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Lanreotid und Rasagilin

01.08.2005  00:00 Uhr
Neu auf dem Markt

Lanreotid und Rasagilin

mit Kerstin A. Gräfe, Eschborn, und Brigitte M. Gensthaler, München

Für Patienten mit Akromegalie, einer seltenen Wachstumsstörung, steht seit Anfang Juli das Somatostatin-Analogon Lanreotid zur Injektion zur Verfügung. Mit Rasagilin ist ein neuer MAO-B-Hemmer im Handel, der die Off-Phasen von Parkinson-Patienten verkürzt.

Lanreotid

Lanreotid ist zugelassen zur Therapie von Patienten mit Akromegalie und soll die abnorm erhöhten Spiegel an Wachstumshormon (Somatotropin, Growth Hormone, GH) und Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1) reduzieren und möglichst normalisieren. Der Arzneistoff wird in einer wässrigen Lösung in Fertigspritzen mit 60, 90 und 120 mg angeboten und tief subcutan injiziert (Somatuline Autogel®; Ipsen Pharma).

 

Akromegalie Die Akromegalie ist eine seltene Erkrankung durch eine Überproduktion von Wachstumshormon (GH). Ursache ist meist ein gutartiger Tumor der Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Entgleist der Hormonhaushalt bereits im Kindesalter, resultiert ein Riesenwuchs oder Gigantismus. Da im späteren Lebensalter „nur” die Körperenden (Akren) weiterwachsen, entsteht eine Akromegalie. Die Gesichtszüge und -haut werden gröber. Nase, Hände und Füße wachsen ebenso wie die inneren Organe, zum Beispiel Herz, Leber und Darm. Die Patienten sterben meist an kardiovaskulären Komplikationen.

Therapie der Wahl bei einem neu entdeckten Hypophysenadenom ist die Operation, bei der der Tumor durch die Nase entfernt wird. Adjuvant kann eine Strahlentherapie erfolgen. Medikamentös werden Dopaminagonisten wie Bromocriptin und Cabergolin, Somatostatin-Analoga wie Octreotid und Lanreotid oder der GH-Rezeptorantagonisten Pegvisomant eingesetzt.

Das Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V. informiert im Netz unter www.glandula-online.de.

 

Lanreotid ist wie Octreotid ein Octapeptid-Analogon des Somatostatins, das die Ausschüttung von Somatotropin inhibiert. Der Arzneistoff bindet mit hoher Affinität an Somatostatin-Rezeptoren, vor allem vom Typ 2, 3 und 5, und blockiert damit die Ausschüttung von GH. Darüber hinaus werden viele andere Funktionen gehemmt, zum Beispiel die Sekretion von Insulin und Glucagon, die Gallenblasenmotilität und die Sekretion von Wasser, Kalium, Natrium und Chlorid im Dünndarm.

Man beginnt mit einer Dosis von 60 mg alle 28 Tage. Je nach Ansprechen des Patienten, beurteilt anhand der Symptomatik sowie der Reduktion des GH- und/oder des IGF-1-Spiegels, kann die Dosis nach drei Monaten erhöht werden. Liegen die GH-Werte unter 1 ng/ml oder sind die Beschwerden verschwunden, kann die Dosis auch zurückgefahren werden.

In einer Studie mit 107 Patienten war die Gabe von Lanreotid Autogel alle 28 Tage ebenso effektiv wie die intramuskuläre Injektion einer Depotform von Lanreotid (30 mg) alle 14, 10 oder 7 Tage. 39 beziehungsweise 33 Prozent der Patienten erreichten GH-Spiegel unter 2,5 ng/ml. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit. Auch Erbrechen, Dyspepsie, Blähungen, Gallensteinleiden, Kopfschmerzen und Lokalreaktionen an der Injektionsstelle können auftreten.

In einer offenen Studie mit einjähriger Verlängerung spritzten 130 Patienten entweder Lanreotid Mikropartikel (i. m.) oder das Autogel, dessen Dosis angepasst werden konnte. 68 Prozent der Patienten erreichten mit der Dosistitration GH-Zielwerte unter 2,5 ng/ml, während dies nur 56 Prozent mit festen Lanreotid-Autogel-Dosen und 49 Prozent der Patienten mit den Mikropartikeln gelang.

