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Hyperaktive Kinder richtig behandeln

10.03.2003  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Hyperaktive Kinder richtig behandeln

von Matthias Unger, Würzburg

Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist weder Mythos, noch Modeerkrankung oder ein Erziehungsfehler der Eltern, sondern eine ernst zu nehmende, chronische Krankheit, die behandelt werden kann. Vor allem die Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Behandlung ist erfolgreich.

In einer Vortragsveranstaltung der DPhG-Landesgruppe Bayern, Regionalgruppe Würzburg, stellte Dr. Knut Baumann vom Institut für Pharmazie der Würzburger Julius-Maximilians-Universität die unterschiedlichen Therapieansätze vor. Patienten mit ADHS könnten sowohl verhaltenstherapeutisch, als auch medikamentös behandelt werden. Vor allem die Kombination der beiden Therapiemaßnahmen ist sinnvoll und wird von der überwiegenden Zahl der nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlen. Die Verhaltenstherapie beschränke sich nicht nur auf den kleinen Patienten, sondern beziehe auch die Eltern und Pädagogen in Kindergärten und Schulen mit ein, berichtete Baumann.

In der medikamentöse Therapie der ADHS kommen neben Stimulanzien, wie Methylphenidat (Ritalin®) oder Amphetamin, auch selektive Inhibitoren der Noradrenalin-Wiederaufnahme im synaptischen Spalt, so genannte "Re-Uptake-Inhibitoren", und trizyklische Antidepressiva wie Desipramin zum Einsatz, so der Referent. Während Amphetamin nur in der Rezeptur verwendet wird, ist Methylphenidat in Form von Tabletten mit 10 mg Wirkstoff erhältlich, die die Kinder zwei- bis dreimal täglich einnehmen müssen. Im Ausland, zum Beispiel in der Schweiz, sind zudem Retardtabletten mit 20 mg im Handel (Ritalin-SR®).

Methylphenidat hemmt die präsynaptische Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme, sodass die Konzentration der beiden Neurotransmitter im synaptischen Spalt steigt. Der Wirkstoff fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, das tatsächliche Missbrauchspotenzial scheint verglichen mit Amphetamin und Kokain jedoch minimal, erklärte Baumann.

Die Wirksamkeit von Methylphenidat ist in placebokontrollierten klinischen Studien gut belegt. Als unerwünschte Wirkungen traten allerdings Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Magenbeschwerden und Kopfschmerzen auf. Vor allem bei Kindern im Wachstum kann die durch Stimulanzien häufig hervorgerufene Appetitlosigkeit sehr problematisch sein. Andere Stimulanzien wie Amphetamin und Pemolin wirken vergleichbar. Pemolin ist jedoch schlechter verträglich – in einigen Fälle soll es zu schwerem Leberversagen geführt haben.

Im August 2002 ließ die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) mit Atomoxetin (Strattera®) ein neues Medikament zur Therapie der ADHS bei Kindern und Erwachsenen zu. Der Wirkstoff hemmt selektiv die Noradrenalin-Wiederaufnahme und ist in den USA nicht als Betäubungsmittel eingestuft. Fünf klinische Studien zeigten bislang, dass Atomoxetin die ADHS-Symptomatik bei Kindern sowie bei Erwachsenen signifikant verbessert. Das Stimulans ist ähnlich wirksam wie Methylphenidat; allerdings bestehen Unterschiede in der Verträglichkeit. Für eine abschließende Beurteilung sei die Studienlage zurzeit noch nicht ausreichend, räumte Baumann ein. Die Stimulanzien wiesen ein nur ein sehr geringes Suchtpotenzial auf, sie sollten jedoch vorzugsweise kombiniert mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen in eine multimodale Therapie eingebunden werden.

 

Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung Kernsymptome der ADHS, die schätzungsweise 3 bis 5 Prozent aller Schulkinder betrifft, sind die Aufmerksamkeitsstörung (leichte Ablenkbarkeit), die Hyperaktivität (exzessive Ruhelosigkeit) sowie die Impulsivität (plötzliches Handeln ohne zu überlegen). Die Störung ist mit großer Wahrscheinlichkeit erblich bedingt, wobei gleich mehrere Gene involviert sind. Auch umweltbedingte Faktoren, wie zum Beispiel Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft sind in epidemiologischen Studien als Risikofaktoren identifiziert worden. Da die Ursache der Krankheit noch unklar ist und biologische Marker fehlen, basiert eine Diagnose einzig auf dem Verhalten und der Geschichte des kleinen Patienten. Daher wird ADHS sehr kontrovers diskutiert. Das Missbrauchspotenzial der zur Therapie eingesetzten Stimulanzien trägt zudem – auch in Fachkreisen – zur geringen Akzeptanz der medikamentösen Therapie bei.

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