Pharmaziestudium früher und heute |
Laura Rudolph |
11.07.2025 07:00 Uhr |
Seit dem 19. Jahrhundert ist ein Pharmaziestudium Pflicht, um als Apotheker arbeiten zu dürfen. / © Getty Images/Trifonov_Evgeniy
Der erste Teil der Serie basiert auf einem Beitrag von Professor Dr. Axel Helmstädter in der Monatszeitschrift »Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz«, in dem er einen Überblick über die Geschichte des Pharmaziestudiums gibt – von seinen Anfängen bis heute (DOI: 10.1007/s00103-025-04037-1).
Acht Semester Studium plus das Praktische Jahr: So, wie die apothekerliche Ausbildung heute organisiert ist, gibt es sie noch nicht allzu lange. Bis ins 19. Jahrhundert war das Pharmaziestudium nicht einmal zwingend vorgeschrieben, um als Apotheker zu arbeiten. Der Beruf war früher vor allem handwerklich geprägt, später nach und nach wissenschaftlich. Das achtsemestrige Studium, wie wir es heute kennen, gibt es bundeseinheitlich erst seit 1989, wobei die ehemalige DDR es früher einführte: bereits 1951.
Das damalige Königreich Bayern führte 1808 als Vorreiter unter den deutschen Staaten ein verbindliches, zweijähriges Pharmaziestudium ein – und agierte damit vergleichsweise fortschrittlich. Das Abitur war jedoch noch keine Voraussetzung für die Zulassung. In Preußen blieb das Studium zunächst freiwillig, allerdings gab es einen Anreiz für Absolventen: Sie durften auf zwei der fünf praktischen Jahre als »Gehilfe« verzichten.
Erst als 1871 das Deutsche Reich gegründet wurde, wurde die Hochschulausbildung für Apotheker reichsweit Pflicht. Sie dauerte drei Semester, in Verbindung mit je drei Jahren Lehr- und Gehilfenzeit. Auf dem Stundenplan standen botanische, chemische, physikalische und rechtliche Inhalte; geprüft wurde in einem fünfteiligen Examen in Theorie und Praxis.
Bereits damals gab es rege Bemühungen, das Studium zu modernisieren. 1879 forderte eine Kommission, die der Deutsche Apotheker-Verein eingesetzt hatte, das Abitur als Zulassungsvoraussetzung für das Studium und eine Studiendauer von acht Semestern plus drei Jahre »Servierzeit«. Allerdings kam die Politik diesen Forderungen zunächst nicht nach.
1904 wurde die Dauer des Studiums auf vier Semester erhöht – im Europavergleich war es damit immer noch das kürzeste. Die Hochschulzeit folgte auf eine dreijährige Lehrzeit (mit Abitur nur zwei Jahre), eine praktische Prüfung und einem Jahr Tätigkeit als »Gehilfe« in der Apotheke. Nach dem Studium wiederum folgten nochmal eine zweijährige praktische Ausbildung, sodass die Ausbildungszeit insgesamt sieben Jahre mit Abitur und acht Jahre ohne betrug. 1921 wurde das Abitur als Zulassungsvoraussetzung für das Studium festgelegt.
13 Jahre später, 1934, wurde das Studium – wie bereits lange vom Berufsstand gefordert – auf sechs Semester verlängert. Ergänzend waren eine zweijährige Lehrzeit vor und ein einjähriges »Kandidatenjahr« nach dem Studium vorgesehen. Auch die Lehrinhalte hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ein Update enthalten und schlossen nun auch Bakteriologie, Hygiene und Sterilisationsverfahren sowie physiologisch-chemische Untersuchungen mit ein. Gleiches galt für pharmakologische Lehrinhalte, Homöopathie und Wirtschaftslehre – nicht alles war evidenzbasiert.
Die Ausbildungsordnung von 1934 war nach dem Zweiten Weltkrieg noch gültig. Die Apothekerausbildung konnte allerdings nur schleppend wieder aufgenommen werden. Die Notwendigkeit, wieder eine funktionierende Arzneimittelversorgung aufzubauen, hatte eine höhere Priorität als Ausbildungsfragen. Dennoch machten Hochschullehrende bereits 1949 umfassende Reformvorschläge. Ebenso schlug die »Arbeitsgemeinschaft Pharmaziestudenten« erst ein sieben-, dann ein achtsemestriges Studium mit medizinischen Inhalten und Pharmakologie als Prüfungsfach vor.