Die neue galenische Lanreotid-Form ( mit 90 mg) war in einer kleinen Studie mit 25 Akromegalie-Patienten ebenso wirksam wie lang wirksames Octreotid (20 bis 40 mg alle vier Wochen). Die lokale Verträglichkeit war etwas besser.

Rasagilin

Bei vielen Parkinson-Patienten treten unter der Behandlung mit L-Dopa nach einiger Zeit Dyskinesien auf, deren Eintritt unvorhersehbar ist. Diese Off-Phasen können durch den neuen Wirkstoff Rasagilin verkürzt werden. Der Hemmer der Monoaminoxidase B (MAO-B) ist seit dem 1. Juli zur Behandlung der idiopathischen Parkinson-Krankheit als Mono- oder Zusatztherapie mit Levodopa bei Patienten mit End-of-dose-Fluktuationen zugelassen (Azilect® 1 mg Tabletten, Lundbeck). Damit steht neben Selegilin ein zweiter MAO-B-Hemmer zur Verfügung.

Die empfohlene Tagesdosis beträgt 1 mg und kann Mahlzeiten-unabhängig eingenommen werden. Die Substanz wird rasch resorbiert und erreicht innerhalb von 0,5 Stunden maximale Plasmakonzentration. Ihre absolute Bioverfügbarkeit beträgt etwa 36 Prozent. Rasagilin wird fast vollständig in der Leber metabolisiert, wobei der Abbau zum einen über eine N-Dealkylierung und zum anderen über eine Hydroxylierung verläuft. In-vitro-Untersuchungen zeigten, dass beide Stoffwechselwege Cytochrom-P450 abhängig sind und CYP1A2 das hauptsächlich beteiligte Enzym ist. Insofern sollte die gleichzeitige Gabe mit CYP1A2-Hemmern wie Ciprofloxazin nur mit Vorsicht erfolgen. Rasagilin wird in erster Linie über den Harn (62,6 Prozent) und zu 21,8 Prozent über die Faeces ausgeschieden.

Die Zulassung beruht auf einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie, die auf 18 Monate ausgelegt war. Die Probanden erhielten zusätzlich zur L-Dopa-Behandlung entweder täglich 1 mg Rasagilin (231) oder 200 mg Entacapon (227) oder Placebo (229). Der primäre Endpunkt war die Abnahme der täglichen Off-Zeiten. Weitere Studienendpunkte waren Veränderungen im CGI-Score (Clinical global improvement Score) und im UPDRS (Unified Parkinson‘s disease rating scale). 87 Prozent der Patienten beendeten die Studie. Rasagilin und Entacapon verringerten die Off-Zeiten statistisch signifikant: So wurde unter Rasagilin eine tägliche Abnahme von 1,18 Stunden, unter Entacapon von 1,2 Stunden und unter Placebo von 0,4 Stunden verzeichnet (p < 0,0001). Die täglichen Zeiten ohne beschwerliche Dyskinesien wurden unter Rasagilin und Entacapon um 0,85 Stunden, unter Placebo um 0,03 Stunden erhöht. Auch im Hinblick auf die sekundären Studienendpunkte war unter der Verumtherapie ein Nutzen zu verzeichnen. Dies zeigte sich in einer Abnahme des CGI-Score um 0,86 unter Rasagilin, um 0,72 unter Entacapon und um 0,37 unter Placebo.

Häufigkeit und Art unerwünschter Wirkungen waren in allen drei Gruppen vergleichbar. Häufigste Nebenwirkungen waren Bauchschmerzen, Erbrechen und Obstipation sowie Gewichtsverlust. Die ebenfalls auftretenden Gleichgewichtsstörungen waren unter Rasagilin stärker als unter Placebo, aber nicht dosisabhängig.

Unklar bleibt nach Ansicht von Kritikern, ob Rasagilin besser wirksam als die Dopamin-Agonisten ist. Mit Entacapon habe der Hersteller einen eher schwachen Vergleich gewählt. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Kritiker von der PD-Med-Studie. Eindeutiger Vorteil von Rasagilin sei, dass es als einzelne orale Dosis einmal täglich eingenommen werden kann und nicht wie die Dopamin-Agonisten titriert werden muss. Dieser Aspekt sei vor allem bei älteren Patienten, die zudem in der Regel mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, nicht zu unterschätzen. Top

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