Plastikflaschen recyceln die Tradition |
Jennifer Evans |
26.05.2025 13:00 Uhr |
Vergangenheit mit Zukunftsblick: George Nuku kreiert aus Plastikflaschen eine neue Ästhetik und verbindet sie mit ozeanischen Traditionen. / © SMB, Ethnologisches Museum/Pierre Adenis
Der neuseeländische Künstler George Nuku arbeitet mit Knochen, Holz, Stein, Muscheln, Styropor und Plexiglas. Seine Werke setzen sich mit Identität, Geschichte und Umwelt auseinander. Dabei gelingt es ihm, jahrtausendealte Kulturtechniken mit aktuellen globalen Themen zu verweben und so eine neue Ästhetik zu schaffen.
Wie Nuku während einer Presseveranstaltung in Berlin sagte, erachtet er die Vergangenheit und die Gegenwart nicht als Gegensätze, sondern als Zustände, die »im selben Moment« geschehen. In seiner Kunst verbindet er daher spirituelle Dimensionen der Māori-Tradition mit ökologischen und kulturellen Herausforderungen der heutigen Zeit. Seine Kunst versteht er als ein dynamisches System, das Geschichte nicht dokumentarisch konserviert, sondern in die Zukunft projiziert.
Ein Thema, das den ozeanischen Künstler immer wieder beschäftigt, ist die Beziehung zwischen Mensch und Meer. Der Ozean »te Moananui« – das große Blau – steht für das Unbekannte. Die Tradition des Fischens dafür, das Unbekannte ins Bekannte zu holen. Oder: Unwissenheit in Verständnis zu verwandeln.
Eine seiner Interventionen zeigt ein Korallenriff, auf dem ein traditionelles neuseeländisches Kanu »waka« ruht, gefertigt aus lackiertem Plexiglas. Es wird von fünf Männern gesteuert – dem Halbgott Māui und seinen Brüdern. Sie alle angeln aus dem Meerwasser unter sich Plastiktiere: Quallen, Fische, Rochen, hergestellt aus PET-Flaschen. Gleichzeitig halten die Figuren historische Paddel oder Wasserschöpfer in den Händen.
»Für mich ist die Plastikflasche ein Beweis von Göttlichkeit«, so Nuku. Damit spielt er auf die Verbindung von Licht und Wasser als Ursprung des Lebens an. Indem er den Abfall der Konsumgesellschaft in den Kontext einer kulturellen Tradition stellt, fordert er dazu auf, Materialien und ihre (symbolischen) Bedeutungen zu hinterfragen. Er will zeigen, wie sich Kunst, Gemeinschaft und Verantwortung für die Umwelt miteinander verbinden lassen.
In einem weiteren Raum zeigt Nuku Ahnenfiguren aus transparentem Plexiglas im Stil klassischer Māori-Schnitzereien und kombiniert sie mit Exponaten aus Polynesien, die Teil der Dauerausstellung sind. Die Waffen und Schmuckstücke hat er aufrecht in seinen Skulpturen positioniert – wie lebendige Akteure. »Wenn sie liegen, sind sie tot«, stellt Nuku für all jene klar, die über die unübliche museale Präsentation stolpern.
Mit diesen Arbeiten macht er deutlich, dass die im Humboldt Forum gezeigten Schätze der Ozeanien-Sammlung keine statischen Zeugnisse der Vergangenheit sind, sondern konzentrierte Speicher von Geschichten und Emotionen. Der Titel seiner Sonderausstellung »Manatunga« steht genau für diese Verbindung. Das Māori-Wort bedeutet wertvolle Erbstücke der Ahnen und impliziert auch, dass diese aufrecht stehen.
Mit seiner Kunst will Nuku nach eigenen Angaben Menschen verbinden, den Blick auf die Welt verändern und jeden Einzelnen ermuntern, Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen.
George Nuku (links) spricht über seine Kunst und seinen Workshop in einer Folge des Podcasts »Gegen die Gewohnheit«. Die Aufnahme ist Teil der Initiative »Das Kollaborative Museum«, ein Projekt des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Seine Sonderausstellung »Manatunga« ist noch bis zum 31. Dezember 2025 im Ozeanien-Bereich des Berliner Humboldt Forums zu sehen.