Bessere Prognose nach Raloxifen |
06.09.1999 00:00 Uhr |
Tamoxifen oder Raloxifen könnten eine sinnvolle präventive Therapieoption zur Brustkrebsprophylaxe bei Frauen mit hohem Risiko für einen Estrogenrezeptor-positiven Brustkrebs und vertebrale Frakturen sein. In einer Untersuchung erhielten über 7500 Osteoporosepatientinnen Raloxifen. Ihr Brustkrebsrisiko sank nach drei Jahren um 76 Prozent.
Adenokarzinome in der Brust sind die häufigste Krebsform und die Tumorart, die am zweithäufigsten bei Frauen zum Tod führt. Estrogene spielen bei der Pathogenese eine wichtige Rolle. Bei postmenopausalen Frauen mit hoher Estradiol-Serumkonzentration ist das Krebsrisiko am höchsten. Tamoxifen inhibiert die Effekte der Estrogene auf das Brustgewebe, verbessert die erkrankungsfreie Überlebensrate von Patientinnen mit Estrogenrezeptor-positivem Tumoren und reduziert das Risiko von kontralateralen Brustkrebs.
Bislang haben Wissenschaftler in drei Studien den primär präventiven Effekt von Tamoxifen untersucht. In zwei Arbeiten konnten die Forscher keinen Effekt nachweisen. In der Studie mit den meisten Teilnehmerinnen (Breast Cancer Prevention Trial, BCPT) verbesserte der Wirkstoff jedoch bei circa 50 Prozent der Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko die Prognose. Da die meisten Erkrankungen jedoch bei Frauen ohne bekannte Risikofaktoren auftreten, ist der Wert dieser Beobachtung fraglich.
Um Brustkrebsrate substantiell in der gesamten Population zu senken, bedarf es einer sicheren und effektiven Methode zur Langzeitbehandlung. Ein Nachteil von Tamoxifen: Es erhöht das Risiko thromboembolischer Erkrankungen und begünstigt die Entstehung eines Endometriumkarzinoms.
Raloxifen (Evista®) ist ein selektiver Estrogenrezeptor-Modulator, der sich in seiner Struktur von Tamoxifen und Estradiol unterscheidet. Die Substanz bindet an die Rezeptoren und blockiert kompetitiv die Estrogen-induzierte DNA-Transkription in Brust und Endometrium. In Tierversuchen hemmt Raloxifen das Estrogen-stimulierte Wachstum des Mammakarzinoms und antagonisiert die mitogenen Effekte von Estrogen und Tamoxifen im Uterusgewebe. Zudem wirkt Raloxifen Estrogen-ähnlich an den Knochen, auf den Lipidstoffwechsel und die Blutgerinnung.
In einer Studie erhielten insgesamt 7705 postmenopausale Frauen, die jünger als 81 Jahre waren, in einer multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie entweder Raloxifen oder Placebo. Indikation war bei allen Frauen eine Osteoporose, die sich bereits mit vertebralen Brüchen bemerkbar gemacht hatte. Frauen, die bereits vorher an Brustkrebs erkrankt waren oder Estrogene eingenommen hatten, wurden ausgeschlossen.
Die tägliche Dosis von Raloxifen betrug 60 oder 120 mg, die mittlere Nachbeobachtungszeit 40 Monate. Als Beurteilungskriterien für den Therapieerfolg galt die Anzahl neuer Brustkrebsfälle. In einer transvaginalen Ultraschalluntersuchung wurden die endometrialen Effekte von Raloxifen bei 1781 Frauen untersucht. Als wichtige Nebenwirkungen galten tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien.
In der Raloxifengruppe diagnostizierten die Mediziner bei 13 der 5129 Frauen Brustkrebs, unter Placebo bei 27 von 2576. Dies entsprach einer Risikoreduktion um 76 Prozent in der Verumgruppe gegenüber Placebo. Die Unterschiede waren signifikant.
In der prophylaktischen Wirkung unterschieden sich die beiden Raloxifen-Dosierungen nicht. Durch Raloxifen sank das Risikos bei Estrogenrezeptor-positivem Brustkrebs um 90 Prozent, blieb bei Rezeptor-negativem Brustkrebs jedoch unverändert. Dies unterstützt die Theorie, dass Raloxifen über eine Interaktion mit Estrogenrezeptoren in der Brust wirkt und so kompetitiv die Estrogen-induzierte DNA-Transkription hemmt.
Das Risiko einer thromboembolischen Erkrankung stieg unter Raloxifen auf das Dreifache an, während es für Endometriumkarzinom unverändert blieb. Sowohl Tamoxifen als auch Raloxifen bewirkten in starkem Ausmaß Hitzewallungen und wurden daher am besten von den Frauen vertragen, die nach der Menopause nicht mehr an solchen Symptomen litten.
Sollte sich in langfristigen Beobachtungen bestätigen, dass Raloxifen tatsächlich das Brustkrebsrisiko senkt und dabei die Gefahr eines Endometriumkarzinoms nicht erhöht, könnte die Substanz als sicherere Alternative Tamoxifen ablösen
In einer weiteren Auswertung der Studie soll die Langzeiteffektivität und -sicherheit der Raloxifen-Therapie untersucht werden. In einem Editorial neben der Publikation wurde zwar gewarnt, die Befunde zu generalisieren, da der Beobachtungszeitraum momentan erst 3 Jahre umfasst und Raloxifen bis dato nicht für alle postmenopausale Frauen empfohlen werden kann. Das Ergebnis dieser Studie ist jedoch ermutigend.
Quelle: Cummings, S. R., et al., JAMA 281 (1999) 2189 - 2197.
Franks, A. L., Steinberg, K. K., JAMA 281 (1999) 2243 - 2244.
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