Pharmazie

Organische Nitrate haben seit vielen Jahren einen festen Platz in der
Behandlung koronarer Herzkrankheiten. Innerhalb der Stoffklasse gibt es
Abweichungen bei Ort, Stärke und Dauer der Wirkung. Eine Sonderstellung
nimmt Pentaerythrityltetranitrat (PETN) ein. Pharmakologische und
klinische Aspekte der PETN-Wirkung waren Themen eines
Expertentreffens in Dresden.
PETN wurde 1901 erstmals synthetisiert und ursprünglich als Sprengstoff genutzt.
Chemisch ist es ein Polyester der Salpetersäure mit dem Alkohol Pentaerythritol. In
den 50er und 60er Jahren verwendeten Mediziner in den skandinavischen Ländern,
in Frankreich und den USA die Substanz zur Behandlung von Angina pectoris und
Herzinsuffizienz.
1964 wurde PETN in der ehemaligen DDR als Pentalong® 50 mg/80 mg eingeführt.
Bis 1989 stand es als einziges Langzeitpräparat zur Behandlung der genannten
Krankheiten zur Verfügung. Im Aufbau gleicht es den ebenfalls therapeutisch
genutzten organischen Nitraten Glycerol-Trinitrat (GTN), Isosorbid-Dinitrat (ISDN)
und Isosorbid-5-Mononitrat (IS-5-N).
Aufgrund seiner ausgeprägten Lipophilie gehört PETN zu den organischen Nitraten
mit einer starken pharmakodynamischen Wirkung. Im Verlauf der
Verstoffwechslung entstehen Metabolite mit geringerer Lipophilie und größerer
Halbwertzeit.
Wirkmechanismen
Als eigentlicher Wirkstoff wird aus PETN und seinen Metaboliten durch
Bioaktivierung Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt. Exogen zugeführt, substitutiert es
die gestörte NO-Produktion des Endothels der koronaren Gefäße und bewirkt eine
Relaxation. In diesem Punkt unterscheidet sich PETN nicht von ähnlichen
chemischen Verbindungen.
Abweichungen gibt es bei Begleiterscheinungen der Therapie. Im Gegensatz zu
anderen organischen Nitraten konnte auch bei langfristiger Einnahme von PETN
keine Toleranzentwicklung beobachtet werden. Diese Tatsache kann nach Auskunft
von Professor Dr. Eberhard Bassenge aus Freiburg damit zusammenhängen, daß
PETN nicht die Bildung schädlicher Sauerstoffradikale in den Gefäßwandzellen
provoziert. Daraus resultiere keine oxidative Schädigung der Zellen, welche
ihrerseits die Toleranzentwicklung induzieren und atherosklerotischen Prozessen
Vorschub leisten könne. Der Wirkstoff besitze möglicherweise selbst antioxidative
Eigenschaften, er klärte Bassenge
Reduktion der Infarktgröße
Privatdozent Georg Kojda aus Düsseldorf nannte einen weiteren Grund für die
Sonderstellung des PETN. In Tierexperimenten konnte ein Rückgang der Größe
atherosklerotischer Läsionen nachgewiesen werden. Gleichzeitig sei es zur
Rückbildung der endothelialen Dysfunktion gekommen. Diese Beobachtungen
belegen nach Auskunft Kojdas antiatherosklerotische und gefäßprotektive
Eigenschaften des PETN, die möglicherweise ebenfalls auf antioxidative Effekte
zurückzuführen sind.
In weiteren Forschungsarbeiten konnte die direkte antiischämische Wirkung und eine
damit verbundene Reduktion der Infarktgröße durch PETN nachgewiesen werden.
In einer noch nicht abgeschlossenen randomisierten Doppelblindstudie wird die
Wirkung auf Postinfarktpatienten geprüft. Weitere Studien untersuchen protektive
Effekte auf das Endothel und die Wirksamkeit bei einmal täglicher Gabe von 150
beziehungsweise 200 Milligramm PETN.
PZ-Artikel von Gisela Dietz, Dresden



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