Pharmazie |
03.07.2000 00:00 Uhr |
Mit Etanercept (Enbrel® von Wyeth-Pharma), einem Fusionsprotein aus menschlichem Tumornekrosefaktor-Rezeptor (TNFR:Fc) und einem Antikörper-Anteil, können seit 1. Juni Erwachsene mit aktiver rheumatoider Arthritis behandelt werden, bei denen die Therapie mit Basismedikamenten einschließlich Methotrexat nicht mehr ausreicht. Etanercept steht auch für Jugendliche und Kinder über vier Jahren mit aktiver polyartikulärer juveniler chronischer Arthritis zur Verfügung. Diese sollten die Substanz nur dann erhalten, wenn sie Methotrexat nicht vertragen oder die Therapie nicht ansprach.
Das Dimer Etanercept wird per Genexpression aus Eierstockzell-Linen des chinesischen Hamsters hergestellt und besteht aus der extrazellulären Domänesequenz des TNF-Rezeptors und des Fc-Anteils menschlichen Immunglobulins G1 (IgG1).
TNF-a wird im Organismus von Makrophagen und aktivierten T-Zellen produziert. Das Zytokin ist an zahlreichen immunvermittelten Entzündungsprozessen beteiligt. Unter anderem aktiviert TNF-a die Expression von Adhäsionsmolekülen auf der Oberfläche von Endothelzellen, die den Einstrom von Leukozyten ins Gelenk fördern, und stimuliert die Freisetzung von Metallomatrixproteasen, die Knorpel und Gelenk zerstören. Unter dem Einfluss von TNF-a werden aber auch vermehrt andere entzündungsfördernde Zytokine wie Interleukin-1, -6 und -8 gebildet.
TNF-a entfaltet seine proinflammatorische Wirkung über zwei Rezeptorsubtypen, die sowohl in löslicher Form als auch an Membranen gebunden vorkommen. TNF-a zirkuliert als Trimer. Etanercept bindet an zwei Stellen an diese Trimere und verhindert so, dass das Zytokin mit den membranständigen Rezeptoren interagiert.
Die Wirksamkeit von Etanercept wurde in klinischen Studien an Erwachsenen und Kindern untersucht. In einer placebokontrollierten, doppelblinden randomisierten Studie erhielten 234 Arthritis-Patienten, bei denen andere Basistherapeutika nicht mehr ansprachen, zweimal wöchentlich subkutan 10 mg beziehungsweise 25 mg Etanercept oder Placebo. In Bezug auf alle nach dem American College of Rheumatology (ACR) definierten Kriterien, zum Beispiel geschwollene und schmerzhafte Gelenke und Behinderungsgrad, sprach Etanercept nach sechs Monaten signifikant besser an als Placebo. Die Patienten litten seltener unter Gelenkschmerzen und konnten sich besser bewegen.
Beim Vergleich einer Kombination aus Methotrexat und Etanercept mit einer Methotrexat-Monotherapie war die Kombination erwartungsgemäß wirksamer. Bei Jugendlichen mit schwerer chronischer Arthritis besserte die Substanz ebenfalls signifikant alle Messparameter nach ACR gegenüber Placebo. Eine Langzeitstudie mit Etanercept sowie eine vergleichende Untersuchung (Fusionsprotein versus Methotrexat) sind noch nicht abgeschlossen.
In den klinischen Studien traten unter Etanercept häufiger Infektionen, besonders der oberen Atemwege, auf. Seit der Markteinführung wurde auch von einigen schwerwiegenden Infekten berichtet, meist bei multimorbiden Patienten. Die Patienten sollten daher engmaschig überwacht werden.
Lange erwartet wurde das erste Hormon-Implantat zur Kontrazeption. Seit 15. Juni ist Implanon® (Nourypharma) mit dem Wirkstoff Etonogestrel in Deutschland erhältlich. Etonogestrel ist der aktive Metabolit von Desogestrel, das häufig in oralen Kontrazeptiva eingesetzt wird. Es leitet sich strukturell vom 19-Nortestosteron ab und bindet hoch affin an Gestagenrezeptoren. Etonogestrel wird hydroxyliert und reduziert und als freies Steroid oder Konjugat faekal oder renal ausgeschieden.
Das biologisch nicht abbaubare, 4 cm lange und 2 mm dicke Stäbchen enthält 68 mg des Gestagens. Es wird subcutan appliziert und auf Wunsch der Frau oder spätestens nach drei Jahren entfernt. Die Freisetzungsrate beträgt 60 bis 70 ?g/Tag in den sechs Wochen und sinkt bis zum Ende des dritten Jahres auf etwa 25 bis 30 ?g/Tag ab. Die erreichten Plasmakonzentrationen (nach drei Jahren 156 pg/ml) unterdrücken die Ovulation und verändern den Zervixschleim, so dass Spermien nicht mehr passieren können. Dies erhöht die kontrazeptive Sicherheit, da bei einigen Frauen im dritten Jahr seltene Ovulationen beobachtet wurden. In Studien trat bei insgesamt 59.800 Zyklen keine Schwangerschaft auf. Das entspricht einem Dreijahres-Pearl-Index von Null und ist besser als bei oralen Kontrazeptiva.
