Sachgerechter Umgang mit Schmerzmitteln |
18.08.2003 00:00 Uhr |
73 Prozent der deutschen Bevölkerung nehmen Schmerzmittel ein, ohne vorher einen Arzt aufgesucht zu haben (1). Eine Anwendungsbeobachtung zu Ibuprofen liefert Kenntnisse über Wirksamkeit und Verträglichkeit unter Alltagsbedingungen.
1Institut für Pharmakologie, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg; 2Bayer Vital GmbH, Abteilung Wissenschaft, Köln
Derzeit gibt es 292 rezeptfreie Analgetika auf dem deutschen Markt (2). Hieraus ein geeignetes Präparat auszuwählen, ist für den Patienten ohne fachkundige Unterstützung durch den Apotheker kaum möglich. Wichtigstes Kriterium beim Kauf von Arzneimitteln ist einer Umfrage zufolge nicht der Preis, sondern die Wirkung der Medikamente. Die Verbraucher wollen möglichst effektive und dabei nebenwirkungsarme Arzneimittel. Erkältungen, Schmerzen und Magen-/Darmbeschwerden sind anscheinend die häufigsten Beweggründe für eine Selbstmedikation. Die hieraus resultierenden Apothekenumsätze machten immerhin 14 Prozent am deutschen Apothekenumsatz 2001 aus (Quelle: Focus 8/2003).
Akute Schmerzen, wie Kopf-, Zahn-, oder Regelschmerzen sind ein klassisches Gebiet für die Selbstmedikation mit Analgetika, wobei Ibuprofen sich bei unterschiedlichen Schmerzarten neben Acetylsalicylsäure und Paracetamol bewährt hat. Der Wirkstoff ist in Deutschland seit 1989 in einer Einzeldosis von 200 mg und einer Tageshöchstdosis von 800 mg für die Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen für die Selbstmedikation zugelassen. 1998 wurde die Dosis für den Selbstmedikationsbereich auf 400 mg (Einzeldosis) und 1200 mg (Tagesdosis) erhöht. Es liegen zahlreiche Studienergebnisse aus kontrollierten klinischen Studien über die Wirksamkeit und das Nebenwirkungsprofil der Substanz vor. Diese Ergebnisse spiegeln jedoch selten die Realität wider. Umso wichtiger ist es, das Einnahmeverhalten und den Umgang mit einzelnen Präparaten im Alltag zu untersuchen. Die öffentliche Apotheke bietet auf Grund ihrer Nähe zum Verbraucher und der Häufigkeit der Patientenkontakte prinzipiell gute Vorraussetzungen für solche Felduntersuchungen.
Studienaufbau
Der Studienplan entsprach weitgehend den Empfehlungen des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Durchführung von Anwendungsbeobachtungen, angepasst an das Apotheken-spezifische Patientenkollektiv (3). Schwerpunktmäßig sollten in der Anwendungsbeobachtung Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aktren® unter Alltagsbedingungen erfasst werden. Des Weiteren wurden Angaben zu Einnahmegewohnheiten gesammelt. Die Verwender sollten zudem Angaben zur Alltagsbelastung auf Grund der Beschwerden machen.
Das Apothekenpersonal sprach Kunden, die gezielt nach dem Präparat verlangten auf eine Studienteilnahme an. Zeigte sich der Kunde bereit, erhielt er einen strukturierten Fragebogen, den er zu Hause ausfüllte. Als Beobachtungsvariablen wurden demografische Daten wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Schulabschluss und Berufstätigkeit erfasst. Die Wirksamkeit wurde über eine Schmerzskala mit den Kategorien 1 bis 4 (1 = keine, 2 = leichte, 3 = mittelstarke, 4 = starke Schmerzen) beurteilt. Die Anwender dokumentierten ihre Schmerzintensität vor und 15, 30, 45, 60, 90 und 120 Minuten nach der Einnahme. Weiterhin wurden die Verwender nach dem Ausmaß der Einschränkungen ihrer Alltagsaktivitäten gefragt. Zusätzlich wurden die Studienteilnehmer gebeten, eine globale Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des Präparates abzugeben. Die Verträglichkeit wurde erfasst, indem unerwünschte Ereignisse abgefragt wurden, die anschließend als Freitext dokumentiert wurden.
Nach Abschluss der Anwendungsbeobachtung wurden die erhobenen Daten mittels einfacher Dateneingabe erfasst und auf Plausibilität geprüft. Die statistische Auswertung erfolgte durch ein unabhängiges Institut. Fehlende Angaben blieben unberücksichtigt. Bundesweit nahmen 244 Apotheken im Zeitraum von März bis Dezember 2002 an der Befragung teil. 573 Fragebögen kamen zurück.
Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer lag zwischen 20 und 40 Jahren, knapp ein Drittel war zwischen 40 und 60 und nur 10 Prozent zwischen 60 und 80 Jahre alt. 71,2 Prozent der Studienteilnehmer waren weiblich.
Das Schmerzmittel wurde zu über 50 Prozent vom Apotheker empfohlen. 20 Prozent der Verwender hatte sich selbst informiert und 18 Prozent waren durch Freunde und Verwandte darauf aufmerksam geworden.
