Pharmazie
Schon seit Jahren wird Ursodesoxycholsäure (UDC) bei der Behandlung
cholestatischer Lebererkrankungen eingesetzt. Erst jetzt aber ist es
gelungen, genau zu klären, auf welchem Wege UDC die Gallenbildung und
-sekretion fördert: Der Wirkstoff, selbst eine Gallensäure, greift in die
Signaltransduktionskette ein. Er bewirkt, daß vermehrt
Transportermoleküle in die kanalikuläre Membran eingebaut werden, was
die Bildung und Sekretion von Gallenflüssigkeit forciert.
Vor allem molekularen Forschungen ist es zu verdanken, daß man Therapieerfolge,
die mit UDC bei cholestatischen Lebererkrankungen wie der primär biliären
Zirrhose (PBC) und der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) erzielt werden,
nun besser versteht. Denn neuere Forschungsarbeiten haben nach Angaben von
Professor Dr. Dieter Häussinger aus Düsseldorf gezeigt, daß UDC direkt die
Signaltransduktion in den Hepatozyten beeinflußt, also genau an der Stelle Einfluß
nimmt, wo von außen kommende Reize in Reaktionen der Zelle umgesetzt werden.
Dieser Prozeß wird durch die Bindung eines Liganden an einen bestimmten Rezeptor
der Zelloberfläche eingeleitet. Die Bindung bewirkt eine Aktivierung von Proteinen,
und es setzt eine Kaskade von Phosphorylierungs- und Umlagerungsreaktionen ein.
Schließlich entstehen Botenmoleküle, welche in den Zellkern einwandern und dort
die Genregulation modulieren. "Sie können Gene aktivieren oder abschalten",
schilderte Häussinger den Ablauf der Signalvermittlung. Wachstums- und
Proliferationsprozesse können auf diesem Weg gesteuert werden, aber auch
Reparaturvorgänge oder eine Apoptose.
UDC sorgt dabei für den verstärkten Einbau von MAP-Kinasen, welche ihrerseits
den Einbau von Transportermolekülen in der kanalikulären Membran stimulieren.
Dadurch wird die Cholerese forciert, und es ist laut Häussinger nun klar, über
welche einzelnen Schritte UDC diesen Effekt bewirkt.
Empirisch war das Phänomen schon vor Jahren beobachtet worden, und UDC wird
bei cholestatischen Lebererkrankungen inzwischen routinemäßig eingesetzt. Es
lindert nicht nur die subjektiven Beschwerden der Patienten, sondern führt
gleichzeitig zu einer Besserung der Laborwerte und des histologischen Befundes.
"Die Zeit des transplantatfreien Überlebens wird deutlich verlängert", so Professor
Dr. Michael Manns aus Hannover bei der Freiburger Leberwoche der Falk
Foundation e. V.
Bei der primär sklerosierenden Cholangitis werden die besten Erfolge erzielt, wenn
UDC zusammen mit einer endoskopischen Dilatation angewandt wird. Parallel zur
medikamentösen Therapie werden, so Professor Dr. Adolf Stiehl aus Heidelberg,
dabei die Strukturen der Gallenwege aufgeweitet, eine Prozedur, die allerdings
mehrfach wiederholt werden muß. 60 Patienten hat der Mediziner nach diesem
Schema bereits behandelt, und das "mit gutem Erfolg", wie er sagt.
Die Bilirubinwerte sanken rasch ab und normalisierten sich meist innerhalb eines
halben Jahres. Insgesamt resultierte eine hochsignifikante Verbesserung der
transplantatfreien Überlebensrate, und die Mediziner gehen - wie in Freiburg deutlich
wurde - mehr und mehr dazu über, von einer frühzeitigen Transplantation Abstand zu
nehmen. Sinnvoller scheint dagegen eine aggressive endoskopische Behandlung,
kombiniert mit der prophylaktischen Gabe von UDC.
Daß eine hochdosierte UDC-Behandlung Vorteile hat, wurde auch bei Patienten mit
primär biliärer Zirrhose gezeigt. So stellte Dr. Roger Chapman aus Oxford eine
Untersuchung vor, bei der 26 Patienten zwei Jahre mit UDC in einer Dosis von 20
mg/kg Körpergewicht/Tag behandelt wurden. Das Resultat: Sowohl die alkalische
Phosphatase wie auch die Gamma-GT wurden ebenso wie der histologische Befund
deutlich gebessert. In circa 40 Prozent der Fälle wurde sogar eine Zurückstufung
des Krankheitsstadiums erwirkt.
PZ-Artikel von Christine Vetter, Freiburg


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