Pharmazeutische Zeitung online

Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft

08.08.2005  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Morbus Alzheimer

Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft

von Karen Aust, Berlin

Auch wenn die neurodegenerativen Prozesse zum Zeitpunkt der Diagnose Morbus Alzheimer bereits weit fortgeschritten sind, könnte der kombinierte Einsatz bewährter Antidementiva den progressiven Verlauf abmildern.

Wenn für ältere Menschen nur noch Bilder aus längst vergangener Zeit existieren, die Gegenwart verblasst und sie im Alltag nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommen, sollte ärztlich abgeklärt werden, ob dies nicht Anzeichen einer Alzheimer Demenz (AD) sind. Erst nach Jahren zeigen sich die Folgen der Stoffwechselstörungen im Gehirn. »So geht der symptomatischen Phase der Erkrankung wahrscheinlich eine 15 bis 30 Jahre dauernde präklinische Phase voraus«, sagte Professor Dr. Rainer Hellweg, Leitender Oberarzt der Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité beim NMDA-Forum in Berlin.

Apolipoprotein E4, das durch ein APO E4 positives Allel codiert wird, Tau-Protein und Beta-Amyloid tragen dazu bei, dass die Glutaminausschüttung im Gehirn entkoppelt wird. Dadurch kommt es zu einer Daueraktivierung der für Lernprozesse wichtigen NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptoren. Die ständige Stimulation dieser Rezeptoren führt zu einem starken Grundrauschen, das den Rezeptor für Lernsignale unempfindlich macht und die Calciumfreisetzung im nachfolgenden Neuron auf einem pathologischen Niveau hält. Zu hohe intraneurale Calciumkonzentrationen setzen schließlich neurodegenerative Enzymkaskaden in Gang. So kommt es auch zum Untergang cholinerger Neurone, die durch Glutamin stimuliert werden. Nimmt die cholinerge Transmission im basalen Vorderhirn ab, sinken die geistige Leistungsfähigkeit des Menschen und sein Verhalten ändert sich.

Therapie der manifesten AD

Alle Anstrengungen, den frühen medikamentösen Eingriff in den Krankheitsverlauf zu ermöglichen, um die Progression zu stoppen oder sogar präventiv gegen Alzheimer vorgehen zu können, seien bisher erfolglos gewesen, stellte Hellweg fest. Derzeit sei es nur durch anticholinerg oder antiglutamaterg wirkende Arzneimittel möglich, die Auswirkungen der degenerativen Prozesse hinauszuzögern.

Acetylcholinesterasehemmer wie Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®) sind für die leichte bis mittelschwere Alzheimer Demenz zugelassen, während Memantin (Axura®, Ebixa®), ein NMDA-Antagonist, bei mittelgradiger bis schwerer Ausprägung eingesetzt wird.

Eines der am besten untersuchten Antidementiva ist Donepezil. Doch scheint es, dass diese Substanz allein gegeben, im ersten Therapiejahr Symptome mildert, nicht aber den Krankheitsverlauf zu stoppen vermag.

Kombination mildert Progression

Bei der AD stehen auch die cholinergen Zellkörper des basalen Vorderhirns unter einem glutamatergen Dauerbeschuss. »Hierin könnte der besondere Nutzen einer Kombinationstherapie durch Acetylcholinesterase-Inhibitoren und Memantin liegen«, so der Mediziner. Die Gabe eines NMDA-Antagonisten würde demnach über den Zellschutz zu einer Verlangsamung des Untergangs cholinerger Neuronen führen.

Dass die zusätzliche Memantin-Gabe zu einer stabilen Donepezil-Medikation bei mittlerer bis fortgeschrittener Alzheimerdemenz nicht nur gut vertragen wird, sondern sich auch positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit und Alltagsbewältigung auswirkt, zeigen die Ergebnisse einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie an 404 Alzheimererkrankten. Die Patienten waren bereits seit mindestens einem Vierteljahr auf eine konstante Dosis Donepezil (5 bis 10 mg/Tag) eingestellt. Etwa die Hälfte der Probanden bekam zusätzlich zur Donepezil-Basistherapie Memantin, das im Verlauf der Studie von einmal täglich 5 mg auf 20 mg erhöht wurde.

