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Pharmazie 2

30.10.2000  00:00 Uhr

NEU AUF DEM MARKT

Esomeparzol, Lercanidipin
und Trastuzumab

von Ulrich Brunner, Eschborn, und Brigitte M. Gensthaler, München

Drei neue Wirkstoffe ergänzen seit Oktober das Arzneimittelsortiment. Der Protonenpumpenblocker Esomeprazol ist das optisch reine Isomer des bekannten Omeprazols. Der Calciumantagonist Lercanidipin ähnelt strukturell seinem Vorgänger Nifedipin. Mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab steht bestimmten Brustkrebspatientinnen ab sofort ein völlig neues Therapieprinzip zur Verfügung.

Esomeprazol

Rund elf Jahre nach der Einführung des ersten Protonenpumpenblockers Omeprazol vertreibt AstraZeneca seit Mitte Oktober mit Nexium® mups magensaftresistente Tabletten, die nur das S-Enantiomer des Omeparzols enthalten; daraus leitet sich auch der INN-Name Esomeprazol ab.

Esomeprazol ist in der 20-mg-Dosierung entweder in der Langzeitbehandlung zur Rezidivprophylaxe bei Patienten mit geheilter Ösophagitis, zur symptomatischen Therapie eines gastroösophagalen Reflux oder zur Eradikation des Helicobacter pylori indiziert. Tabletten mit der doppelten Dosis können bei einer erosiven Refluxösophagitis gegeben werden.

Esomeprazol wird im Dünndarm resorbiert und gelangt von dort über die Blutbahn in den sekretorischen Kanal der Belegzellen der Magenschleimhaut. Dort bildet sich auf Grund der hohen Azidität aus dem Prodrug das wirksame Sulfenamid. Dieses bindet irreversibel an das Enzym H+/K+-ATPase und stoppt so den Transport von Protonen in das Magenlumen.

Sowohl das S- als auch das R-Enantiomer haben die gleiche pharmakodynamische Aktivität. Im Gegensatz dazu zeigen die beiden optischen Isomere deutliche Unterschiede im Metabolisums. Studien deuten darauf hin, dass das S-Enantiomer in der Leber wesentlich langsamer metabolisiert wird als die R-Form. Daraus resultiert eine zweifach höhere Fläche unter der Plasmakonzentration-Zeit-Kurve (AUC).

Der Hersteller AstraZeneca wirbt für sein neues Produkt mit höheren Heilungsraten bei gastroösophagalen Reflux und einer schnelleren Symptombefreiung. Hierzu beruft sich das Unternehmen auf die Daten verschiedener klinischer Studien. In einer randomisierten doppelblinden Multicenter-Studie erhielten 1960 Patienten mit Reflux-Ösophagitis über acht Wochen einmal täglich entweder 40 oder 20 mg Esomeprazol beziehungsweise 20 mg Omeprazol. In der achten Woche waren 94,1 Prozent der Patienten, die 40 mg Esomeprazol erhielten, und 89,9 Prozent aus der 20-mg-Esomeprazol-Gruppe geheilt. Unter 20 mg Omeprazol betrug die Heilungsrate 86,9 Prozent. Nach vier Wochen schnitt Esomeprazol in der 40-mg-Dosierung besser ab als 20 mg Omeprazol.

Eine andere Arbeit vergleicht die Effektivität einer einwöchigen Tripeltheapie (20 mg Esomeprazol, 1000 mg Amoxicillin und 500 mg Clarithromycin jeweils zweimal täglich) mit dem Standard bestehend aus 20 mg Omeprazol, 1000 mg Amoxicillin und 500 mg Clarithromycin zur Beseitigung des Bakteriums Helicobacter pylori. Die erste Gruppe erhielt nach den sieben Behandlungstagen über drei Wochen täglich einmal Placebo. Die Probanden der zweiten Gruppe schluckten statt dessen anschließend drei Wochen lang täglich 20 mg Omeprazol. Nach vier Wochen lag die Heilungsrate in beiden Gruppen bei über 90 Prozent.

Die momentane Datenlage spricht zwar für den neuen Protonenpumpenblocker. Dennoch stimmt nachdenklich, dass der Newcomer in allen Untersuchungen mit Refluxpatienten bislang nur mit niedriger dosiertem Omeprazol (20 mg) verglichen wurde. Es fehlt eine Studie, die 40 mg Omeprazol mit 40 mg Esomeprazol vergleicht. Die klinische Relevanz der Wirkungsunterschiede zwischen den niedrigeren Dosierungen (20 mg Esomeprazol versus 20 mg Omeprazol) ist zudem fraglich. Denn auch im bezug auf Wechselwirkungen und Nebenwirkungen bringt der neue Protonenpumpenblocker keine Vorteile.

Lercanidipin

Das spektakulärste am neuen Calciumantagonisten Lercanidipin dürften die Handelsnamen sein: Carmen® und Corifeo® (Berlin Chemie Menarini Group und UCB Pharma). Seit 1. Oktober gibt es die Arzneimittel zur Behandlung der leichten bis mittelschweren essenziellen Hypertonie in den deutschen Apotheken.

