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Tadalafil und Vardenafil

31.03.2003  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Neu auf dem Markt

Tadalafil und Vardenafil 

 

von Brigitte M. Gensthaler, München

Innerhalb weniger Wochen hat der erste selektive PDE-5-Hemmer Sildenafil (Viagra®) gleich doppelte Konkurrenz bekommen. Am 3. Februar kam Tadalafil auf den deutschen Markt, Mitte März folgte Vardenafil. Alle drei Stoffe sind zugelassen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED) bei erwachsenen Männern.

Der Erektion des Penis beruht auf einem raschen Bluteinstrom in den Schwellkörper (Corpus cavernosum). Bei sexueller Stimulation wird dort vermehrt Stickstoffmonoxid aus Endothelzellen und Nervenenden freigesetzt. Dieses NO aktiviert das Enzym Guanylatcyclase, das die Umwandlung von Guanosintriphosphat (GTP) in zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) katalysiert. cGMP wiederum vermittelt eine Relaxation der glatten Muskelzelle im Schwellkörper und ermöglicht dadurch einen vermehrten Bluteinstrom, der zur Erektion führt. Für den Abbau von cGMP sorgt das Enzym Phosphodiesterase (PDE), von dem inzwischen elf Isoformen bekannt sind. Die wichtigste Isoform den Gefäßen des menschlichen Penis ist die PDE-5.

Die Arzneistoffe Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil haben den gleichen Wirkmechanismus. Sie hemmen relativ selektiv die cGMP-spezifische PDE-5, wodurch der Gehalt an cGMP in der Muskelzelle steigt. Dies erklärt, warum diese Stoffe nur nach sexueller Stimulation wirken und nicht eigenständig eine Erektion auslösen. Auch die Nebenwirkungen ähneln sich: Kopfschmerzen, Dyspepsie, Gesichtsröte (Flush), Schwindel und Rhinitis. Die unter Sildenafil beobachteten Farbsehstörungen traten in Studien bei den Neulingen bei weniger als 0,1 Prozent der Männer auf. Die Wirkstoffe sind kontraindiziert bei Patienten, die organische Nitrate oder NO-Donatoren einnehmen (Gefahr einer verstärkten Blutdrucksenkung).

Nach peroraler Gabe werden die Arzneistoffe gut resorbiert, unterscheiden sich aber vor allem in der Pharmakokinetik (Tabelle).

 

Pharmakokinetische Charakteristika der PDE-5-Hemmer

Wirkstoff, Handelsname tmax (Minuten) Terminale Halbwertszeit (Stunden) Sildenafil, Viagra® Nach Nüchterneinnahme: 30 bis 120, im Mittel 60;
gleichzeitige Mahlzeit verzögert tmax um 60 min 3 bis 5 Tadalafil, Cialis® 120 17,5 Vardenafil, Levitra® 30 bis 120; im Mittel 60 4 bis 5

tmax: Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmaspiegel
Daten aus den Fachinformationen

 

Tadalafil

Tadalafil (Cialis® 10 und 20 mg, Lilly) wird auch als „Wochenendpille“ bezeichnet. Grund ist die lange Halbwertszeit, über deren vermeintlichen Vorteil Fachleute durchaus kontrovers diskutieren. Das Molekül hemmt das Enzym vom Typ 5 etwa 700-fach stärker als PDE-6, die vorwiegend in der Netzhaut des Auges vorkommt und für Sehstörungen unter Sildenafil verantwortlich gemacht wird. Die Wirkung auf andere PDE-Enzyme ist etwa 10 000-fach schwächer. Allerdings blockiert Tadalafil die PDE-11, deren physiologische Funktion noch nicht geklärt ist, stärker als seine Konkurrenten. Die PDE-11 kommt in Hoden, Prostata, Herzen und Skelettmuskel vor.

Maximale Plasmaspiegel werden bei den meisten Männern zwei Stunden nach der Einnahme erreicht. Nahrung beeinflusst die Resorption nicht. Das Molekül wird über das Cytochrom-P450-Enzym (CYP) 3A4 metabolisiert und vorwiegend über die Faezes eliminiert. CYP-3A4-Inhibitoren wie Ritonavir, Saquinavir, Itraconazol, Ketoconazol, Erythromycin und Clarithromycin können die Plasmaspiegel erhöhen und möglicherweise die Nebenwirkungsrate erhöhen.