Das Implantat wird vom Arzt unter aseptischen Bedingungen flach unter die Haut am Oberarm geschoben und kann dort ertastet werden. Es wird entfernt durch einen kleinen Hautschnitt. Die Patientin muss wissen, dass sich unter Implanon® das Blutungsverhalten ändern kann. Bei jeder 4. bis 5. Frau bleibt die Blutung aus oder wird schwächer. Bei manchen Frauen wird sie stärker. Häufigste Nebenwirkungen waren in Studien Akne, Kopf- oder Brustschmerzen sowie Zunahme des Körpergewichts. Das Gestagen-Präparat ist kontraindiziert bei akuten venösen Thrombosen, Gestagen-abhängigen Tumoren, Schwangerschaft oder nicht geklärten Vaginalblutungen.
Seit September 1999 steht der monoklonale TNF-a-Antikörper Infliximab für Morbus-Crohn-Patienten zur Verfügung (Remicade® 100 mg; Essex Pharma; siehe PZ 40/99, Seite 60). Am 21. Juni erhielt der Wirkstoff die EMEA-Zulassung zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis in Kombination mit Methotrexat.
Die Dosierung ist mit 3 mg/kg Körpergewicht geringer als bei der Crohn-Therapie (5 mg/kg KG). Nach der Erstinfusion von 3 mg/kg (intravenös über zwei Stunden) folgen Infusionen nach zwei und sechs Wochen, danach alle acht Wochen. Treten die Symptome wieder auf, kann das Arzneimittel innerhalb von 14 Wochen erneut gegeben werden. Nach einer längeren Therapiepause darf Infliximab wegen der Gefahr von verzögerten Überempfindlichkeitsreaktionen nicht mehr infundiert werden.
Infliximab, ein chimärer Antikörper aus einem menschlichen IgG1-Anteil und einem Maus-Antikörper, bindet hochselektiv an den Tumornekrosefaktor TNF-a und hemmt dessen Aktivität. Der Antikörper reduziert die Infiltration von Entzündungszellen in den entzündeten Gelenken und die Expression von Mediatoren, die die zelluläre Adhäsion, die Chemotaxis und den Abbau von Gewebe vermitteln. In einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie mit 428 Patienten war die Kombination von Infliximab und Methotrexat der alleinigen Methotrexat-Gabe deutlich überlegen (gemessen an der Kriterien des American College of Rheumatology, ARC). Nach 30 Wochen waren die Symptome bei mehr als der Hälfte der Patienten aus der Kombi-Gruppe, aber nur bei 20 Prozent aus der Methotrexat-Gruppe signifikant reduziert (ACR 20). Eine höhergradige Besserung erlebten knapp 30 Prozent der Infliximab-Patienten gegenüber 5 Prozent aus der Methotrexat-Gruppe.
Die häufigsten Nebenwirkungen betreffen Atemwege, Haut und Hautanhangsgebilde. Häufigste Gründe für das Absetzen der Therapie waren Dyspnoe, Urtikaria und Kopfschmerzen.
Seit Juni vertreibt Aventis Pharma in der Bundesrepublik das lang wirksame Insulin glargin unter dem Handelsnamen Lantus®. Die Substanz wird biotechnologisch in Escherichia-coli-Stämmen hergestellt. In der A-Kette des synthetischen Insulins befindet sich an Position 21 die Aminosäure Glycin statt Asparaginsäure. Zudem hängen am Carboxyl-Ende der B-Kette zwei zusätzliche Argininreste (B31, B32). Ansonsten gleicht Insulin glargin dem Humaninsulin. Auf Grund der modifizierten Aminosäuresequenz hat die Substanz jedoch einen anderen isoelektrischen Punkt und löst sich kaum in neutralem Milieu.
Die Injektionslösung ist auf pH 4 eingestellt. Nach der Applikation neutralisiert sich die Zubereitung im Subkutangewebe, und es bilden sich Mikropigmente, aus denen Insulin konstant in geringen Mengen freigesetzt wird.
Insulin glargin besitzt eine ähnliche Affinität zum Insulinrezeptor wie Humaninsulin. In klinisch-pharmakologischen Studien zeigten die intravenös gegebene Substanz und Humaninsulin die gleiche Wirkstärke, wenn sie in gleichen Dosen verabreicht wurden. Das Wirkprofil von Lantus® verläuft jedoch gleichmäßig ohne Spitzen, und die Wirkdauer ist gegenüber dem intermediären NPH-Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin) deutlich verlängert.
Die Wirkung von Insulin glargin wurde in verschiedenen klinischen Studien mit der von
NPH-Insulin bei Typ-1- und -2-Diabetikern verglichen. Die Dosen wurden individuell
angepasst. Dabei senkte die neue Substanz sowohl die Nüchtern-Plasmaglucosewerte als auch
die HbA1C-Werte vergleichbar wie NPH-Insulin. Schwere nächtliche Hypoglykämien traten
jedoch unter Lantus® seltener auf..
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