Lercanidipin ist ein Abkömmling des Nifedipins, hat aber am Dihydropyridin-Ring eine längere Seitenkette bestehend aus einem Biphenylpropylaminoalkyl-Rest. Die Substanz zählt neben Lacidipin und Amlodipin zur dritten Generation der Dihydropyridin-Derivate. Der lipophile Stoff verschwindet rasch aus dem Plasma (tmax 1,5 bis 3 Stunden) und reichert sich ähnlich wie Lacidipin in den Lipidmembranen der Zellen an. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt acht bis zehn Stunden, als Dosis werden einmal täglich 10 mg empfohlen. Die Wirkung setzt langsam ein und bleibt über 24 Stunden bestehen. Trotz vollständiger Resorption ist die absolute Bioverfügbarkeit auf Grund eines hohen First-pass-Effektes gering. Dieser Metabolismus scheint sättigbar zu sein. Der Calciumantagonist wird intensiv durch Cytochrom CYP 3A4 verstoffwechselt. In Interaktionsstudien beeinflusste er aber die Plasmaspiegel von Midazolam (typisches Substrat für CYP 3A4) oder Metoprolol (Substrat für CYP 2D6) nicht. Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe von CYP-3A4-Inhibitoren wie Azol-Antimykotika, Erythromycin oder Fluoxetin.

Die Blutdruck senkende Wirkung war in Studien mit der von Captopril, Atenolol oder Amlodipin. Die Verträglichkeit war meist gut; typische Nebenwirkungen lassen sich auf die gefäßerweiternde Wirkung der Calciumantagonisten zurückführen (Flush, peripheres Ödem, Palpitation, Tachykardie). Lercanidipin ist stoffwechselneutral. Es kann mit anderen Antihypertonika wie b-Blockern, ACE-Hemmern oder Diuretika kombiniert werden.

Trastuzumab

Ganz im Gegensatz zum Antihypertonikum kam mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab eine echte Innovation auf den deutschen Arzneimittelmarkt. Die von Roche unter dem Handelsnamen Herceptin® vertriebene Trockensubstanz zur Herstellung einer Infusionslösung enthält einen rekombinanten humanisierten IgG1- Antikörper, der sich gegen den menschlichen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2) richtet. Das Rezeptormolekül beschleunigt die Teilungsrate von Krebszellen und deren Ablösung vom Zellverband. Die Antikörper spüren die Rezeptoren an der Zelloberfläche auf, docken dort an und leiten die Zerstörung der Krebszelle durch das Immunsystem ein.

Trastuzumab eignet sich also nur für die Therapie von Brustkrebspatientinnen, deren metastasierende Tumoren das HER2-Protein überexprimieren. Dabei unterteilten die Zulassungsbehörden die Indikation nochmals in zwei Gruppen: Einerseits ist der Antikörper als Monotherapie indiziert, wenn zuvor mindestens zwei Chemotherapien mit mindestens einem Taxan und Anthrazyklin nicht ansprachen. Andererseits kann Herceptin® auch in Kombination mit Paclitaxel solchen Frauen verabreicht werden, die noch keine Chemotherapie erhalten haben und für die Anthrazykline ungeeignet sind.

HER2 wird in 25 bis 30 Prozent aller Mammakarzinome überexprimiert. Studien ergaben, dass diese Patientinnen eine deutlich kürzere krankheitsfreie Überlebenszeit haben. Vor der Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper muss unbedingt der HER2-Status bei den Patientinnen bestimmt werden.

In verschiedenen klinischen Studien testeten Wissenschaftler Trastuzumab sowohl als Monotherapie, wenn andere Wirkstoffe zuvor nicht angesprochen hatten, als auch zusammen mit Paclitaxel. In den Tumoren sämtlicher Patientinnen war HER2 mäßig bis stark überexprimiert (Status 3+). Die Kombination sprach im Mittel bei 49 Prozent, Paclitaxel alleine aber nur bei 17 Prozent der Patientinnen an. Ebenso betrug die mittlere Überlebenszeit in der Kombigruppe 24,8 gegenüber 17 Monaten in der Paclitaxel-Gruppe.

Auf eine Monotherapie mit Trastuzumab sprachen 18 Prozent der Patientinnen an. Hier betrug die mittlere Überlebenszeit 16,4 Monate.

Inzwischen liegen zahlreiche Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser neuen Behandlungsform vor. Neben infusionsbedingten Reaktionen wie Schüttelfrost, Fieber und lokalen Reizungen kam es vor allem zu kardiotoxischen Wirkung unter Trastuzumab. Daher ist vor allem bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz, Hypertonie oder Koronarer Herzkrankheit Vorsicht geboten. Ein EKG ist vor allem dann Pflicht, wenn die Patientinnen zuvor schon Anthrazykline oder Cyclophosphamid erhalten haben. Prinzipiell sollten nur Mediziner mit ausreichender Erfahrung mit dem Antikörper behandeln.

Trastuzumab erweitert das Therapiespektrum bei Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom. Die Gabe von Trastuzumab bedeutet besonders für solche Frauen eine neue Hoffnung, bei denen eine konventionelle Behandlung wegen der schlechten Prognose bislang aussichtslos war. Top

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