Pharmazie
Der Metabolit des Zweitgenerations-H1-Antihistaminikums Terfenadin
soll ab 1. Dezember die Therapie von Heuschnupfen- und Urticariapatienten
verträglicher gestalten. Zu diesem Datum kommt nämlich Fexofenadin, so
der INN-Name des Metaboliten, auf den deutschen Arzneimittelmarkt. In
den USA, Australien, Österreich und Großbritannien ist Fexofenadin bereits
im Handel, in den USA sogar verschreibungsfrei. Zugelassene Indikationen
sind saisonale allergische Rhinitis (SAR) und chronisch idiopathische
Urticaria. Die empfohlene Tagesdosis beträgt bei der Rhinitis 120mg, bei
der Urticaria 180mg, zu geben jeweils einmal täglich.
"Fexofenadin ist ein Präparat, das uns die Leber geschenkt hat". Dr. Thomas Höhler
von der Herstellerfirma Hoechst Marion Roussel spielte damit bei der
Einführungspressekonferenz am 14. November in Frankfurt auf den Ursprung des
Fexofenadins an, das bei der Metabolisierung von Terfenadin in der Leber entsteht.
Der einzige Strukturunterschied zur Muttersubstanz besteht in einer Säuregruppe
(-COOH), die die Methyl-Gruppe (-CH
3) des Terfenadins ersetzt hat. Durch diese
Änderung weist Fexofenadin, das in Deutschland als Telfast auf den Markt kommt,
offenbar die Nachteile seiner Vorläufersubstanz nicht mehr auf - allen voran die in
seltenen Fällen beobachteten unerwünschten Effekte auf Herz und
Reizleitungssystem.
Zur Erinnerung: Terfenadin wird über das Cytochrom-P450-System
verstoffwechselt; bei Interaktion mit Substanzen, die zeitgleich ebenfalls über dieses
Enzymsystem metabolisiert werden, kann es zu Auswirkungen auf den Ionenstrom
an den Membranen und damit zu den gelegentlich aufgetretenen
Herzrhythmusstörungen kommen, erklärte Professor Dr. Hans Merk aus Aachen.
Auch bei extremer Überdosierung von Terfenadin sei es gelegentlich zu solchen
Effekten gekommen.
Diese unliebsamen Nebenwirkungen scheinen bei dem Terfenadin-Metaboliten zu
fehlen. So entfällt die Interaktionsgefahr bei der Metabolisierung, da Fexofenadin
nicht über das Cytochrom P450-System verstoffwechselt wird: Es muß, da direkt
pharmakologisch aktiv, nicht erst in seine Wirkfom umgewandelt werden, und die
Ausscheidung erfolgt praktisch unverändert, zum größten Teil biliär (80 Prozent),
der überwiegende Rest renal.
Pharmakologie und Klinik von Fexofenadin
Höhler stellte die Ergebnisse aus klinischen Prüfungen mit dem neuen
H1-Rezeptor-Antagonisten vor. Die Substanz werde schnell und nahezu vollständig
resorbiert. Der Wirkeintritt erfolgt rasch, maximale Wirkstoffspiegel sind nach 1 bis
3 Stunden erreicht. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 60 bis 70 Prozent, die
Eliminationshalbwertszeit bei gut 14 Stunden, was die einmal tägliche Gabe von
Fexofenadin ermöglicht.
Auch bei mittleren bis schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen gebe es keine
Anwendungseinschränkungen, so Höhler, Dosisanpassungen seien nicht erforderlich.
Untersuchte Wechselwirkungen mit dem Makrolid-Antibiotikum Erythromycin und
dem Azol-Derivat Ketokonazol seien klinisch nicht relevant.
Einen Einfluß auf zentralnervöse Aktivitäten habe Fexofenadin in den Prüfungen nicht
gezeigt, so Köhler. Sowohl in vitro als auch im Tierversuch habe sich nur eine sehr
niedrige Affinität zu kardialen Kaliumkanälen ergeben. Dies scheinen die bislang
durchgeführten klinischen Untersuchungen zu bestätigen. Höhler bezog sich auf vier
placebokontrollierte, randomisierte Multizenterstudien mit über 3.000 Patienten in
den USA. In allen sei Fexofenadin bis hin zu hohen Dosen frei von QT-Einflüssen
gewesen.
Die unter Fexofenadin aufgetretenen Nebenwirkungen hätten keine Abhängigkeit
von der Dosierung gezeigt, berichtete er. Am häufigsten wurden Kopfschmerzen
(rund 8 Prozent) und Müdigkeit (rund 3 Prozent) beobachtet, gefolgt von
Erschöpfung und Schwindel. Eine Studie zur möglichen Beeinflussung der
Fahrtüchtigkeit sei bisher noch nicht veröffentlicht, Fexofenadin führe aber offenbar
nicht zu einer Steigerung der Alkoholeffekte. Momentan ist die Substanz für
Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt

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