Erhöhte Lebensqualität für Dialysepatienten |
01.03.2004 00:00 Uhr |
*) unter Mitarbeit von Martin Schulz, Hartmut Morck, Thilo Bertsche, Rolf Thesen und Petra Zagermann-Muncke
Das modifizierte Erythropoetin Darbepoetin alfa besitzt gegenüber dem endogenen Hormon pharmakokinetische Vorteile, die für viele Patienten eine Erhöhung der Lebensqualität bedeuten. Die europäische Arzneimittelbehörde hat die 2001 erteilte Zulassung zur Behandlung der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz kürzlich um die Indikation von Anämien erwachsener Krebspatienten mit soliden Tumoren unter Chemotherapie erweitert.
Patienten mit chronischem Nierenversagen entwickeln bereits in einem frühen Stadium ihrer Erkrankung eine renale Anämie. Während der gesunde Organismus abhängig vom Sauerstoffgehalt des Blutes in der Niere Erythropoetin (EPO) produziert, sind Dialysepatienten und auch Patienten im Prädialysestadium nicht in der Lage, die vermehrten Blutverluste und die gesteigerte Hämolyseneigung mit einer verstärkten Neubildung von Erythrozyten zu kompensieren.
Erythrozyten haben eine beschränkte Lebenszeit von etwa 120 Tagen, bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz nur 90 Tage. Die Folge ist ein anämischer Zustand des Organismus mit den typischen Symptomen wie Müdigkeit oder geringe körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Diese Patienten sind daher auf eine Substitution angewiesen (1).
Arzneimittelprofil Darbepoetin alfa ist der arzneilich wirksame Bestandteil des Fertigarzneimittels Aranesp® der Firma Amgen. Es wird in Fertigspritzen zu 0,3 bis 0,6 ml zur intravenösen oder subkutanen Injektion in folgenden Dosierungen angeboten: 10, 15, 20, 30, 40, 50, 60, 80, 100, 150, 300 µg.
Die Arzneisubstanz wird aus der Zell-Linie CHO-K1 gewonnen. Weitere Bestandteile sind Natriumdihydrogenphosphat, Dinatriumhydrogenphosphat, Natriumchlorid, Polysorbat 80 und Wasser.
Wesentlich häufiger als renale Anämien sind tumor- und chemotherapiebedingte Anämien. Nahezu alle derzeit angewandten Zytostatika schädigen selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das blutbildende System des Knochenmarks. Häufigkeit und Schweregrad der Anämie hängen von Faktoren wie Art, Dauer und Stadium der Tumorerkrankung sowie Art, Dauer und Intensität der Chemotherapie ab. Allen gemeinsam ist jedoch der schleichende Beginn der Erkrankung. Neben einem Mangel an EPO wird dabei auch ein vermindertes Ansprechen der Vorläuferzellen auf noch vorhandenes endogenes EPO beobachtet. Bestimmte Tumoren können ebenfalls Störungen in der Erythropoese auslösen, wobei über die Einzelheiten dieses multifaktoriellen Geschehens noch relativ wenig bekannt ist. Die Auswirkungen machen bei einem Großteil aller Patienten eine Substitutionstherapie in Form von Bluttransfusionen oder die Gabe von Wachstumsfaktoren erforderlich.
Zwölf Jahre nach Einführung des ersten humanen Erythropoetins (rHuEpo) hat derselbe Hersteller, Amgen, ein leicht verändertes Folgepräparat mit gleichem Wirkprofil auf den Markt gebracht. Das „Novel Erythropoesis Stimulating Protein“ (NESP), Darbepoetin alfa, wurde mittels „rational drug design“ entwickelt und zeichnet sich im Vergleich zum endogenen Hormon durch einen vergrößerten Kohlenhydratanteil und damit eine (auf Grund sterischer Hemmungen) verlängerte Abbauzeit aus. Da der Spiegel von Darbepoetin alfa im Blutkreislauf circa dreimal länger über der minimalen Wirkkonzentration bleibt als die äquimolare Dosis von EPO kann das Applikationsintervall um den Faktor drei verlängert werden.
Chemische Klassifikation
Darbepoetin alfa ist ein Glykoprotein mit 165 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von 34 kDa. Im Gegensatz zum endogenen Protein besitzt es sechs statt vier Kohlenhydratketten mit bis zu 22 negativ geladenen Sialinsäureresten. Die Kohlenhydratketten sitzen distal zur Rezeptorbindungsstelle und bedecken den größten Teil der Oberfläche des länglichen Proteinkörpers, der im Wesentlichen aus vier linksgewundenen Helixstrukturen besteht. Diese Form ist typisch für die Familie der Wachstumsfaktoren (2).
