch genetische Modifikationen hergestellte Produkte definiert, bei der die kodierende DNA mit Hilfe eines Plasmids oder viralen Vektoren in einem geeigneten Mikroorganismus oder einer geeigneten Zelllinie eingeführt wird. Dort wird DNA in RNA umgeschrieben und in Proteine translatiert. Das gewünschte Produkt kann dann durch Extraktion und Reinigung gewonnen werden.
Dingermann betonte, dass bei diesen Produkten die Extraktion und die Reinigung beziehungsweise der gesamte Herstellungsprozess integraler Bestandteil der Produktspezifikation ist, wodurch ein hoher Sicherheitsanspruch dokumentiert und garantiert würde. Seiner Meinung nach wird es deshalb bei rekombinanten Produkten Generika im klassischen Sinne nicht geben.
Zur gentechnischen Herstellung werden vier verschiedene Zelltypen verwendet: der Prokaryont Escherichia coli, der Eukaryont Saccharomyces cerevisiae, Säugerzelllinien vom Typ CHO (Chinese Hamster Ovary-Zellen) sowie die Zelllinie BHK (Baby Hamster Kidney-Zellen).
Der erste gentechnisch hergestellte Wirkstoff war das Insulin. Aus der
Gruppe der Hormone wurden außerdem Glucagon, Calcitonin, FSH, LH,
Choriongonadotropin, Thyrotropin a, humanes Wachstumshormon und
Erythropoetin zugelassen und sind in Deutschland als Arzneimittel
verfügbar.
Vom Insulin gibt es inzwischen drei Muteine mit geänderter
Pharmakokinetik: die zwei schnell wirkenden Aspart und Lispro sowie das
lang wirksame Insulin Glargin. Diese Varianten ermöglichen eine
intensivierte Insulintherapie, wodurch gefürchtete Spätfolgen eines
schlecht eingestellten Diabetes besser vermieden werden können.
Aus der Gruppe der Enzyme erwähnte Dingermann die zur symptomatischen Mukoviszidose-Therapie eingesetzte humane Desoxyribonuklease I und die Glucocerebrosidase, die zur Substitutionstherapie beim Morbus Gaucher indiziert ist, sowie die erst kürzlich auf dem Markt eingeführte Agalsidase, die einen Enzymdefekt beim Fabry-Syndrom komplementiert.
Bei den Zytokinen haben sich nach Ansicht des Referenten besonders die Interferone-a und -b in der Therapie der chronischen Hepatitis C beziehungsweise bei der Multiplen Sklerose etabliert. Auch die rekombinanten Wachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF seien aus der Therapie von mit Chemotherapeutika vorbehandelten Tumorpatienten nicht mehr wegzudenken.
Ebenso habe die Therapie mit Antikörpern durch die Gentechnik einen
enormen Aufschwung erlebt. Als Beispiel nannte er Infliximab bei Morbus
Crohn und der rheumatoiden Arthritis, sowie Etanercept, das er als ein
echtes "Kunst-Gen" bezeichnete. Hier habe man zwei Teile
unterschiedlicher Moleküle, die extrazelluläre Domäne des TNF-a-Rezeptors
mit der konstanten Region eines Immunglobulins, zu einem neuen Wirkstoff
zusammengefügt. Der Wirkstoff wird ebenfalls bei rheumatoider Arthritis
gegeben.
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