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Adjuvante Therapie verbessern

31.03.2003  00:00 Uhr
Brustkrebs

Adjuvante Therapie verbessern

von Annette Junker, Sankt Gallen

Frauen mit Brustkrebs werden in der Regel nach der Operation endokrin oder chemotherapeutisch adjuvant behandelt, nach Brust erhaltender Operation auch bestrahlt. Um die Standards für diese Primärbehandlung wieder zu optimieren, findet im schweizerischen St. Gallen alle zwei Jahre der renommierte internationale Brustkrebskongress statt.

Bei der 8. Tagung Mitte März diskutierten mehr als 3200 Experten über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Brustkrebsbiologie und -behandlung. Ziel ist es, die langfristigen Heilungsaussichten bei dieser häufigsten Krebsart der Frau zu verbessern. Den Abschluss bildet traditionsgemäß die Konsensuskonferenz, bei der sich etwa 25 Experten auf Standards einigen, die zwar nicht amtlich sind, aber für die nächsten zwei Jahre einen hoch geachteten Konsensus darstellen.

Hormonresistenz unterbrechen

Das Wachstum des Brustkrebses wird vermutlich von einem Komplex reguliert, in dem die Signalwege der Wachstumsfaktoren und der Estrogenrezeptoren verknüpft sind. So können Estrogenrezeptoren die Signalwege der Wachstumsfaktoren anregen; andererseits kann die Tyrosinkinase-Kaskade der Wachstumsfaktoren den Estrogenrezeptor und wichtige Proteine, die mit diesem Rezeptor interagieren, aktivieren.

In Laborversuchen konnten Co-Aktivatoren wie SRC3 (synonym AIB1) die agonistische Aktivität der Rezeptoren, an die selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) wie Tamoxifen binden, erhöhen, wenn gleichzeitig Estrogenrezeptoren überexprimiert wurden. Sowohl AIB1 als auch Estrogenrezeptoren werden über verschiedene Wachstumsfaktor-Signalwege aktiviert. Zudem wurde gezeigt, dass menschliche Brustkrebszellen, die reichlich AIB1 aufweisen und zusätzlich HER-2/neu überexprimierten, auffallend resistent gegen eine adjuvante Therapie mit Tamoxifen waren.

In einem experimentellen Modell waren AIB1 und HER-2 verantwortlich für eine initiale Resistenz gegen Tamoxifen, das unter diesen Umständen das Krebszellwachstum eher fördert als hemmt. Eine Unterbrechung der Signalwege der Wachstumsfaktoren stellt die inhibierende Wirkung des Antiestrogens wieder her. Tyrosinkinase-Inhibitoren verzögern zudem die erworbene Resistenz nach Down-Regulation des Estrogenrezeptors. Diese In-vitro-Untersuchungen sollen nun in klinischen Studien bestätigt werden.

Marker für den Therapieerfolg

Wegen ihrer Mitarbeit im Konsensus-Panel fanden zwei Vorträge von Martine Piccart, Brüssel, besondere Beachtung. Sie beschäftigte sich mit neuen Möglichkeiten der Chemotherapie und deren bestmöglicher Anwendung im adjuvanten Setting. Drei neue viel versprechende Ansätze könnten in Zukunft die routinemäßige Anwendung einer Chemotherapie ergänzen.

Es gibt Hinweise darauf, dass die molekularen Marker UPA (Urokinasetyp-Plasminogenaktivator) und PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor 1) ein gesteigertes Ansprechen auf eine adjuvante Chemotherapie vorhersagen können. Die Moleküle dienen bereits als prognostische Faktoren für den Erfolg einer adjuvanten Chemotherapie bei Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall. Den Nutzen einer endokrinen Therapie scheinen sie allerdings nicht anzuzeigen.

Der zweite Ansatzpunkt ist die Identifikation von molekularen „Handschriften“ durch Mikroarray-Technologie. Besonders bei jüngeren Frauen unter 55 Jahren erlaubt diese eine bessere Voraussage des klinischen Verlaufs als die bisherigen prädiktiven Kriterien. Interessanterweise lassen die Daten des molekularen Fingerprints vermuten, dass die Prognose nicht vom Lymphknotenstatus abhängt und dass dieser Fingerprint auch Patientinnen mit positivem Lymphknotenstatus (nodalpositiv) identifizieren kann, die trotzdem eine unerwartet gute Prognose haben.

