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Vom injizierbaren zum inhalativen Insulin

30.10.2000  00:00 Uhr

Vom injizierbaren zum inhalativen Insulin

von Elke Wolf, Frankfurt

Während eines Symposiums am zukünftigen Produktionsstandort von inhalativem Insulin in Frankfurt-Höchst zogen Experten eine erste Zwischenbilanz über Erfahrungen und Einsatzmöglichkeiten des inhalativen Hormons. Derzeit befindet sich das Insulin in Pulverform, das Aventis Pharma und Pfizer gemeinsam entwickeln, in der klinischen Phase III.

Inhalatives Insulin bewies in den ersten klinischen Studien, dass es den Blutzucker verlässlich und pharmakologisch reproduzierbar zu senken vermag. Nach dreimonatiger Anwendung bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern ist seine Wirkung mit der von subkutan injiziertem Insulin vergleichbar. Dabei hatten die Diabetiker ein basales Insulin einmal am Tag gespritzt und zusätzlich das neue Insulin etwa zehn Minuten vor den Mahlzeiten inhaliert. Dadurch konnten mehrere Injektionen pro Tag vermieden werden.

Auch für Typ-2-Diabetiker, die bisher noch nicht mit Insulin, sondern nur mit oralen Antidiabetika therapiert wurden, könnte inhalatives Insulin eine neue Behandlungsoption werden. Zumindest verbesserten sich in den klinischen Prüfungen durch die Inhalation vor den Mahlzeiten die Blutzuckerwerte erheblich, zum Beispiel der HbA1c-Wert um 2,3 Prozent. Weiterer Pluspunkt: Hypoglykämien traten nicht vermehrt auf.

Daten aus Verlängerungsstudien über zwei Jahre mit den Typ-1- und Typ-2-Diabetikern, die Insulin inhalierten, zeigen, dass das inhalative Insulin kontinuierlich über diesen Zeitraum effektiv ist. Dabei wurden auch regelmäßig die Lungenfunktionsparameter überprüft, um Effekte der Insulinpulverinhalation auf die Lunge zu untersuchen. Über 24 Monate Erfahrungen mit inhalativen Insulin ergaben bei mehr als 100 Anwendern bislang keinerlei Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Ob sich inhalatives Insulin auch für Raucher oder an Bronchitis erkrankten Diabetiker eignet, ist noch nicht abschließend geklärt.

In einer Vergleichsstudie wurde das Wirkprofil von inhalativem Insulin versus injiziertem Normalinsulin und Insulin Lispro an 18 Typ-1-Diabetikern untersucht. Die Wirkung von inhalativem Insulin setzte unmittelbar nach der Inhalation ein, der Wirkungseintritt war sogar schneller als nach subkutanter Applikation von Normalinsulin und in etwa vergleichbar mit dem kurzwirksamen Insulinanalogon Lispro, obwohl inhalatives Insulin in seiner Aminosäuresequenz dem Normalinsulin entspricht. Etwa zehn Minuten vor den Mahlzeiten inhaliert, ließen sich so die Blutzuckerspitzen nach jeder Mahlzeit effektiv senken.

Hoffnung auf höhere Akzeptanz der Insulintherapie

Umfragen haben ergeben, dass besonders Typ-2-Diabetiker den ständigen Insulininjektionen mit Unbehagen entgegensehen, informierte Bernhard Kulzer, Psychologe am Diabeteszentrum Bad Mergentheim. Dahinter stünde weniger die Furcht vor dem Spritzen. Kulzer: "Vielmehr sei Insulin ein Symbol dafür, dass der milde Alterszucker zum schwerwiegenden Diabetes geworden ist." Insulin habe Bestrafungscharakter. Kulzer hofft, dass inhalatives Insulin vor allem bei Typ-2-Diabetikern die Schwelle für einen früheren Insulin-Start erniedrigt. Inhalatives Insulin habe weniger Bedrohungspotenzial. Somit könnte man in einem frühzeitigeren Erkrankungsstadium bessere Blutzuckerwerte erreichen und dadurch diabetische Folgeschäden in ihrem Fortschreiten aufhalten. Dagegen wissen Typ-1-Diabetiker nach den Ausführungen Kulzers, dass Insulin für sie lebensnotwendig ist.

Ein weiterer Vorteil ist nach den Aussagen Kulzers, dass inhalatives Insulin eventuell sozial besser akzeptiert wird als "die Nadel", weil es unauffälliger appliziert werden kann. Zudem stellt die Inhalation geringere Anforderungen an die Feinmotorik und ist schmerzfrei. Allerdings gab der Psychologe zu bedenken, dass die einfache Handhabung einen unreflektierten, unsystematischen Gebrauch zur Folge haben könnte.

Ein Milligramm gleich drei Einheiten Insulin

Die Lunge bietet sich als Resorptionsorgan an, da sie auf Grund ihrer großen Oberfläche von 75 m2 in der Lage ist, auch ohne Penetrationsvermittler Insulin zu absorbieren, sagte Dr. Ralf Roßkamp, Aventis Pharma, Bridgewater, USA. Der Zusatz eines Enhancers bedeutete für die nasale Insulin-Applikation einen herben Rückschlag, da dieser zu erheblichen Reizungen der Nasenschleimhaut führte. Vergleicht man inhalatives Insulin mit der subkutanen Injektion, finden sich allerdings nur etwa zehn Prozent des verabreichten inhalativen Insulins in der systemischen Zirkulation wieder. "Man muss also für die Inhalation zehnmal mehr Insulin einsetzen als für die subkutane Injektion. In der Praxis bedeutet das: Ein Milligramm gepulvertes Insulin für die Inhalation entspricht in etwa drei Einheiten für die subkutane Applikation", veranschaulichte Roßkamp die Mengenunterschiede.

"Sie können einen noch so potenten Arzneistoff haben. Ohne ein intelligentes Applikationssystem, das den Wirkstoff in die Lunge katapultiert, geht gar nichts", machte Roßkamp klar. Der Clou des Inhalationssystems für Insulin, das gemeinsam mit Inhale Therapeutics entwickelt wird, sei, dass es dem Patienten automatisch die richtige Atmung abverlange. Denn nur durch ein immer gleiches Atemverhalten sei eine hohe Dosiergenauigkeit gewährleistet. Das Applikationssystem sei einfach zu bedienen und funktioniere ohne Batterien und ohne Mikrochips. Top

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