Gesunde ältere Männer scheiden Tadalafil zwar langsamer aus, dies erfordert jedoch keine Dosisanpassung. Bei Nieren- und Leberfunktionsstörungen wird eine einmalige Gabe von 10 mg empfohlen. Ansonsten können die Männer bei Bedarf auch 20 mg einnehmen, am besten 30 Minuten bis 12 Stunden vor dem gewünschten Geschlechtsverkehr.

In Studien wurde das neue Medikament bei etwa 3250 Patienten mit unterschiedlich schwerer ED geprüft. Eine Analyse von fünf randomisierten Wirksamkeitsstudien (n = 1112) zeigt, dass 81 Prozent der Männer nach Einnahme von 20 mg Tadalafil eine bessere Erektion erzielen (67 Prozent nach 10 mg, 35 Prozent unter Placebo). Drei Viertel konnten den Geschlechtsverkehr erfolgreich zu Ende führen (61 Prozent nach 10 mg, 32 Prozent unter Placebo). In einer Studie mit 348 Männern war das Medikament auch 24 bis 36 Stunden nach der Einnahme wirksam; bis zu 60 Prozent berichteten über einen erfolgreichen Geschlechtsverkehr (unter Placebo 30 Prozent). Der Effekt sinkt bei Männern mit Diabetes Typ 1 oder 2, ist allerdings noch signifikant besser als bei Placeboeinnahme.

Vardenafil

Vardenafil (Levitra® 5 mg, 10 mg, 20 mg; Bayer AG) ähnelt strukturell dem 1998 zugelassenen Sildenafil. Die Substanz bindet in vitro an die PDE-5 15-fach stärker als an PDE-6 und 300-fach stärker als an PDE-11.

Bei einigen Männern wurden bereits 15 Minuten nach Vardenafil-Einnahme maximale Plasmaspiegel gemessen. Eine Mahlzeit (Fettgehalt etwa 30 Prozent) verändert die Resorption nicht. Das Molekül wird in der Leber vor allem über CYP3A4, -3A5 und -2C metabolisiert. Daraus ergeben sich Interaktionen mit CYP3A4-Inhibitoren. Indinavir, Ritonavir, Ketoconazol und Itraconazol können die Plasmaspiegel von Vardenafil erheblich steigern; eine gleichzeitige Einnahme muss daher vermieden werden. Bei Gabe von Erythromycin muss eventuell die Dosis des PDE-5-Hemmers angepasst werden.

Die hepatische Elimination von Vardenafil ist bei gesunden älteren Männern reduziert. Diese sowie Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion sollten daher bei erstmaliger Anwendung nur 5 mg Wirkstoff einnehmen. Ansonsten schluckt der Mann eine Tablette mit 10 mg (empfohlene Dosis) 25 bis 60 Minuten vor dem erwünschten Geschlechtsverkehr; die Dosis kann auf 20 mg einmal täglich erhöht werden.

In klinischen Studien erhielten mehr als 3750 Männer mit erektiler Dysfunktion Vardenafil, teilweise über sechs bis zwölf Monate oder länger. Das Verum schnitt durchweg besser ab als Placebo. Im Schnitt berichteten 68 Prozent der Männer unter 5 mg Vardenafil, 76 Prozent unter 10 mg und 80 Prozent unter 20 mg über eine erfolgreiche Penetration; unter Placebo lag die Rate immerhin bei 49 Prozent.

In einer Studie mit 452 Patienten mit Diabetes berichteten 72 Prozent nach zwölf Wochen über eine verbesserte Erektion nach Einnahme von 20 mg; rund die Hälfte der Patienten konnte einen Geschlechtsverkehr abschließen (unter Placebo 23 Prozent). Der Effekt war dosisabhängig. Auch Patienten nach radikaler Prostatektomie half das Medikament. 47 bis 48 Prozent erreichten eine Erektion, 34 bis 37 Prozent konnten den Verkehr auch abschließen (unter Placebo 22 und 10 Prozent).

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