Diese Daten müssen noch durch große Studien bestätigt werden. Dennoch wecken die bisherigen Ergebnisse die Hoffnung, dass die Entscheidung für eine bestimmte Chemotherapie in Zukunft viel leichter zu treffen sein wird.

Dosisdichte-Regime erfolgreicher

Viel versprechend erscheint ein ganz neuer Ansatz bei nodalpositiven Patientinnen. In der vierarmigen Studie CALGB9741 wurde geprüft, ob eine Verdichtung der Dosis, zum Beispiel durch reduzierte Intervalle, die Chance für eine Tumoreradikation vergrößern kann (Kasten). Die dosisdichten Regime fanden unter begleitender Gabe von G-CSF (Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor) statt.

 

Design der vierarmigen CALGB9741-Studie
  • dosisdicht sequenziell A → P → C (22 Wochen)
  • dosisdicht AC → P (14 Wochen)
  • konventionelle Abstände, sequenziell A → P → C (33 Wochen)
  • konventionelle Abstände AC → P (21 Wochen)

A: Doxorubicin 60 mg/m2; C: Cyclophosphamid 600 mg/m2; P: Paclitaxel 175 mg/m2 über 3 Stunden

 

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten wiesen die dosisdichten Regime signifikant bessere Ergebnisse auf als die konventionellen Therapieschemata. Beide primären Endpunkte - das krankheitsfreie Überleben (DFS) und die Gesamtüberlebenszeit (OS) - waren verlängert. Der Parameter DFS betrug nach vier Jahren 82 Prozent bei den dosisdichten Protokollen und 75 Prozent bei den dreiwöchigen Regimen. Es gab jedoch einen Unterschied zwischen den gleichzeitig und den sequenziell laufenden Armen. Schwer wiegende Neutropenien waren bei den dosisdichten Regimen seltener. Bei den gleichzeitigen Therapien kam es im Vergleich zu den sequenziellen Therapien vermehrt zu Nausea und Neurotoxizität.

Nach Piccart muss die CALGB9741-Studie im Kontext mit anderen dosisdichten Chemotherapien gewertet werden. Die Daten sprächen besonders für die dosisdichte sequenzielle Therapie mit Paclitaxel. Ergebnisse zu Docetaxel seien noch zu spärlich und wie bei Anthracyclinen nicht überzeugend. Die Studie zeige deutlich, dass die Taxane auch in der adjuvanten Therapie Erfolg versprechend sind, sagte die Forscherin. Doch erst die endgültigen Resultate von laufenden Studien mit 56.000 Frauen könnten den Platz der Taxane genauer definieren.

Internationaler Konsensus

Beim Konsensusmeeting, an dem 23 anerkannte Experten aus Europa und den USA teilnahmen, stand die adjuvante und dosisdichte Chemotherapie zwar auf der Tagesordnung, wurde aber aus Zeitmangel nicht mehr diskutiert. Auch aus abrechnungstechnischen Gründen ist den Patientinnen zu wünschen, dass die offenen Fragen zu diesen Therapieschemata in der Endpublikation in den Fachjournalen Journal of Clinical Oncology und Breast im Spätsommer beantwortet werden.

 

International Breast Cancer Award In diesem Jahr wurde zum ersten Mal der Internationale St. Gallener Brustkrebspreis verliehen. Professor Dr. Gianni Bonadonna, Mailand, und Professor Bernard Fisher, Pittsburgh, erhielten den Preis in Anerkennung ihrer Lebenswerke.

Bonadonna hat in den letzten 25 Jahren insbesondere die medikamentöse Zusatzbehandlung zur Verbesserung der früher stagnierenden Heilungsraten nach Operation und Bestrahlung maßgeblich beeinflusst. Etwa im gleichen Zeitraum initiierten Fisher und seine NSABP-Gruppe in den USA ähnliche Studien. Fisher ist einer der bekanntesten und bedeutendsten Brustchirurgen der letzten Jahrzehnte. Beide gehörten seit der Gründung des St. Gallener Kongresses zu den aktiven Teilnehmern und trugen wesentlich zur Weiterentwicklung der Brustkrebsbehandlung bei.

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