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Dynorphin und Nociceptin, die Exoten an Opioidrezeptoren

21.10.2002  00:00 Uhr

DPhG-Jahrestagung

Dynorphin und Nociceptin, die Exoten an Opioidrezeptoren

Die Schmerz stillende Wirkung von Morphin kennen die Menschen seit Jahrtausenden. Relativ neu ist die Entdeckung körpereigener Opioide. Vor rund 25 Jahren wurden Enkephaline und Endorphine entdeckt.

Jüngstes Kind der Opioidfamilie ist Nociceptin. In die spannende Welt der endogenen Opioide und deren Rezeptoren entführte Professor Dr. Lars Terenius vom Karolinska Institut aus Stockholm. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden wichtige Morphin-Derivate und die ersten vollsynthetischen Verbindungen wie Pethidin und Methadon entdeckt. Nun folgte die Suche nach unterschiedlichen Rezeptorsubtypen, über die Opioide ihre vielfältigen Wirkungen entfalten. Man hoffte, auf diesem Weg Stoffe entwickeln zu können, die so stark analgetisch wie Morphin wirken, ohne süchtig zu machen - was bis heute nicht gelang.

Bisher konnte die Existenz von drei Rezeptorsubtypen zweifelsfrei bewiesen werden: µ, κ und δ. Sie werden heute als klassische Opiatrezeptoren angesehen. Enkephaline und Endorphine greifen an µ- und δ-Rezeptoren an und setzen unter anderem die Schmerzschwelle herauf. Als Liganden am κ-Subtyp wirken Dynorphine.

Als vierter Vertreter wurde ein »opioid receptor like«-Rezeptor (ORL-1) entdeckt, dem Mitte der neunziger Jahre das Heptadecapeptid Nociceptin als endogener Ligand zugeordnet werden konnte. Alle vier Subtypen gehören zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren.

Halluzinationen mit Salvinorin

Die Aktivierung von κ-Rezeptoren bewirkt nicht nur eine gute Analgesie, sondern löst zugleich starke Sedierung, Diurese, Dysphorie und psychische Störungen wie Halluzinationen aus. Die zentralen Nebenwirkungen verhinderten bislang den Einsatz reiner κ-Agonisten in der Therapie.

Nach einer aktuellen Hypothese könnten verschiedene Neurotransmitter und Neuropeptide an der Entstehung einer Schizophrenie beteiligt sein. Dies würde erklären, warum Opioidantagonisten wie Naloxon und Naltrexon psychische Symptome wie Halluzinationen günstig beeinflussen können, berichtete Terenius. Auf einen Zusammenhang zwischen κ-Rezeptoren und Psychosen deutet aus seiner Sicht auch die Wirkung von Salvinorin A hin.

Das Diterpen aus der Pflanze Salvia divinorum wirkt stark psychomimetisch und halluzinogen. Des Weiteren soll es mit diesem Rezeptorsubtyp interagieren. Als Droge wird die Pflanze geraucht, inhaliert oder auch gekaut. Einen Einsatz von κ-Antagonisten bei Schizophrenie kann sich der schwedische Forscher durchaus vorstellen.

Nociceptin verhindert Rückfälle

Große Hoffnung setzen Forscher und Pharmafirmen auf das endogene Peptid Nociceptin, das als Agonist am ORL-1-Rezeptor angreift. Wie bei den bekannten Opioidpeptiden werden durch Nociceptin Kaliumströme aktiviert und Calciumströme inaktiviert. Jedoch verstärkte die intrazerebroventrikuläre Injektion im Tierexperiment die Schmerzwahrnehmung, vermutlich durch Antagonisierung der vom µ-Rezeptor vermittelten Analgesie. Nociceptin kann sowohl die Stress- als auch die Opioid-induzierte Analgesie verhindern.

Umgekehrt kann es bei Entzug von Opioiden die Schmerzempfindung reduzieren, indem es die Hyperalgesie dämpft. Dieser Effekt kann möglicherweise zur Schmerzbehandlung bei Opioidentzug genutzt werden.

Das Peptid hat noch viele weitere interessante Eigenschaften. Es wirkt anxiolytisch und sedierend, ist an der Gedächtnisbildung und neuronalen Differenzierung beteiligt und hemmt bei Tieren die Futteraufnahme. Außerdem beeinflusst es die glatte Muskulatur etwa der Herzgefäße sowie Atemwege und Magen-Darm-Trakt. Nociceptin dämpft zudem die Ethanol-induzierte Aktivität im Gehirn und verhindert bei Tieren einen Alkohol-Rückfall, berichtete Terenius.

Derzeit arbeiten Forscher intensiv an nicht peptidischen Agonisten und Antagonisten am neuen Rezeptor. Systemisch anwendbare Synthetika könnten helfen, die vielfältigen Funktionen des ORL-Rezeptorsystems aufzuklären und neue, spezifisch wirksame Arzneistoffe zu entwickeln.

 

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