Da nur die glykosilierte Form des Proteins in vivo aktiv ist, muss der Wirkstoff gentechnologisch in eukaryotischen Zellen hergestellt werden. Dazu erwiesen sich kompetente CHO (Chinese Hamster Ovary)- oder BHK (Baby Hamster Kidney)-Zellen als besonders geeignet.
Indikationen und Anwendung
Darbepoetin alfa ist zugelassen zur Behandlung der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz bei Erwachsenen und Kindern über elf Jahren sowie zur Behandlung der Anämie bei erwachsenen Krebspatienten mit soliden Tumoren, die eine Chemotherapie erhalten (4). Als problematisch gilt die missbräuchliche Anwendung als Doping-Mittel beim gesunden Menschen zur Steigerung der Sauerstofftransportkapazität und der Ausdauerleistung.
Die Substanz wird intravenös oder subkutan als einzelne Injektion einmal pro Woche oder alle zwei Wochen verabreicht. Vor und während der Behandlung sollte der Eisenstatus bestimmt werden. Eine zusätzliche Eisengabe ist bei Patienten mit einem Serumferritinwert von unter 100 µg/l beziehungsweise einer Transferrinsättigung von unter 20 Prozent anzuraten.
Die Behandlung der renalen Anämie beginnt mit einer so genannten Korrekturphase, in der eine initiale Wochendosis von zunächst 0,45 µg/kg je nach Anstiegsgeschwindigkeit des Hämoglobinwertes individuell angepasst wird. Ziel ist eine Steigerung zwischen 1 und 2,5 g/dl über vier Wochen, welche mit der genannten Dosierung erfahrungsgemäß gut erreicht wird. Die genaue Zielhämoglobinkonzentration muss für jeden Patienten individuell festgelegt werden. Daraus ergibt sich die benötigte Erhaltungsdosis. Patienten, die bereits auf EPO eingestellt sind, können auf eine äquipotente Dosis Darbepoetin alfa umgestellt werden. In der Regel wird (unter Beibehaltung der Applikationsart) bei Patienten, die EPO zwei- oder dreimal pro Woche erhalten haben, auf einmal wöchentliche Anwendung, und bei Patienten mit einmal wöchentlicher Gabe auf zweimal wöchentliche Gabe verlängert. Zur Dosisberechnung sind 200 IE EPO 1 µg/kg Darbepoetin gleichzusetzen (4).
Bei Krebspatienten sollte zunächst eine Dosis von 2,25 µg/kg Körpergewicht subkutan injiziert werden. Entsprechend dem Hämoglobin-Anstieg muss diese dann ebenfalls justiert werden. Neuere Studien schlagen auch Konzepte zur drei- bis vierwöchentlichen Gabe von 15 bis 18 µg/kg jeweils parallel zu den Chemotherapiezyklen vor, oder ein so genanntes „Front-Loading-Program“ (19). Dabei sollen durch höhere Anfangsdosierungen ein schnelleres Ansprechen erreicht und nicht ansprechende Patienten frühzeitig identifiziert werden.
Entsprechend der erhöhten Erythrozytenmenge ist während und insbesondere zu Beginn der Therapie mit Darbepoetin der Blutdruck der Patienten engmaschig zu kontrollieren. Alle Patienten müssen auf die Wichtigkeit der Einhaltung von antihypertensiver Medikation und einschlägiger Diäten hingewiesen werden. Zur Sicherheit sollten auch die Serum-Kaliumspiegel überwacht werden.
Wirkung und Wirkmechanismus
Die Wirkung von Darbepoetin alfa entspricht genau derjenigen des endogenen Hormons, da selektiv dessen Rezeptoren aktiviert werden. Bisher wurden weder gewebsfremde noch unspezifische Wirkungen beobachtet. Ebenso wenig wurden Bindungen an andere Rezeptoren festgestellt (2,3).
EPO wird beim gesunden Menschen abhängig vom Sauerstoffgehalt des Blutes in der Niere produziert. Über die Blutbahn gelangt es ins rote Knochenmark und aktiviert dort Stammzellen zur Bildung von Proerythroblasten (= Zellen, die in der Lage sind, Eisen aufzunehmen und Hämoglobin zu bilden). Über mehrere Entwicklungsstufen kommt es zu einer Verdichtung und Verdickung des Zellkerns, der schließlich vor dem Eintreten in die Blutbahn ganz abgestoßen wird. Die nunmehr kernlosen Erythrozyten haben die Fähigkeit zur DNA- und RNA- Synthese und damit auch zur Zellteilung verloren. Beim gesunden Erwachsenen werden normalerweise innerhalb von 24 Stunden 0,8 Prozent aller Erythrozyten erneuert. Das bedeutet, dass in jeder Minute eine Neubildung von 160 Millionen Erythrozyten stattfindet (1).
