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Arzneimittelallergien erkennen

13.09.2004  00:00 Uhr

Arzneimittelallergien erkennen

von Carsten D. Siebert, Eschborn

Da die Kenntnis von Arzneimittelallergien und deren Vermeidung wesentlich zur Arzneimittelsicherheit beiträgt, hat ABDATA Pharma-Daten-Service mit CAVE ein Datenmodul entwickelt, das in die individuelle Risiko-Prüfung auch Warnungen vor möglichen allergischen Ereignissen einschließt.

Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr in Deutschland rund 58 000 internistisch behandelte Krankenhauspatienten an unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), wobei 12 Prozent der Todesfälle auf allergische Reaktionen zurückgehen. Erstmalig auftretende Arzneistoffallergien sind nicht vorhersagbare Ereignisse, bei denen der Körper nach vorangegangener Sensibilisierung mit einer mehr oder weniger starken Immunantwort reagiert. Die Dosis des Allergens ist dabei in der Regel irrelevant. Die allergische Reaktion betrifft in vielen Fällen die Haut und den Respirationstrakt, kann sich aber auch in einem anaphylaktischen Schock äußern (Tabelle).

 

Stoff Anwendung Allergische UAW* Dantrolen Muskelrelaxans Urtikaria, Pruritus, Anaphylaxie, Erythem, Ekzem Nitrofurantoin Antiinfektivum Urtikaria, Pruritus, Anaphylaxie, Exanthem, Ödem, Stevens-Johnson Syndrom, Lyell Syndrom Methadon Opioid-Analgetikum Anaphylaxie, Urtikaria, Exanthem, Pruritus, Ödem Disopyramid Antiarrhythmikum Anaphylaxie, Urtikaria, Exanthem, Pruritus, Ödem, Erythem Pirenzepin Ulkustherapeutikum Allergische Hautreaktionen, Stevens-Johnson Syndrom, Lyell Syndrom, Anaphylaxie Nevirapin HIV-Therapie Allergische Hautreaktionen, Stevens-Johnson Syndrom, Lyell Syndrom, Anaphylaxie, Urtikaria, Ödem Propranolol Antihypertonikum Exanthem, Erythem, Pruritus Propafenon Antiarrhythmikum Exanthem, Erythem, Pruritus, Urtikaria Ethambutol Antituberkulotikum Erythem, Exanthem, Pruritus Enalapril Antihypertonikum Erythema multiforme, makulopapulöses Exanthem, Pruritus, Urtikaria, Stevens-Johnson Syndrom, Ödem

(*) Quellen: ABDA-Datenbank und Micromedex Inc.

 

Kreuzallergie definieren

Kreuzallergien treten bei Patienten auf, deren einmal gebildete Antikörper auf Antigene reagieren, die mit dem ursprünglichen Allergen verwandt sind. Im Gegensatz zu einer allergischen Reaktion hat hier keine vorherige Sensibilisierung auf das auslösende Allergen stattgefunden. In der Literatur wird der Begriff Kreuzallergie allerdings nicht einheitlich gebraucht. Zum Einen beschreibt er Reaktionen, die von komplexen Allergenen wie Pollen, Proteine aus Nahrungsmitteln oder auch Stoffwechselprodukten tierischen Ursprungs hervorgerufen werden, zum Anderen wird auch bei chemisch sehr eng verwandten Derivaten von einer allergischen Kreuzreaktion gesprochen.

Eine Möglichkeit, Allergie und Kreuzallergie klarer von einander zu trennen, besteht darin, den Begriff Allergie sehr eng an die chemische Struktur eines Arzneistoffs zu binden und den Begriff Kreuzallergie auf strukturell nicht erklärbare allergische Ereignisse zu begrenzen. Da es sich bei der Mehrzahl der Arzneistoffe um kleine Moleküle handelt, deren Moleküldynamik weitgehend vernachlässigbar ist, scheint diese starke Ausrichtung auf die chemische Struktur gerechtfertigt.

