Bakterien ersetzen Chemiker |
10.05.1999 00:00 Uhr |
Können Chemiker sich demnächst bequem zurücklehnen und dabei zuschauen, wie Aktinomyzeten ihre Arbeit machen? Denkbar wäre es: durch kombinatorische Biosynthese von Naturstoffen. Dabei verändern Forscher das Erbmaterial der Bakterien gezielt, so daß sie einen gewünschten Sekundärmetaboliten synthetisieren.
Mehr als 40 Prozent der derzeit verwendeten Medikamente sind entweder direkt Wirkstoffe aus Pflanzen beziehungsweise Mikroorganismen oder Derivate solcher Verbindungen, erklärte Professor Dr. Wolfgang Wohlleben vom Lehrstuhl für Mikrobiologie der Universität Tübingen am 28. April auf der Jahrestagung der Biotechnologen während der Dechema. Die Aktinomyzeten früher fälschlich auch Strahlenpilze genannt, obwohl es sich um Bakterien handelt - spielen hier eine besondere Rolle. Sie sind für etwa 60 Prozent der pharmakologisch wirksamen Naturstoffe aus Mikroorganismen verantwortlich.
Forscher, die diese Bakterien molekulargenetisch untersuchten, kamen zu einem interessanten Ergebnis: Die Gene, die für die Biosynthese der Sekundärmetaboliten verantwortlich sind, liegen nebeneinander in Gen-Clustern. Dadurch ist es möglich, sie zu manipulieren.
Hinzu kommt, daß bei verschiedenen Akinomyzeten immer wieder dieselben Synthesewege und Substanzklassen auftreten, so Wohlleben. Dazu gehören Polyketide, Aminoglykoside, Terpenoide und nicht-ribosomal synthetisierte Peptide sowie Kombinationen aus diesen Bausteinen. Die Enzyme verschiedener Synthesewege und Mikroorganismen ähneln einander, so daß die Forscher auf die Idee kamen, die Gene dafür gezielt auszutauschen, um Wirkstoffe zu verändern. Wie in einem Baukasten können Biotechnologen verschiedene Enzyme und regulatorische Einheiten miteinander kombinieren, um das Bakterium eine bestimmte Verbindung synthetisieren zu lassen. Dadurch konnten sie zum Beispiel Hybrid-Antibiotika produzieren.
Ganz so spielerisch leicht wie zunächst vermutet, ist die genetische Manipulation von
Aktinomyzeten jedoch nicht. Die Filament-bildenden Bakterien ließen sich nicht so einfach
genetisch verändern wie Escherichia coli, das Haustier der Gentechnologen, so Wohlleben.
Aber auch hier seien schon Lösungen in Sicht. Zum Beispiel Aktinophagen - Viren die
ausschließlich Aktinomyceten befallen und ihr Erbmaterial in die DNA der Bakterien
einschleusen. Damit können sie als Genfähre dienen. Wohlleben hält die kombinatorische
Biosynthese durch Aktinomyzeten für sehr aussichtsreich, da "man mit Bausteinen
arbeitet, die in der Natur optimiert worden sind."
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