Da bei Darbepoetin ein Großteil der Moleküloberfläche durch die Sialinsäureketten des Kohlenhydratrestes abgedeckt wird, sinkt zwar im Vergleich zu natürlichem EPO die Rezeptoraffinität, gleichzeitig aber auch die Angriffsfläche für abbauende Enzyme (Sialidasen). So kommt es insgesamt zu einer Zunahme der in vivo Aktivität auf Grund einer verlängerten biologischen Halbwertszeit (2).
Die Wirkdauer von Darbepoetin ist auf den Anwendungszeitraum begrenzt. Der Hämatokritwert sinkt kurze Zeit nach dem Absetzen wieder auf das Ausgangsniveau. Es bleiben keine Langzeitwirkungen, zum Beispiel in Form von verminderter Rezeptorsensitivität, erniedrigter Rezeptorendichte oder Veränderungen des erythrogenen Ansprechens (4).
Unerwünschte Wirkungen
Im Rahmen der Zulassungsstudien zur renalen Anämie erhielten bis zum Jahr 2001 etwa 1600 Patienten Darbepoetin. Die Rate der Studienabbrecher (unabhängig von den Gründen) lag bei 2 Prozent und damit etwas niedriger als mit 4 Prozent in den Kontrollarmen, die EPO erhalten hatten. Es gab keine mit der Substanzeinnahme assoziierten Todesfälle (3, 4).
Hauptnebenwirkungen (1 bis 10 Prozent) waren neben dem erwarteten Auftreten leichter Irritationen an den Injektionsstellen nach subkutaner Anwendung Kopfschmerzen und Thrombosen des Gefäßzuganges sowie Blutdruckanstieg bis zum Bluthochdruck (4). Keines dieser Ereignisse stand in einem statistischen Zusammenhang mit der absoluten Höhe des Hämoglobinspiegels (über oder unter 12 mg/dl) oder mit seiner Anstiegsgeschwindigkeit (4). Bei Tumorpatienten wurden zusätzlich Arthralgien mit der Anwendung von Darbepoetin assoziiert (1 bis 10 Prozent).
Bei wenigen Patienten (< 1 Prozent) wurde ein Anstieg des Serum-Kaliumspiegels beobachtet. In solchen Fällen muss die Therapie unter Umständen kurzfristig unterbrochen werden.
Mit besonderem Interesse wurde das Auftreten von Antikörpern gegen die Substanz selbst oder gegen Immunglobulin G verfolgt, wie dies bei der Anwendung von rHUEpo alfa beobachtet wurde. In mehreren Fällen war es dabei unter Standardtherapie zu antikörperinduzierten Eythrozytenaplasien bis zur totalen Anämie gekommen (21). Im Tierversuch konnten nach subkutaner Gabe von Darbepoetin wie bei EPO dosisabhängig Antikörper gegen IgG induziert werden, jedoch nicht bei intravenöser Gabe, und in keinem Fall wurden beim Menschen unter Therapie Antikörper nachgewiesen. Es gab kein Anzeichen für immunbedingte Gewebeschädigungen (3).
Besonders zu beachten sind nach missbräuchlicher Anwendung bei Gesunden die unerwünschten Wirkungen, wo es zu lebensgefährlichen kardiovaskulären und cerebrovaskulären Komplikationen (Thromboembolien, Infarkte) kommen kann.
Kontraindikationen
Neben bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Darbepoetin alfa, EPO oder einen der Hilfsstoffe ist Patienten mit schwer kontrollierbarem Bluthochdruck von der Anwendung abzuraten, da mit zunehmender Erythrozytenmenge der Blutdruck steigt. Auf Grund unzureichender klinischer Erfahrungen sollte das Präparat nicht bei Patienten mit Tumoren im Frühstadium angewendet werden, die eine adjuvante oder neo-adjuvante Chemotherapie erhalten. Dasselbe gilt für Patienten mit lymphoproliferativen malignen Erkrankungen (zum Beispiel Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphom). Während der Stillzeit sollte die Anwendung von Darbepoetin alfa überhaupt nicht und während einer Schwangerschaft sowie bei Patienten mit Lebererkrankungen, Sichelzellenanämie oder Epilepsie (4) nur unter besonderer Vorsicht erfolgen.
