Zeit rettet Herzgewebe |
26.03.2001 00:00 Uhr |
Die Behandlung des akuten Herzinfarkts erlaubt keine Kompromisse. Die Entwicklung einer Myokardnekrose ist deutlich zeitabhängig. Je früher die Infarktarterie revaskularisiert wird, desto besser ist das klinische Ergebnis. In diesen Tagen kommt TNK-t-PA (Tenecteplase, Metalyse®) in Deutschland auf den Markt, das nach Herstellerangaben erste Medikament zur Lysetherapie, das innerhalb von etwa zehn Sekunden als einmalige Bolusinjektion verabreicht werden kann.
Bislang konnte der Notarzt Fibrinolytika nur als komplexe Infusion geben. Der rekombinante Gewebeplasminogenaktivator rt-PA (Alteplase) erwies sich dabei als Goldstandard. Die Weiterentwicklung TNK-t-PA soll nun besser geeignet sein, um die lebensrettende Fibrinolyse schon im Rettungswagen oder rasch auf der Intensivstation einzuleiten.
TNK-T-PA ist eine durch Bio-Engineering hergestellte Variante von Alteplase, das wiederum eine mittels rekombinanter Verfahren hergestellte Version des natürlich vorkommenden Gewebe-Plasminogen-Aktivators t-PA ist. Die Aminosäuresequenz des t-PA-Moleküls wurde an drei Stellen (T, N, K) gentechnisch modifiziert. Boehringer Ingelheim hat Tenecteplase in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Unternehmen Genentech entwickelt. Der Aminosäureswitch an drei Stellen bringt Vorteile für die Wirkung mit sich: Er verlängert die Halbwertszeit um 22 Minuten, wodurch eine einfache Bolusgabe möglich wird. Er erhöht die Fibrinspezifität um das 14-fache im Vergleich zum natürlichen t-PA, was die Blutungsneigung senkt. Zudem erhöht er die Resistenz gegenüber dem Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI-1), einem Protein, das die aktivierende Wirkung eines Thrombolytikums blockieren kann.
Tenecteplase habe eine spezifische Resistenz gegen PAI-1, hieß es auf der Einführungspressekonferenz. Die Wirksamkeit habe man in klinischen Studien mit rund 17 000 Patienten überprüft. Die Substanz ist mit der üblichen Begleittherapie von Infarktpatienten kompatibel. Sie erwies sich bezüglich der Lyse von Blutgerinnseln in Koronararterien der Alteplase als ebenbürtig und senkte die 30-Tage-Mortalität wie Alteplase auf 6,2 Prozent. "Auch die Inzidenz intrakranieller Blutungen und Schlaganfall war bei beiden Substanzen gleich; sie betrug 0,93 Prozent beziehungsweise 0,94 Prozent", sagte der Studienleiter Professor Dr. Frans van de Werf von der Universitätsklinik Gasthuisberg in Leuven/Blegien. Aber: "Die Inzidenz nicht cerebraler Blutungen war bei den mit TNK-t-PA behandelten Patienten signifikant geringer im Vergleich zu den Patienten aus der mit rt-PA behandelten Vergleichsgruppe." Van de Werf machte die höhere Fibrinspezifität des neues Arzneistoffs für für die geringere Blutungsneigung verantwortlich.
Körpereigene Lyse forcieren
Alteplase und Tenecteplase sind Plasminogenaktivatoren, die Plasminogen
in Plasmin umwandeln. Plasmin wiederum baut Fibrin, einen wesentlichen
Bestandteil von Blutgerinnseln, in lösliche Spaltprodukte ab. Bei der
Gerinnung entsteht ein engmaschiches Fibrin-Netz, welches das Gerinnsel
zusammenhält. t-PA kommt physiolgisch nur in minimalen Konzentrationen im
Blut vor. Wo immer sich eine Thrombus bildet, stimuliert die Fibrinbildung
auch die Freisetzung von t-PA und führt zur Thrombolyse. Das hierbei
freigesetzte t-PA reicht jedoch bei größeren Blutgerinnseln nicht mehr
zur raschen Auflösung aus. Der therapeutische Einsatz von rt-PA überschreitet
die physiologischen Konzentrationen nahezu um den Faktor 1000.
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