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Liposomen schützen das Herz

30.04.2001  00:00 Uhr

KREBSTHERAPIE

Liposomen schützen das Herz

von Ulrike Wagner, Heidelberg

Um die Krebstherapie zu optimieren, muss es nicht unbedingt eine neue Substanz mit nie da gewesenem Wirkmechanismus sein. Altbekannte Wirkstoffe, neu formuliert, oder eine verbesserte supportive Therapie bringen den Patienten oft Vorteile - sowohl was ihre Heilungschancen angeht, als auch für die Lebensqualität. Fachleute stellten während eines von der Firma Lilly unterstützten Symposiums beim 11. Kongress der Abteilung Experimentelle Krebsforschung der Deutschen Krebsgesellschaft Anfang April solche Therapieansätze vor.

Eines dieser Medikamente erhielt jetzt die europaweite Zulassung für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Unter dem Namen Myocet™ brachte die Firma Elan Pharma, München, Mitte April das erste liposomale Doxorubicin in Deutschland auf den Markt. Mehrere Studien hatten belegt, dass das von Lipiden umschlossene Anthracyclin bei gleicher Wirksamkeit im Vergleich zum nackten Molekül signifikant weniger Nebenwirkungen wie Kardiotoxizität und Erbrechen hervorrief, berichtete Professor Dr. Kurt Possinger von der Charité Berlin.

Weniger Nebenwirkungen

Auch in Kombination mit anderen Zytostatika war Myocet dem unverpackten Doxorubicin überlegen, was die Nebenwirkungen angeht. In der First-line-Therapie von Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigte sich, dass Myocet kombiniert mit Cyclophosphamid genauso wirksam war wie die Kombination mit konventionellem Doxorubicin. Allerdings schützte die Lipidhülle von Myocet die Patienten signifikant vor der Kardiotoxizität des Anthrazyklins. "Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Herzversagen wirkt sich dies auch auf die Lebenserwartung aus", sagte Possinger. Zudem litten die Patientinnen, die das in Liposomen verpackte Doxorubicin erhielten, seltener unter einem Mangel an neutrophilen Granulozyten im Blut.

Die Patienten vertragen das Liposomen-Präparat wahrscheinlich deshalb besser, weil geringere Mengen des freien Anthrazyklins im Blut zirkulieren. Indiziert ist die neue Formulierung zum Beispiel für ältere Patienten, jüngere Patienten mit einer langen Lebenserwartung und Patienten, die eine höhere Dosis des Zytostatikums erhalten sollen, sagte Possinger.

Löchrige Kapillaren

Ein ähnliches Präparat ist bereits zugelassen für Patienten mit Aids-assoziiertem Kaposi-Sarkom und wird derzeit in verschiedenen Studien für andere Krebsarten getestet. Bei DaunoXome® handelt es sich um in Liposomen verpacktes Daunorubicin, das in dieser Formulierung ebenfalls weniger kardiotoxisch wirkt. "Liposomen können nicht über die gesunden Kapillaren in normales Gewebe eindringen", erklärte Possinger. Aber sie gelangen über die löchrigen Tumorkapillaren in die Geschwulst. Bevorzugt liefern sie ihre Last in Geweben ab, die reich an phagozytotisch aktiven retikulo-endothelialen Zellen sind wie Milz und Leber. Ein weiterer Vorteil der Liposomen: Es kommt nicht wie beim unverpackten Anthrazyklin zu starken Konzentrationsschwankungen.

Eine andere Verpackungsmethode ist, zusätzlich zu den Lipiden noch Polyethylenglykol hinzuzufügen. Realisiert ist dies in den Präparaten Doxil® und Caelyx®. Bei beiden handelt es sich um pegylierte Liposomen, die Doxorubicin enthalten. Auch hier zeigten sich geringere Nebenwirkungen. Durch die Pegylierung verhalten sich diese Präparate anders als die reinen Liposomen, erklärte Possinger

Eine andere Möglichkeit, die Therapie verträglicher zu machen, ist die Modifikation der Zytostatika-Moleküle. So wird 5-Fluorouracil (5-FU) aus Capecitabine erst im Tumor freigesetzt (siehe auch PZ 9/2001, Seite 25 und 37) und Gemcitabin potenziert seine eigene Wirkung, indem es in mehrere zelluläre Mechanismen eingreift (siehe auch PZ 7/1999, Seite 28).

Geringere Nebenwirkungen im Vergleich zu 5-FU zeigen auch die neuen Thymidylat-Synthase-Inhibitoren. Die neuen Substanzen hemmen dasselbe Enzym wie 5-FU, die Thymidylat-Synthase. Dabei handelt es sich um das wichtigste Enzym bei der Verdopplung der DNA und damit der Zellteilung. Deren Substrat ist jedoch nicht nur Uracil, sondern auch 5,10-Mehtylentetrahydofolat. Inhibitoren, die basierend auf diesem Molekül entwickelt wurden, wie Raltitrexed und Nolatrexed scheinen in ihrer Wirksamkeit mit 5-FU vergleichbar, jedoch mit geringerer Kardiotoxizität.

Unterstützende Therapie

Auch zur Behandlung der Nebenwirkungen gibt es neue Wirkstoffe. Sie ermöglichen höhere Dosen in der kurativen Behandlung und den Erhalt der Lebensqualität in der Palliativtherapie, erklärte Dr. Christian Kollmannsberger vom Universitätsklinikum Tübingen. Neue Antiemetika in der Tumortherapie sind zum Beispiel die Neurokinin-Rezeptor-Antagonisten. Sie blockieren selektiv die Neurokinin-I-Rezeptoren und wirken damit auf den Neurotransmitter Substanz P. Diese Wirkstoffe haben gezeigt, dass sie auch bei der verspätet auftretenden Übelkeit nach Chemotherapie gut wirksam sind. Dafür gab es bislang keine ausreichende Therapie, sagte Kollmannsberger.

Ähnlich wie das seit längerem bekannte Amifostin schützt der Keratinozyten-Wachstumsfaktor (Keratinocyte Growth Factor, KGF, von Amgen) in Studien gesunde Zellen vor der Wirkung von Zytostatika. Er induziert die Proliferation und Differenzierung von Keratinozyten der Mundschleimhaut und des Gastrointestinaltrakts, berichtete Kollmannsberger. Der rekombinant hergestellte Wachstumsfaktor befindet sich derzeit in der klinischen Forschung.

Auch bei der Behandlung der krebsassoziierten Anämie gibt es neue Entwicklungen. Dazu gehören die modifizierten Erythropoetine wie das Novel Erythropoiesis Stimulating Protein (NESP, wird als Darbopoetin-a unter dem Namen Aranesp™ von Amgen entwickelt). Dessen Halbwertszeit ist zwei- bis dreimal länger als die des rekombinanten Erythropoetins. NESP trägt im Gegensatz dazu 14 statt 22 Sialinsäurereste. Erste Studien lassen neben der bequemeren Dosierung eine höhere Ansprechrate in Vergleich zum rekombinanten Erythropoetin erwarten. Amgen erwartet nach eigenen Angaben demnächst die Zulassung von Aranesp in Europa und den USA. Top

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