Beim Apothekertag und in diversen Gremien wurden Ausbildungsfragen häufig thematisiert, so auch die Überlegung, ob ein Praktisches Jahr vor oder nach dem Studium oder zwischen Grund- und Hauptstudium erfolgen sollte. Statt diese Fragen zu klären, wurden allerdings erst Grundsatzfragen des Apothekenwesens geklärt und 1960 das Apothekengesetz erlassen. Acht Jahre später trat die Bundesapothekerordnung in Kraft. Diese legte eine Mindestausbildungsdauer von 4,5 Jahren einschließlich einer praktischen Ausbildung von zwölf Monaten fest. Außerdem schrieb sie die Approbation gesetzlich als Voraussetzung vor, um den Apothekerberuf selbstständig und uneingeschränkt auszuüben.
Zum Wintersemester 1971/1972 wurde schließlich eine erste Approbationsordnung ausgearbeitet, durch die das Studium auf sieben Semester verlängert wurde. Außerdem entfiel das Vorpraktikum. Hinzu kam stattdessen das Praktische Jahr nach dem Studium. Neue Fächer waren fortan Pharmakologie und pharmazeutische Technologie.
Mit der neuen Approbationsordnung gab es dann auch keine »Vorexaminierten« mehr. Um einem Fachkräftemangel in den Apotheken entgegenzuwirken, wurde der Beruf Pharmazeutisch-technischer Assistent (PTA) eingeführt.
In der damaligen DDR gelang der Wandel des Pharmaziestudiums schneller. Bereits 1951 dauerte die universitäre Ausbildung acht Semester. Pharmazeutische Technologie und Pharmakologie wurden vertieft und zu Prüfungsfächern.
In der Bundesrepublik gelang die Erweiterung auf acht Semester erst kurz vor der Wiedervereinigung – mehr als 100 Jahre nachdem der Berufsstand dies erstmalig gefordert hatte. Zu dieser Entwicklung trug nicht unwesentlich eine EU-Richtlinie von 1987 bei, die die gegenseitige Anerkennung der pharmazeutischen Ausbildung innerhalb der EU regelte. Nun musste das Studium verlängert werden, um im Europavergleich mithalten zu können.
Inhaltlich änderte sich nicht viel bis auf einige neue Seminare, die hinzukamen. Die neue Approbationsordnung von 1989 wurde in das wiedervereinigte Deutschland übernommen. Sie schrieb auch erstmals die achtwöchige Famulatur in der Form, wie wir sie heute kennen, als Zulassungsvoraussetzung für das Erste Staatsexamen vor.
Doch inhaltlich gab es Reformbedarf, insbesondere hinsichtlich der klinischen Pharmazie. In den USA kam das Konzept, das sich vor allem mit der Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und der patientenzentrierten Pharmazie beschäftigt, bereits in den 1960er-Jahren auf. In den frühen 1970er-Jahren wurden dort laborchemische Studieninhalte weitgehend durch medizinisch-pharmakologische ersetzt. In Großbritannien gab es etwa zehn Jahre später ähnliche Entwicklungen.
In Deutschland hielt die klinische Pharmazie erst in den 1980er-Jahren mehr Bedeutung. Den ersten Lehrauftrag für klinische Pharmazie an einer deutschen Universität gab es 1981 in Freiburg. 1985 führte der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) die »Fachausbildung« in klinischer Pharmazie ein – ein kleiner Meilenstein.
Vom ersten Lehrauftrag an sollte es aber noch 20 Jahre dauern, bis im Jahr 2001 eine Ausbildungsreform die klinische Pharmazie als Ausbildungs- und Prüfungsfach verpflichtend festlegte. Vorher lag es im Ermessen der jeweiligen Universität, klinisch-pharmazeutischen Unterricht zu erteilen oder nicht. Dennoch überwogen auch danach die rein naturwissenschaftlichen Inhalte deutlich. Im internationalen Vergleich ist der klinische Anteil in Deutschland immer noch sehr gering. Die Universitäten Freiburg und München etablierten zusätzlich einen Bachelor‑/Masterstudiengang »Pharmazeutische Wissenschaften«, der jedoch nicht zur Approbation führt.
Die rasanten Fortschritte in der pharmazeutischen Forschung (zum Beispiel im Bereich in der Immunologie und Gentherapie) führten schon bald nach der Approbationsordnung von 2001 zu erneuten Diskussionen aufgrund des Reformbedarfs. 2017 verabschiedete die Bundesapothekerkammer den »Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Pharmazie – Perspektivpapier Apotheke 2030« (KLP-P), der die notwendigen Kompetenzen, die Apotheker während ihrer Ausbildung erwerben sollen, definiert.
2022 wurde das »Positionspapier Runder Tisch Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker« verabschiedet, das konkrete Vorschläge zu einer zeitgemäßen Apothekerausbildung macht. Es liegt nun schon seit geraumer Zeit im Bundesgesundheitsministerium, das sich hierzu noch nicht geäußert hat. Mit Blick auf eine überarbeitete EU-Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung der Abschlüsse innerhalb der EU sind jedoch bestimmte Anpassungen bis März 2026 nötig. Ob und wann diese kommen werden, ist noch ungewiss.