Kopfschmerz ist häufigster Grund
Über die Hälfte der Studienteilnehmer hatte das Präparat bereits früher schon einmal eingenommen, auch mit einer anderen als der aktuellen Indikation. Dabei traten bei 41 Prozent der Befragten die genannten Schmerzen mindestens einmal pro Monat auf.
65 Prozent der Patienten gaben als Grund für die aktuelle Einnahme Kopfschmerzen, 15 Prozent Regelschmerzen und 12 Prozent Zahnschmerzen an. In 11,5 Prozent der Fälle lag ein anderer Grund vor, zum Beispiel Rücken- oder Gelenkschmerzen und Migräne. Vor Einnahme der Medikation wiesen die Studienteilnehmer im Mittel einen Schmerzscore von 3,6 auf. Dieser reduzierte sich nach 15 Minuten auf 2,9 und nach 30 Minuten auf 2,1. 94 Prozent der Patienten waren nach zwei Stunden schmerzfrei oder hatten nur noch leichte Schmerzen. Sogar die Patienten, die vor der Einnahme starke Schmerzen hatten (n = 298), gaben nach zwei Stunden an, schmerzfrei zu sein (n = 226) oder nur noch leichte Schmerzen (n = 47) zu haben. Insgesamt 92 Prozent der Patienten mit starken Schmerzen konnten durch die Einnahme deutlich profitieren. Der Verlauf der Schmerzreduktion war über alle Schmerzarten und Aktren-Formulierungen gleich gut.
41,5 Prozent der Studienteilnehmer waren durch ihre Schmerzen in ihren Alltagsaktivitäten stark bis mittelstark eingeschränkt, immerhin 38,2 Prozent leicht beeinträchtigt. 91,3 Prozent der Teilnehmer konnten nach der Einnahme ihre Alltagsaktivitäten schneller wieder aufnehmen. Insgesamt schätzen 89 Prozent der Verwender die Wirksamkeit als sehr gut oder gut ein. 94 Prozent der Befragten beurteilten die Verträglichkeit als sehr gut bis gut. Hierin spiegelt sich auch die geringe Inzidenz unerwünschter Wirkungen wider: Nur 3,6 Prozent berichteten über Nebenwirkungen, weniger als 1,7 Prozent klagten über Magenschmerzen und Übelkeit.
Indikationsgerechte Einnahme
Die Auswertung der schmerzbezogenen Daten zeigte überraschenderweise, dass ein großer Anteil (> 96 Prozent) der Patienten vor der Medikamenteneinnahme unter mittelstarken bis starken Schmerzen litt. Der mittlere Schmerzscore von 3,6 verdeutlicht dieses Ergebnis. Bereits innerhalb von 30 Minuten nach der Einnahme konnten diese Schmerzen deutlich reduziert werden. Fast alle Patienten waren nach zwei Stunden schmerzfrei beziehungsweise hatten nur noch leichte Schmerzen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da gerade bei akuten Beschwerden eine schnelle Schmerzlinderung erwartet wird. Trotz ihrer stärkeren Schmerzen nahmen fast alle Patienten nicht mehr als die empfohlene Einzeldosis von ein bis zwei Tabletten. Dies verdeutlicht den eigenverantwortlichen, bestimmungsgemäßen Umgang der Patienten mit Arzneimitteln, was sich auch in der niedrigen Inzidenz an Nebenwirkungen zeigte.
Das Ergebnis der vorliegenden Felduntersuchung zeigt die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auf. So waren 91,3 Prozent der Studienteilnehmer in der Lage, ihre Alltagsaktivitäten schnell wieder aufzunehmen. Da 67 Prozent der Befragten berufstätig waren, spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle für die Arbeitsfähigkeit der Befragten.
Instrument der Zukunft
Das deutsche Arzneimittelgesetz verpflichtet pharmazeutische Unternehmer, auch nach der Zulassung Erkenntnisse über die Anwendung und Sicherheit ihrer Arzneimitteln zu sammeln. Daher sind seit 1998 zunehmend mehr apothekenbasierte Anwendungsbeobachtungen durchgeführt worden (4, 5, 6, 7). Im Unterschied zur klassischen Anwendungsbeobachtung, bei der die Datenerhebung über den Arzt erfolgt, werden hierbei die Daten beim Erwerb des Arzneimittels in der Apotheke direkt erhoben. Ein für den Anwender leicht verständlicher Erhebungsbogen ermöglicht, dass der Patient den Fragebogen selbständig und vollständig ausfüllen kann. Der wissenschaftliche Ansatz kann dabei durch die Verwendung von Messsystemen gesichert werden, die für die Selbstbewertung geeignet sind. So ist die hier eingesetzte Schmerzskala mit vier Kategorien ein etabliertes Verfahren zur Messung der Schmerzintensität in klinischen Studien (8, 9, 10). Da es sich um ein Selbstbeurteilungsinstrument handelt, kann es problemlos auch in Anwendungsbeobachtungen verwendet werden.
Diese Vorgehensweise wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, da sich immer mehr Menschen eigenständig mit Arzneimitteln aus der Apotheke versorgen.
Literatur
Für die Verfasser:
Brigitte Havertz
Bayer Vital GmbH
CC-Wissenschaft
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