Epitop ist nicht gleich Pharmakophor

Wichtig ist, zwischen Pharmakophor und Epitop einer Verbindung zu unterscheiden (1). Das heißt, der Strukturbereich eines Arzneistoffmoleküls, der die Spezifität und Selektivität beispielsweise an einen Rezeptor ausmacht (Pharmakophor), ist nicht zwingend für die allergische Reaktion verantwortlich. Diese allergene chemische Struktur oder Substruktur eines Arzneistoffs wird als Epitop oder antigene Determinante bezeichnet. Das Epitop kann in den meisten Fällen chemisch exakt definiert werden, schwierig ist jedoch vorauszusagen, wie sich ein allergisches Ereignis manifestiert. Denn eine Allergie stellt eine unspezifische Reaktion dar, die nicht an die Indikation des betreffenden Arzneistoffs geknüpft ist. Daneben ist auch die jeweilige Prädisposition der Patienten individuell verschieden.

 

Arzneimittelsicherheit Die Vermeidung von Arzneimittel-Allergien ist ein wichtiges Thema im Rahmen der Arzneimittelsicherheit. Mehr über den praktischen Nutzen der von ABDATA erstellten Daten können Sie unter dem Motto „Mit Sicherheit das geeignete Medikament.“ bei einem Besuch auf dem ABDATA-Messestand während der Expopharm 2004 in München erfahren. Wir laden Sie herzlich ein, uns in Halle A2, Stand B-09 zu besuchen. Die Expopharm bietet natürlich auch Gelegenheit, sich umfassend bei Ihrem persönlichen Softwarehaus zu informieren.

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Um den Begriff des Epitops zu charakterisieren, wurden Arzneistoffe betrachtet, die sich chemisch-strukturell sehr stark ähneln, aber unterschiedliche Einsatzgebiete haben. In der Abbildung sind paarweise zehn Arzneistoffe dargestellt, deren strukturelle Gemeinsamkeiten rot markiert sind. In besonders hohem Maße stimmen Dantrolen und Nitrofurantoin in ihrer Struktur überein, aber auch Disopyramid und Methadon. Wie in vielen anderen Fällen dient hier Pyridin als bioisosterer Ersatz für Benzol (2). Eine solch geringe strukturelle Abweichung ist für die Definition eines Epitops nicht sehr bedeutsam. Pirenzepin und Nevirapin sowie Propranolol und Propafenon haben auch einen wesentlichen Teil ihrer chemischen Struktur gemeinsam und stimmen nahezu völlig in den allergischen UAW überein. Ethambutol und sein Hauptmetabolit, das Dicarbonsäurederivat (blau), stellen Substrukturen von Enalapril dar, was sich erwartungsgemäß auch in den UAW widerspiegelt.

Folglich lassen sich indikationsübergreifend Epitope ermitteln und chemisch definieren, die einen starken Hinweis auf ein mögliches allergisches Ereignis geben. In diesen Fällen handelt es sich aber nicht um eine Kreuzallergie, da es bereits zu einer vorangehenden Sensibilisierung kam, sondern um ein allergisches Ereignis auf eine definierte chemische Struktur (Epitop).

Fazit

Der Begriff Kreuzallergie kann weiterhin sinnvoll verwendet werden, wenn es zu Kreuzreaktionen zwischen Arzneistoffen kommt, die keine strukturellen Gemeinsamkeiten, sprich Epitope, haben. Die darüber hinaus gehende Schlussfolgerung, dass einem bestimmten Epitop eine bestimmte allergische Reaktion zukommt, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Dies geht auch aus dem Vergleich der exemplarisch ausgewählten Stoffpaare hervor. Die jeweiligen Allergien stellen eine unspezifische Antwort auf Allergene dar, das heißt, eine bestimmte allergische Reaktion kann durch verschiedene Epitope ausgelöst werden.

