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N-Acetylcystein bald als Orphan drug?

02.05.2005  00:00 Uhr

N-Acetylcystein bald als Orphan drug?

von Conny Becker, Berlin

Das Mukolytikum N-Acetylcystein (NAC) wirkt bei Husten nicht nur schleimlösend, sondern kann laut der Ifigenia-Studie auch die Progression der idiopathischen Lungenfibrose aufhalten. Daher hat Fluimucil® die Designation/Ausweisung als Orphan drug durch die EMEA erhalten. Hersteller Zambon hofft, dass die EMEA Fluimucil den Orphan-drug-Status bald geben wird. Dieser Prozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) tritt mit einer Inzidenz von 5 bis 7 pro 100.000 Einwohnern auf und zählt zu den seltenen Erkrankungen, den Orphan diseases. Sie verläuft progredient und besitzt eine schlechte Prognose. »Die mittlere Überlebenszeit beträgt nur 2,8 Jahre, das ist vergleichbar mit einem Bronchialkarzinom«, sagte Professor Dr. Jürgen Behr, München, auf einer von Zambon unterstützten Pressekonferenz in Berlin.

Bisherige Therapieansätze ­ zumeist werden Glucocorticoide und Azathioprin oder Cyclophosphamid eingesetzt ­ sind laut des Pneumologen wenig effektiv, da die Entzündung in der Pathologie der IPF nur eine »Nebenrolle« spielt. Seit einigen Jahren machen Wissenschaftler die herdförmige Proliferation von Fibroblasten und Myofibroblasten als Krankheitsfaktor verantwortlich. Daraufhin liefen Studien mit Interferon-γ-1b, das die Proliferation von Fibroblasten sowie die Synthese von Kollagen hemmt. Subgruppenanalysen deuten zwar auf einen signifikanten Überlebensvorteil bei denjenigen Patienten hin, die bei Behandlungsbeginn nur eine milde bis mittelgradige Funktionseinschränkung aufwiesen. Eine neue Studie in den USA müsse dieses Teilergebnis aber nun prospektiv überprüfen, so der Referent.

Oxidativen Stress dämpfen

Mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass bei der IPF vermehrt Oxidantien gebildet werden und gleichzeitig ein Mangel an Antioxidantien, vor allem Glutathion, besteht. Der somit vermehrt entstehende oxidative Stress kann laut Behr sowohl Entzündungen als auch eine Fibroblastenproliferation hervorrufen. »Die Glutathionspiegel in der Alveolärflüssigkeit von IPF-Patienten sind deutlich vermindert, was einen spezifischen Behandlungsansatz mit sich bringt.« Da die Synthese des körpereigenen Antioxidans von dem Nachschub an Cystein abhängt, lag die Gabe von N-Acetylcystein als Cystein-Lieferant nahe ­ ein Effekt, der NAC als Antidot bei Paracetamolvergiftungen etabliert hat.

Nachdem Pilotstudien belegten, dass NAC auch die Glutathionspiegel im epithelialen Flüssigkeitsfilm der Alveolen signifikant erhöhen konnte, initiierten die Wissenschaftler die bislang größte Studie zur Behandlung der IPF, so Professor Dr. Ulrich Costabel aus Essen. In die multizentrische doppelblinde Ifigenia-Studie (Idiopathic Pulmonary Fibrosis International Group Exploring NAC I Annual) wurden 155 Patienten mit IPF aufgenommen. Sie erhielten randomisiert dreimal täglich 600 mg NAC als Brausetablette oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie aus Prednison und Azathioprin. Primäre Endpunkte waren die Änderungen der Vitalkapazität und der CO-Diffusionskapazität nach zwölf Monaten Therapiedauer.

»Nach einem Jahr war der Lungenfunktionsverlust unter NAC nicht mehr signifikant«, kommentierte Costabel die positiven Ergebnisse. So waren die Lungenfunktionsparameter im Vergleich zu Placebo signifikant verbessert: Die Vitalkapazität lag um 9 Prozent und die CO-Diffusionskapazität um 24 Prozent höher als unter der Scheinmedikation. In den kommenden zwei bis drei Jahren werde man erkennen können, ob diese Unterschiede auch zu einem Überlebensvorteil führen, so der Lungenspezialist, der sich für eine Trippeltherapie der IPF aussprach.

Denn die zusätzliche Gabe von NAC wurde gut vertragen; die Nebenwirkungen unterschieden sich in beiden Gruppen nicht wesentlich ­ bis auf einen überraschenden Effekt: NAC scheint die durch Azathioprin bedingte Knochenmarksdepression zu vermindern.

 

Dosis bei COPD und CF erhöhen? »Ein zusätzlicher Nutzen der Dosiserhöhung ist wahrscheinlich«, sagte Dr. Ralf Ruffmann aus Cadempino, Schweiz. Denn sowohl bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) als auch bei der zystischen Fibrose (CF) liege ein Mangel beziehungsweise ein erhöhter Bedarf an Glutathion vor. Bislang kommt NAC bei beiden Erkrankungen bereits in einer täglichen Dosierung von 600 mg zum Einsatz, der allerdings nicht unumstritten ist. Einige kleine Studien liefern laut dem Mediziner Indizien, dass eine Dosiserhöhung bei COPD mit einem zusätzlichen Gewinn verbunden ist. Daneben verbesserte die inhalative Gabe von Glutathion in einer Pilotstudie auch bei Mukoviszidose-Patienten die Lungenfunktion. Da hier jedoch zudem ein systemischer Glutathion-Mangel vorliegt, könnte die orale Gabe von 1800 mg NAC den oxidativen Stress auch in anderen Körperbereichen dämpfen, folgerte Ruffmann. Entsprechende klinische Studien stehen jedoch noch aus.

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