»Pharmacists for Future« warnen vor umweltgefährdenden Arzneimitteln |
Melanie Höhn |
25.07.2023 11:00 Uhr |
Die »Pharmacists for Future« stehen einigen OTC-Präparaten aufgrund der schlechten Umweltverträglichkeit kritisch gegenüber, etwa Schmerzsalben mit dem Wirkstoff Diclofenac. / Foto: Adobe Stock/Eder Hans
Im April dieses Jahres hatte die EU-Kommission ihr Pharmapaket vorgestellt, um die Arzneimittelversorgung krisen- und zukunftssicher zu machen. Zwei große Ziele sind unter anderem die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sowie die Eindämmung von Lieferengpässen – inzwischen musste die EU-Kommission schon viel Kritik für ihre Vorschläge einstecken.
Nun haben sich auch die »Pharmacists for Future« zur Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts zu Wort gemeldet. Neben dem Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen sei auch die bessere Umweltverträglichkeit von Medikamenten ein Ziel des Pharmapakets – diese Bestrebungen unterstütze die Gruppe »vollumfänglich«. Es könne nicht hingenommen werden, dass »Arzneistoffe in die Umwelt gelangen, dort Wirkungen entfalten und dadurch die Biodiversität beeinträchtigen« – nicht zuletzt damit »unsere Lebensgrundlage«. Deshalb sei es zwingend notwendig, wirksame Maßnahmen zu etablieren – viele schädliche Wirkungen auf Organismen und Ökosysteme seien bereits wissenschaftlich belegt.
Zudem macht die Gruppe auf große Wissenslücken aufmerksam, die dringend geschlossen werden müssten. Aufgabe von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten müsse es sein, mitzuhelfen, die Umweltwirkungen von Arzneimitteln weitestgehend zu minimieren und nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln. »Damit alle denkbaren Belastungen und Schäden für die menschliche Gesundheit sowie für die Umwelt im Voraus vermieden oder weitestgehend verringert werden«, wie es in dem Leserbrief weiter heißt.
»Wir begrüßen es sehr, dass das neue EU-Arzneimittelrecht zum Ziel hat, die Umwelt besser zu schützen«, so die »Pharmacists for Future«. Auch andere Maßnahmen wie etwa eine Aufrüstung der Kläranlagen oder die Berücksichtigung der Umweltwirkungen bei der Zulassung der Arzneimittel könnten dazu beitragen, die umweltschädlichen Folgen zu verringern, erklärt die Gruppe in dem Brief weiter. Zudem werden ein Ökopharmakovigilanz-System sowie die Transparenz und leichte Zugänglichkeit der entsprechenden Daten im Gesundheitswesen als weitere Maßnahmen vorgeschlagen.
Einen weiteren wichtigen Hebel sieht die Gruppe in der Werbung. »Die Werbung für Rx-Arzneimittel unterliegt in Europa starken Beschränkungen. Die Einschränkung von Werbung für OTC-Arzneimittel und verwandte Produkte wäre hier ebenfalls wünschenswert, um einer werbeinduzierten Arzneimitteleinnahme entgegenzuwirken«, wie es heißt. »Nur gemeinsam können wir das Problem der Arzneimittel-Rückstände und deren Folgen lösen; mit der Politik, Industrie, allen Beteiligten des Gesundheitssystems, darunter auch die Apothekerinnen und Apotheker und natürlich auch mit den Patientinnen und Patienten«.
Der EU-Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Arzneimittel generell verschreibungspflichtig werden, wenn es sich um ein antimikrobielles Mittel oder um einen umweltschädlichen Wirkstoff handelt. Wie die PZ bereits berichtet hat, ist dies aus Sicht des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) für die Apotheken brisant und würde auch große Auswirkungen für die Ärzte sowie die Hersteller von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach sich ziehen, die ihre Präparate vom Markt ziehen würden.
Laut »Pharmacists for Future« sei die Verschreibungspflicht ein Weg, den Zugang zu umweltgefährdenden und antimikrobiellen Mitteln zu erschweren und so möglicherweise den Verbrauch zu senken. Apothekerinnen und Apotheker hätten aber »eine umfassende fachliche Qualifikation« und würden jeden Tag beweisen, dass sie verantwortungsvolle Beratung leisten. Dazu würden zunehmend auch Umwelt- und weitere nachhaltige Aspekte zählen. Deshalb schätzt es die Gruppe als bedenklich ein, wenn in der Apotheke Arzneimittel wie etwa Jodsalbe oder Fußpilzcreme nicht mehr ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen. Zudem werde das Gesundheitssystem unnötig belastet, wenn Menschen wegen geringer Beschwerden wie leichtem Fußpilz ärztlichen Rat suchen müssten.
Andererseits stehen die »Pharmacists for Future« einigen OTC-Präparaten aufgrund der schlechten Umweltverträglichkeit kritisch gegenüber, wie etwa Schmerzsalben mit dem Wirkstoff Diclofenac. Auch Mitarbeitende öffentlicher Apotheken würden schon seit Langem einen Übergebrauch von topischen Analgetika beobachten. Ein Großteil der Diclofenac-Rückstände in der Umwelt stammten von topischen Zubereitungen, die durch das Abwaschen der Haut beim Duschen in den Wasserkreislauf gelangen.
»Aufgrund des demographischen Wandels und der Zunahme des Verbrauchs von Arzneimitteln im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass auch der Verbrauch von topischen Analgetika und der Eintrag in die Umwelt von chemischen Schmerzmitteln zunehmen werden. Den schädlichen Diclofenac-Eintrag in die Umwelt könnte man aus unserer Sicht durch einen verantwortungsbewussteren Umgang stark minimieren. Hier lohnt sich ein Blick nach Schweden«, so die »Pharmacists for Future«: Dort sind seit März Diclofenac-Salben aus der Freiwahl verschwunden und man erhält diese nur nach ausführlicher Beratung.
Doch nicht nur Diclofenac sei ein für die Umwelt problematischer Arzneistoff: Viele Wirkstoffe würden nach der oralen Aufnahme zu einem großen Prozentsatz unverändert wieder ausgeschieden und reicherten sich in der Umwelt an. Die Gruppe fordert deshalb, »dass mehr Informationen in den Arzneimittel-Datenbanken zum Thema Ökotoxizität bereitgestellt werden. Nur so können sowohl bei der Verschreibung von Arzneimitteln als auch bei der Beratung zu Arzneimitteln in der Apotheke ökologische Gesichtspunkte besser berücksichtigt werden.«