Schwere Aluminiumintoxikation, zwischenzeitlich auftretende Infektionen, entzündliche oder traumatische Episoden, okkulter Blutverlust, Hämolyse oder Knochenmarksfibrose können das Ansprechen der Erythropoese beeinträchtigen (4).
Wechselwirkungen
Bisher wurden keine Hinweise auf Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka gefunden. Auf Grund der bekannten Bindung von Ciclosporin an Erythrozyten müssen jedoch die Ciclosporinspiegel im Blut kontrolliert werden, um den steigenden Hämoglobinwert durch Erhöhung der Ciclosporin-Dosierung ausgleichen zu können. Ein bestehender Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel vermindert ebenso wie Eisenmangel die Wirksamkeit und sollte daher vor Therapiebeginn ausgeglichen werden.
Pharmakokinetik
Die pharmakokinetischen Parameter wurden an mittlerweile über 800 Peritoneal- und Hämodialyse-Patienten zum Teil im direkten Vergleich gegen EPO bestimmt. Es zeigte sich, dass die pharmakokinetischen Eigenschaften zeit- und dosislinear sind (5) und es auch bei Mehrfachgabe nicht zu relevanten Kumulationseffekten oder Veränderungen kommt (6). Für eine perorale Applikation ist die Resorption des Proteins nicht ausreichend.
Macdougall et al. berichteten, dass die Substanz nach intravenöser Applikation einer Kinetik erster Ordnung folgend mit einer Halbwertszeit von im Mittel 25,3 Stunden abgebaut wird (7). Trotz äquimolarer Konzentrationsgabe im Vergleich zu EPO war die AUC0-96 für Darbepoetin wegen des verlangsamten Abbaus mehr als doppelt so groß. 96 Stunden nach der Injektion wurden im Serum noch 0,5 ng/ml Darbepoetin nachgewiesen, etwa 20 mal mehr als EPO. Die aus der extrapolierten AUC0-∞ berechnete Clearance lag bei 1,9 ml/h/kg (EPO 4,0 ml/h) (7).
Nach einmaliger subkutaner Anwendung von 0,45 µg/kg KG wurden maximale Plasmakonzentrationen nach 54 Stunden erreicht. Sie lagen bei etwa 10 Prozent der höchsten gemessenen Spiegel nach intravenöser Gabe. Die terminale Halbwertszeit betrug im Mittel etwa 49 Stunden, die Bioverfügbarkeit lag bei 37 Prozent. Das berechnete Verteilungsvolumen von 52,4 ml/kg entspricht demjenigen von EPO (48,7 ml/kg) und somit in etwa dem Volumen des menschlichen Blutplasmas (7). Diese Ergebnisse wurden auch in anderen Kinetik-Studien bestätigt.
Auch bei 12 chronisch nierenkranken Kindern stimmten die gefundenen Parameter im Wesentlichen mit denen der Erwachsenen überein, es kam jedoch nach subkutaner Gabe zu einem schnelleren Anstieg der Serumkonzentration (8).
In einer Studie mit 15 Tumorpatienten (9) verzögerten sich nach einmaliger Gabe die Blutspiegelmaxima (86 h statt 54 h), und die Clearance erniedrigte sich um circa 30 Prozent. Insgesamt ist bei Tumorpatienten mit wesentlich höheren intra- und interindividuellen Schwankungen zu rechnen, sodass die beobachteten Parameter als in etwa vergleichbar gelten dürfen.
Der Abbau von Darbepoetin erfolgt in der Leber zunächst durch Sialidasen, die die Kohlenhydratketten abspalten. Das entzuckerte Protein wird in der Leber weiter abgebaut und über den hepato-biliären Weg ausgeschieden. Die renale Clearance trägt nur zu circa 2 Prozent zur Gesamtclearance bei. In keiner der Studien wurden Einflüsse durch Art oder Menge der zugeführten Nahrungsmittel beobachtet.
Im Durchschnitt aller Studien wird die Halbwertszeit mit 21 ± 7,5 Stunden (SD) nach intravenöser und 49 ± 15,2 Stunden nach subkutaner Applikation angegeben.
Klinische Prüfung
Zu Darbepoetin alfa liegen klinische Studien im nephrologischen und im onkologischen Bereich vor, wobei entweder erstmals auf eine Dosierung eingestellt wurde oder EPO-Patienten auf äquipotente Mengen Darbepoetin bei seltenerer Anwendung umgestellt wurden.
