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Neuer Therapieansatz bei Migräne

24.05.2004  00:00 Uhr

Neuer Therapieansatz bei Migräne

von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden

Durch die Blockade eines Neurotransmitters des Trigeminusnervs lassen sich Migräne-Attacken mithilfe von CGRP-Antagonisten beenden. Dies belegte eine internationale Studie mit der Substanz BIBN 4096 BS . Wegen ihrer fehlenden Wirkung auf Koronargefäße könnte die neue Substanzklasse den Triptanen überlegen sein.

Die Studie, die an 16 Zentren in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien durchgeführt wurde, basiert auf den bislang gewonnenen Kenntnissen zur Pathophysiologie der Migräne. An ihrer Entstehung ist eine Stimulation des vegetativen Nervensystems beteiligt. Wird beim Migräne-Patienten eine kritische Schwelle überschritten, kommt es zur Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Diese bewirken im Herz-Kreislaufsystem unter anderem eine Gefäßverengung, Blutdrucksteigerung, sowie einen Anstieg des Herzschlags. Auf der anderen Seite kommt es im Gehirn zur Verengung arterieller Gefäße und damit zu einer geringeren Durchblutung. Diese Vorgänge lösen eine Gegenreaktion aus. Spezielle, in den Neuronen gespeicherte Neurotransmitter werden freigesetzt, infolgedessen sich die Hirnarterien wieder erweitern und die Durchblutung der Hirnrinde ansteigt.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Aktivierung der Fortsätze des Nervus Trigeminus im perivaskulären Gewebe zu. Diese Nerven setzen einen Neurotransmitter mit der Bezeichnung “neuropeptide calcitonin gene-related peptide (CGRP)” frei. Zum einen erweitert dieser die Blutgefäße im Gehirn und verändert so den Blutfluss im Kopf. Zum anderen aktiviert er bestimmte Entzündungszellen in den Hirnhäuten und macht die Wände der dort befindlichen Blutgefäße für Entzündungssubstanzen durchlässiger. Ist der Kopfschmerz einmal entstanden, sorgt CGRP zudem dafür, dass die Schmerzinformation an das Gehirn weitergeleitet wird. Ein Antagonist, der diese drei Wirkungen blockiert, sollte den Migräneschmerz verhindern können, indem er den Blutfluss in den Meningen senkt, die neurogene Entzündung blockiert und die Schmerzweiterleitung hemmt.

Möglicherweise Triptanen überlegen

Die Forschergruppe um Jes Olesen von der Universität Kopenhagen konnte jetzt erstmals zeigen, dass der CGRP-Antagonist BIBN 4096 BS diese gewünschten Eigenschaften hat. An der internationalen, multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie nahmen 126 Patienten mit Migräne teil, deren mittelschwere bis schwere Attacke noch keine sechs Stunden angehalten hatte und Anzeichen einer spontanen Besserung noch nicht vorhanden waren. Sie erhielten entweder intravenös den Wirkstoff BIBN 4096 BS in einer Dosis von 0,25, 0,5, 1, 2,5, 5 oder 10 mg oder Placebo. Als kleinste wirksame Dosis wurde die 2,5-mg-Dosis BIBN 4096 BS gewählt, mit einer Ansprechrate von 66 Prozent im Vergleich zu 27 Prozent unter Placebo (p = 0,001). Insgesamt betrug die Ansprechrate für BIBN 4096 BS 60 Prozent. Eine signifikante Überlegenheit wurde auch im Hinblick auf die meisten sekundären Endpunkte beobachtet wie Schmerzfreiheit nach zwei Stunden, anhaltende Wirkung über einen Zeitraum von 24 Stunden; Wiederauftreten der Kopfschmerzen, Besserung bei Übelkeit, Photophobie, Phonophobie und funktionaler Kapazität sowie die Zeit bis zu einer substanziellen Linderung der Symptome. Die Wirkung setzte nach 30 Minuten ein und verstärkte sich über die folgenden Stunden noch. Die Gesamtrate unerwünschter Ereignisse lag bei 25 Prozent bei der 2,5-mg-Dosis und bei 20 Prozent für die BIBN 4096 BS-Gruppe insgesamt, verglichen mit 12 Prozent für Placebo. Die häufigste Nebenwirkung war Parästhesie. Es gab keine schwer wiegenden unerwünschten Ereignisse.

Die “Proof of Principle”-Studie beweist nach Ansicht von Paul Durham von der Southwest Missouri State University in Springfield erstmals, dass CGRP-Antagonisten ein wirksamer Therapieansatz sind (NEJM 350 [2004] 1073 - 1075). Die Wirkung könnte ebenso stark sein wie die der Triptane, was aber noch durch einen direkten Vergleich zu belegen sei. Besonders viel versprechend erscheint dem Experten, dass die CGRP-Antagonisten möglicherweise frei von vasokonstriktorischen Nebenwirkungen sind. Sie könnten deshalb auch bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen eingesetzt werden, bei denen Triptane kontraindiziert sind. Auch dies müsste jedoch noch in einer größeren randomisierten klinischen Studie belegt werden.

Quelle: NEJM 350 (2004) 1104 - 1100.

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