Pharmazie
Was den hormonell bedingten Haarausfall betrifft, stand der Apotheker
in der Selbstmedikation bisher mit leeren Händen da. Dabei ist die
androgenetische Alopezie eine der häufigsten Formen des Haarausfalls.
Aus genetischen Gründen reagiert der Haarfollikel hypersensibel auf den biologisch
aktiveren Metaboliten des Testosterons, das Dihydrotestosteron. Langfristig führt
dies zu einer Miniaturisierung des Haarfollikels, was mit einer Verkürzung des
Haarzyklus einhergeht. Typisch für diese Form des Haarausfalls sind
Geheimratsecken. Frauen macht das Dihydrotestosteron bei hormonellen
Umstellungen in Schwangerschaft, Menopause oder bei Pillenkarenz zu schaffen.
Seit 1. Oktober 1997 gibt es eine verschreibungsfreie 17-alpha-Estradiol-haltige
Tinktur (Ell-Cranell alpha) in einer Konzentration von 0,025 Prozent.
17-alpha-Estradiol hemmt die 5-alpha-Reduktase und senkt dadurch lokal den
Dihydrotestosteronspiegel. Das bisherige gleichnamige Produkt mit geringerem
17-alpha-Estradiol-Anteil (15 mg) und 10 mg Dexamthason ist jedoch weiterhin als
rezeptpflichtiges Arzneimittel auf dem Markt verfügbar. Die neue hormonhaltige
Haartinktur erweitert zwar die therapeutischen Möglichkeiten, jedoch sollte im
Beratungsgespräch unbedingt abgeklärt werden, ob der Haarausfall tatsächlich
hormonell bedingt sein könnte.
In Estrogen-haltigen Haartinkturen gibt man dem 17-alpha-Derivat den Vorzug, weil
es im Gegensatz zum natürlichen beta-Estradiol kaum Einfluß auf die Sexualfunktion
hat. Wegen seiner minimalen systemischen Potenz kann es auch bei Männern
empfohlen werden.
Haarwachstum und die Menge der abgestoßenen Haare werden durch den
Haarzyklus bestimmt. Bei gesundem Haar befinden sich mehr als 80 Prozent der
Haare in der Wachstums- oder Anagenphase und weniger als 20 Prozent in der
Ruhe- oder Telogenphase. Die verbleibenden wenigen Prozent machen eine
Übergangsphase durch. Dieses stabile Gleichgewicht ist beim Haarausfall gestört:
Eine Trichogramm-Untersuchung (Haarwurzelanalyse unter dem Mikroskop) ergibt,
daß der Anagenanteil deutlich unter 80 Prozent liegt. Die Haare wechseln früher in
die Telogenphase. Die Haarzyklen verlaufen somit immer schneller, bis der
Haarfollikel sein Potential, neues Haar zu bilden, erschöpft hat. Die Folge: Die Haare
lichten sich.
In einer placebokontrollierten Studie an der Universität Erlangen testete man über
einen Zeitraum von 12 Monaten eine 0,025prozentige 17-alpha-Estradiol-haltige
Lösung bei 96 männlichen und weiblichen Personen, die unter androgenetischer
Alopezie litten. Zu Beginn der Studie lag bei allen Probanden der Anteil der
Anagenhaare unter 80 Prozent.
Nach einjähriger Behandlungsdauer verzeichnete die Verumgruppe bei den
Trichogramm-Untersuchungen einen signifikanten Anstieg auf etwa 85 Prozent.
Insgesamt nahm der Anagenhaaranteil um circa 17 Prozent zu. In der
Placebogruppe nahm die Anagenhaarrate dagegen nur um nicht signifikante 4,1
Prozent zu. Der subjektive Eindruck der Probanden unterstützte das
Studienergebnis. 70 Prozent der Verumpatienten registrierten subjektiv einen
Rückgang ihres Leidens; in der Placebogruppe taten dies nur 40 Prozent.
Beratungshinweis: Behandlungserfolge stellen sich frühestens nach drei bis sechs
Monaten ein. Darüber sollten der Patient beim Kauf der ersten Packung aufgeklärt
werden.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Oberursel

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