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Analyse belegt Handlungsbedarf

10.10.2005  00:00 Uhr
Kinderarzneimittel

Analyse belegt Handlungsbedarf

von Christiane Berg, Bremen

Das Gute vorweg: Die Mehrzahl der verordneten Arzneimittel ist auch für Kinder geeignet. Dennoch besteht Handlungsbedarf. So ist dringend nicht nur die Überarbeitung der Produktinformationen, sondern vor allem Klinische Forschung zur Erschließung therapeutischer Optionen für Kinder geboten.

Unter der Moderation von Professor Dr. Hartmut Morck, Eschborn, stellten Mitglieder des Expertenbeirats der Hexal-Initiative »Kinderarzneimittel« die Ergebnisse einer ersten flächendeckenden, nach Altersgruppen differenzierten Verordnungsanalyse vor. Ausgewertet wurden 1.371.613 Verordnungen der GEK mit 864 verschiedenen Wirkstoffen oder Wirkstoffkombinationen, die Minderjährigen von Januar 2000 bis Dezember 2002 ausgestellt wurden.

Große Verunsicherung

Für Kinder im Alter von drei bis sechs und 12 bis 16 Jahren wurden mit jeweils über 370.000 Verordnungen die meisten Arzneimittel verschrieben, berichtete Professor Dr. Bernd Mühlbauer, Bremen. Das Spektrum der Präparate habe mit dem Alter kontinuierlich zugenommen. Während die Gruppe der Neugeborenen insgesamt lediglich 82 verschiedene Arzneimittel erhielt, seien Kinder in der Altersgruppe 12 bis 16 Jahre mit insgesamt 797 Arzneimitteln behandelt worden. In Abhängigkeit von der Altersstufe seien 22 bis 69 Prozent der verschrieben Arzneimittel »geeignet«, 14 bis 39 Prozent hingegen »nicht geeignet« gewesen. Eine Analyse auf Ebene der Indikationsgruppen ergab, dass in den wichtigen Anwendungsgebieten der Kinderheilkunde (Atemwegserkrankungen, Fieber, Schmerzen und Infektionen) der Anteil an Verordnungen, der laut Produktinformation für Kinder nicht geeignet ist, mit circa 2 Prozent niedrig war.

Mühlbauer betonte, dass vor allem mangelhafte Produktinformationen zur erheblichen Verunsicherung von Ärzten und Eltern beitragen. Bei 46 Prozent der Arzneimittel seien gerade Neugeborene im Beipackzettel als Altersgruppe nicht gesondert erwähnt und nur 22 Prozent der für Säuglinge verordneten Arzneimittel seien als »geeignet« für diese Altersgruppe gekennzeichnet gewesen. Bei älteren Kindern sei die Anzahl der Arzneimittel mit unzureichender Produktinformation sowie deren Anteil an den Verordnungen mit circa 10 Prozent beziehungsweise 18 bis 22 Prozent erheblich niedriger.

Suche nach Optionen

Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Eschborn, forderte die Überprüfung der im Kindesalter off-label verordneten Arzneimittel. Von den insgesamt 864 in der Analyse registrierten Arzneistoffen beziehungsweise Wirkstoffkombinationen seien 11 Prozent wegen »unzureichender Erfahrung« nicht zur Anwendung bei Kindern bestimmt gewesen, konstatierte er. Die meisten Arzneimittel dieser Klasse erhielten Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren. Schubert-Zsilavecz hob drei Wirkstoffklassen hervor, die der Expertenrat in einer ersten Auswertung näher betrachtet habe.

So sei von fünf verordneten Triptanen keines zur Anwendung unter 17 Jahren, von fünf ausgewerteten Protonenpumpenhemmern nur einer (Omeprazol) zur Behandlung von Kindern ab einem Jahr bestimmt gewesen. Von sechs verordneten ACE-Hemmern wiederum sei nur einer (Captopril) zur Behandlung von Kindern ab sechs Jahren gedacht. Laut Schubert-Zsilavecz sollte zum einen geprüft werden, ob die Behandlung mit nicht zugelassenen Arzneimitteln therapeutisch gerechtfertigt ist, wenn vergleichbare und für die Altersgruppe zugelassene Arzneimittel zur Verfügung stehen. Zum anderen sollten »therapeutische Rationale« evaluiert werden, um Kindern gegebenenfalls neue medikamentöse Optionen und potenziell nützliche Wirkstoffe zu erschließen.

Machbar, aber nicht attraktiv

Die Klinische Prüfung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln für Kinder forderte auch Professor Dr. Dietrich Reinhardt, München. Wie Mühlbauer begrüßte der Pädiater die 12. AMG-Novelle. Sie erleichtere die Rechtslage zur Klinischen Forschung unter Wahrung des besonderen Status des Kindes. Die Klinische Forschung in der Pädiatrie werde auch in Zukunft zum Großteil in nicht kommerziellen Forschungseinheiten angesiedelt bleiben, prognostizierte Reinhardt. Nur 15 Prozent der Gesamtbevölkerung seien Kinder unter 15 Jahren. Die Mehrzahl der pädiatrischen Erkrankungen ist nicht chronisch. Der Markt für Kinderarzneimittel sei somit nicht attraktiv und für Hersteller wirtschaftlich zumeist uninteressant.

Reinhardt hob die besondere Notlage des stationären Bereichs hervor, in dem bis zu 90 Prozent der Medikamente nicht zur Anwendung bei Kindern zugelassen sind. Vor allem bei der Dosisfindung habe sich die bislang praktizierte Extrapolation von Daten aus dem Erwachsenbereich als völlig unzulänglich erwiesen. Top

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