Bei den beiden ersten multizentrischen Korrektur-Studien wurden 166 Patienten mit chronischer Niereninsuffienz zur subkutanen Anwendung (10, 11) und 122 Hämodialyse-Patienten zur intravenösen Anwendung (12) randomisiert. Jeweils ein Viertel der Patienten erhielt im Kontrollarm EPO, drei Viertel erhielten wöchentlich 0,45 µg/kg Darbepoetin alfa für bis zu 24 Wochen. Bei gleicher Ansprechrate (93 versus 92 Prozent Responder, wobei als Response ein Hb-Anstieg um mindestens 1 g/dl auf einen Wert von mindestens 11 g/dl definiert wurde) war auch der mittlere Hb-Anstieg nach vier Wochen mit 1,38 versus 1,40 g/dl vergleichbar.
In einer neueren Studie (13) mit zweiwöchentlicher Anwendung einer höheren Dosis von anfangs 0,75 µg/kg sprachen 97 Prozent von 76 EPO-naiven Patienten nach median fünf Wochen an.
Verblindete Umstellungs-Studien wurden mit 507 Patienten in Nordamerika und 522 Patienten in Europa und Australien durchgeführt, wobei jeweils im Verhältnis 2:1 randomisiert wurde und die Äquivalenzdosis mit 1 µg zu 200 I.E. EPO angesetzt wurde. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Patientengruppen berichtet. In der Regel (etwa 95 Prozent über alle Studien) konnte das Dosierungsintervall auf die doppelte Zeit verlängert werden (6, 14).
Für onkologische Studien bot sich eine mögliche Anwendungsverlängerung auf drei- bis vierwöchentliche Gabe entsprechend der Dauer der Chemotherapie-Zyklen an. In einer ersten Studie mit 54 Dialysepatienten konnte das Anwendungsintervall bei 91 Prozent der evaluierbaren Patienten von zwei auf drei und bei 83 Prozent sogar auf vier Wochen ausgeweitet werden (15).
Derzeit liegen klinische Ergebnisse zum Einsatz von Darbepoetin bei Patienten mit soliden Tumoren, lymphoproliferativen Erkrankungen und chronischer tumorinduzierter Anämie vor (16 - 20). Erwartungsgemäß korrelierten die Ansprechraten mit der Dosishöhe und der Häufigkeit der Gabe, sodass bei wöchentlicher Applikation zum Beispiel bei tumorinduzierter Anämie ohne Chemotherapie Ansprechraten von 70 bis 100 Prozent beobachtet wurden, bei drei – bis vierwöchentlicher Anwendung immer noch 60 bis 70 Prozent. Als Response wurde ein Hämoglobin-Anstieg um 2g/dl auf einen Zielwert von 12 g/dl definiert (20). Insgesamt erwies sich also Darbepoetin sogar bei vierwöchentlicher Anwendung als ausreichend wirksam.
Die Ergebnisse von Langzeitstudien stehen noch aus. Da in den letzten zwei Jahren über etliche Fälle von reiner Erythrozytenaplasie/Erythroblastopenie (Pure Red Cell Aplasia) nach subkutaner Gabe von Epoetin alfa berichtet wurde (21), wird dabei besonderes Augenmerk auf eine mögliche induzierte Antikörperbildung gegen die Substanz oder gegen endogenes EPO gelegt. Eine solche Antikörper-Induktion trat allerdings bei Darbepoetin alfa laut Herstellerangaben nur im hochdosierten Tierversuch auf, unter Therapie beim Menschen aber bisher in keinem Fall.
Wertende Zusammenfassung Darbepoetin alfa ist ein modifiziertes Erythropoetin, das sich allein in pharmakokinetischer Hinsicht vom endogenen Hormon und den bisher auf dem Markt befindlichen Präparaten unterscheidet. Die Verdoppelung bis Verdreifachung der Wirkdauer bedeutet für viele Patienten, seltener die Praxis oder Klinik aufsuchen zu müssen, und damit einen erheblichen Zuwachs an Lebensqualität. Auch im Hinblick auf die geringere zeitliche und personelle Beanspruchung der verabreichenden Institution wird ein Vorteil ersichtlich, insbesondere dann, wenn die Applikationsintervalle wirklich praxisnah auf die Dauer von Chemotherapiezyklen bei ambulanten Krebspatienten ausgeweitet werden können. Erfahrungen in der Langzeittherapie liegen noch nicht vor. Fazit: Kein therapeutisches Neuland, aber eine erfreuliche und praktische Weiterentwicklung.
Literatur
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