Trotzdem liegt der Vorteil dieses Systematisierungsversuchs mit Hilfe des chemisch-strukturellen Epitopbegriffs klar auf der Hand: Eine Vorhersage von Allergien – eine entsprechende Disposition des Patienten vorausgesetzt – würde erleichtert, weil sich die Anzahl der infrage kommenden Epitope verringerte. So würde sich die Zahl von zunächst zehn Arzneistoffallergien, die sich aus der Summe der in der Tabelle aufgeführten Arzneistoffe ergibt, auf die Hälfte reduzieren, weil insgesamt nur fünf Epitope vorzuliegen scheinen. Für kleine Wirkstoff-Moleküle bietet dieser chemische Ansatz daher eine interessante Möglichkeit, Arzneimittelallergien systematisch zu betrachten und im Vorfeld zu erkennen.

 

Risiko-Check auf Allergien mit CAVE Antigene Determinanten aller Arzneistoffe systematisch zu erheben, schafft nicht nur neues Wissen zur Epitop-Allergie-Beziehung. Diese Erkenntnisse lassen sich auch praktisch im Apotheken- und Klinikbereich einsetzen. ABDATA Pharma-Daten-Service hat basierend auf der ABDA-Datenbank das Modul CAVE entwickelt, das Patienten-spezifisch auf Arzneimittel-Risiken prüft. Es ermittelt Anwendungsausschlüsse und -beschränkungen, die sich aus der medizinischen Vorgeschichte des Patienten ergeben. CAVE prüft in vier Teilmodulen (Erkrankung inklusive besondere Lebensumstände, Alter, Geschlecht und Allergie), ob mit der Einnahme eines speziellen Arzneimittels ein individuelles Risiko verbunden ist (3). Dazu müssen die Patienten jedoch bereit sein, die nötigen Daten anzugeben: Geburtsdatum und Geschlecht, eventuell bestehende Vor- oder Grunderkrankungen (zum Beispiel Herzinfarkt, Magengeschwür, Diabetes mellitus) oder besondere Lebensumstände (zum Beispiel Schwangerschaft, Ausüben von Leistungssport, Tragen von Kontaktlinsen) sowie eine bekannte Allergie auf einen definierten Stoff.

Nach individuellem Check mit CAVE warnt das Modul gegebenenfalls bei der Abgabe eines Arzneimittels vor möglichen Anwendungsbeschränkungen. Das weitere Vorgehen muss der Apotheker dann mit dem Kunden beziehungsweise dem Arzt abstimmen. Dies trägt natürlich maßgeblich zur Arzneimittelsicherheit bei.

Grundlage für CAVE sind die Fachinformationen der Hersteller, wobei neben den absoluten und relativen Gegenanzeigen auch Warnhinweise berücksichtigt werden. In den CAVE-Check des Teilmoduls Allergie fließen bereits heute sowohl empirisch gefundene Daten als auch chemische Strukturbetrachtungen ein. So werden zu Arzneistoffklassen, die sich sehr eng fassen lassen, Gruppeneigenschaften definiert und mit deren Hilfe nach strukturell verwandten Stoffen recherchiert, um eine allergene Verwandtschaft abzusichern (4).

 

Literatur

  1. Siebert, C., Wirkstoffe und Allergien - H1-Antihistaminika als Allergene? Pharm unserer Zeit 2 (2004) 108-115
  2. Siebert, C., Das Bioisosterie-Konzept, Chem unserer Zeit 5 (2004), im Druck
  3. Siebert, C., Risiko-Check mit CAVE, Pharm Ztg 16 (2004) 28-31
  4. Siebert, C., Allergie-Check mit CAVE, Pharm Ztg 23 (2004) 26-30

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Carsten D. Siebert
ABDATA Pharma-Daten-Service
Carl-Mannich-Straße 26
65760 Eschborn
info@abdata.aponet.de

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