In der Memantin-Gruppe konnte eine milde Verbesserung der kognitiven Verfassung um 0,9 Bewertungseinheiten festgestellt werden. Der Unterschied zu den Patienten mit der Donepezil-Monotherapie, deren geistige Leistungen sich um 2,5 Punkte verringerten, war signifikant (p < 0,001). Auch im Alltag kamen die kombiniert behandelten Studienteilnehmer besser zurecht als die der Vergleichsgruppe. In der Memantin-Gruppe verschlechterten sich nach einer anfangs leichten Verbesserung die Fähigkeiten nur um 2 Punkte. Dagegen nahmen die Fähigkeiten der Patienten aus der Vergleichsgruppe signifikant (p < 0,03) um 3,4 Punkte ab und dies bereits ab Behandlungsbeginn.

Auch die Kombination von Galantamin und Memantin könnte synergistische Effekte zeigen. Inwiefern sich dies für Patienten im Stadium der leichten bis mittelschweren Alzheimererkrankung bestätigen und ob die erhofften positiven Wirkungen bis zu einem Jahr bestehen bleiben, wird derzeit in einer Studie untersucht, an der 13 deutsche geriatrische Kliniken beteiligt sind.

 

Dement oder depressiv? Aggressives Verhalten, sozialer Rückzug, Vergesslichkeit und Interessensverlust sind nicht zwingend Indizien für eine demenzielle Erkrankung. Derartige Symptome könnten ebenso auf eine Depression hindeuten. Beiden Erkrankungen sollte eine große Aufmerksamkeit entgegen gebracht werden, da sie sich nicht nur gegenseitig ungünstig beeinflussen, sondern zudem auch erst viel zu spät erkannt werden.

Schleichend geben sich die Symptome einer Demenz zu erkennen. Dabei fällt es den Betroffenen nicht nur zunehmend schwerer, Neues zu verarbeiten und zu erlernen. Auch das Verrichten gewohnter Tätigkeiten und die Orientierung werden für sie problematisch.

Für Depressionen ist dagegen der akute Beginn charakteristisch. Die Betroffenen klagen über ihren Zustand. Sie leiden auch an Gedächtnisstörungen, haben aber nicht das Problem, neue Informationen aufzunehmen. Im Gegensatz zu dementen Patienten unterschätzen sie sich oftmals in ihren kognitiven Fähigkeiten.

Zur Demenz-Verlaufskontrolle und zur konkreten Unterscheidung zwischen Depression und Demenz haben sich kernspintomographische Untersuchungen und standardisierte Testmethoden, wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST), bewährt. Mit dem circa 10-minütigen MMST werden Aufmerksamkeit, Konzentration, Orientierung und Sprachvermögen des Patienten erfasst. Erreicht der Patient weniger als 20 der insgesamt 30 Punkte, so sprechen Mediziner von einer Demenz. Menschen mit einer reinen Depression lassen sich mit dieser Methode gut herausfiltern, da sie häufig Werte über 24 erlangen.

Allerdings kann eine Depression auch gleichzeitig mit den ersten Anzeichen einer Demenz auftreten, was eine Früherkennung durch die Angehörigen erheblich erschwert.

»Daher sollte bei Depressionen im Alter immer auch an Demenz gedacht werden, vor allem, wenn diese Person nicht schon in jüngeren Jahren an Depressionen gelitten hatte«, erinnerte PD Ion-George Angelescu auf dem Berliner NMDA-Forum. Dank der ausgefeilten Testverfahren ist es gut möglich, auch diese Komorbidität zu erfassen. Da für beide Erkrankungen auch für ältere Menschen gut verträgliche Arzneimittel gibt, sollte Angelescu zufolge eine konsequente Therapie der jeweils vorliegenden Erkrankung selbstverständlich sein.

  Top

© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa