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Krebspatienten brauchen pharmazeutische Unterstützung

05.02.2001  00:00 Uhr

ZYTOSTATIKA-WORKSHOP

Krebspatienten brauchen pharmazeutische Unterstützung

von Christiane Berg, Hamburg

Auf die Bedeutung der pharmazeutischen Betreuung von onkologischen Patienten verwies Michael Höckel, Kassel, beim Norddeutschen Zytostatikaworkshop vom 26. bis 28. Januar in Hamburg. Der Apotheker spiele nicht nur bei der Förderung von Therapie- und Betreuungszielen eine große Rolle, er könne auch mit begleitenden Gesprächen unter Zuhilfenahme von Patienten- und Kundenkarten oder Medikationsprofilen therapiebezogene Probleme erkennen und so die Compliance verbessern.

Neben der Beratung über Sinn und Zweck von Chemotherapie und Begleitmedikation, stärke der Apotheker durch adäquate Informationen über bestehende oder zu erwartende Nebenwirkungen die Lebensqualität und Motivation des Patienten. Als allgemeine Nebenwirkungen schilderte Höckel Knochenmark- und Immunsuppression, Übelkeit und Erbrechen, Appetitverlust, Schleimhautstörungen mit der Folge von Durchfall, Ulcera, Entzündungen der Mundschleimhaut, Amenorrhöe, Alopezie sowie allergische Reaktionen und Hautausschläge.

Gerade die Stomatitis, die bei entsprechender Beratung nicht auftreten müsse, könne eine Eintrittspforte für Erreger sein und werde häufig durch Pilzbefall verkompliziert. Empfehlenswert sei es in diesem Fall, mit desinfizierenden Lösungen wie zum Beispiel Betaisodona®-Mundspülung, Chlorhexidinlösung oder zusätzlich gegebenenfalls mit Kamille oder Salvysat® zu gurgeln. Der Apotheker sollte seien Patient empfehlen, Alkohol und Nikotin während der Chemotherapie oder Bestrahlung zu meiden. Hilfreich sei es zudem, die Zähne möglichst mit einer weichen Bürste nach jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen zu putzen.

Infos zur Lebensführung erwünscht

Empfehlenswert sei es, regelmäßig die Mundhöhle zu inspizieren und Belägen mit Antimykotika wie Amphotericin-B-Lösung oder Fluconazol zu behandeln. Bei Herpesinfektionen empfahl Höckel Aciclovir.

Patienten sollten in diesem Fall möglichst säurearme, weiche und pürierte Kost essen, empfahl Höckel. Zu erwägen sei die Gabe von "Astronautenkost" beziehungsweise bei massiver Stomatitis oder Ösophagitis eine vorübergehende parenterale Ernährung.

Schmerzen, auch Schluckbeschwerden, lassen sich durch flüssige Oberflächenanästhetika wie zum Beispiel Oxetacain oder Benzocain stillen. Ganz wichtig für den Patienten seien adäquate Informationen zu Alopezie beziehungsweise zum Fatigue-Syndrom. Haarausfall sei beispielsweise keine zwingende Folge einer Chemotherapie.

Emotionale Kompetenz

Laut Höckel sollte der Apotheker in der pharmazeutischen Betreuung onkologischer Patienten emotionale Kompetenzen entwickeln, die im Pharmaziestudium nicht vermittelt und somit "nachgeholt" werden müssen. In den einzelnen Phasen der Krebserkrankung erwarte der Patient professionellen Rat und Hilfe auch von der Apotheke, so der Referent. Durch die Diagnose Krebs stürzten Betroffene schockartig aus ihrer normalen Welt. Sowohl in der beginnenden Auseinandersetzung mit der Krankheit nach der Diagnose als auch in Phasen des eventuellen Fortschreitens oder der Palliativtherapie von Krebsleiden brauche der Patient Unterstützung.

Der Fachapotheker für Offizinpharmazie forderte von seinen Kollegen "Professionalität in der Entfaltung von Dienstleistungen" und verwies auf den gesellschaftlichen Auftrag, dem die Apotheke in dieser Hinsicht nicht zuletzt auch durch gesetzliche Vorgaben unterliegt. Der gesellschaftliche Nutzen pharmazeutischer Dienstleistungen müsse bewiesen und diese für den Patienten "erfahrbar" gemacht werden.

 

Kommentar: Feingefühl und Gestaltungskraft Es gibt kaum einen Bereich in unserem Leben, der einer radikaleren Veränderung der Sichtweise bedarf als der Umgang mit Krankheit und Schmerz. Dass eine grundlegende Änderung im Denken bereits eingeleitet wurde, demonstrierte sehr eindrucksvoll der Norddeutsche Zytostatika-Workshop (NZW).

Dieser widmete sich nicht nur der reinen Lehre zur Herstellung, Wirkung und Qualitätssicherung von Zytostatika als Symbol für die Technisierung der Therapie, mit deren Hilfe die Medizin versucht der Konfrontation mit Fragen zum Sinn von Leben und Sterben auszuweichen. Er war ganz eindringlich auf das körperliche und psychische Wohlbefinden des Kranken ausgerichtet. Die Nähe zum Patienten war während des gesamten Kongresses zu spüren.

Das Wissen um die große Verpflichtung von Ärzten und Apothekern, Menschen in schwerer Not auch seelisch stets aufs Neue gerecht zu werden, zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Diese scheute sich nicht, auch ungewöhnliche Themen wie "Heilung und Heil - Beispiele einer gelingenden Begleitung und misslungener Behandlung im Kontext von Religiosität" oder das "Plädoyer" einer Patientin für mehr Zuwendung und Mitgefühl aufzugreifen.

Es steht für das große Gespür der Organisatoren für gesellschaftliche Entwicklungen, der Lesung aus dem Buch "Der Knoten über meinem Herzen" von Ursula Goldmann-Posch Zeit und Raum zu geben und auf dem NZW eben jene Fragen anzuschneiden, die in diesem Zusammenhang aufzugreifen vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Des Weiteren hervorgehoben werden muss das Bemühen der Veranstalter um Stärkung der Kooperation von Offizin- und Krankenhausapothekern durch zahlreiche Seminare und Kurzvorträge, die eben diese Zusammenarbeit fördern. Ein Bemühen übrigens, das Anerkennung bereits durch die zunehmende Zahl von Offizinapothekern findet, die den NZW besuchen. Die Zukunft verlangt ein hohes Maß nicht nur an Feingefühl, sondern auch an Gestaltungskraft. Beides hat der NZW einmal mehr gezeigt.

Christiane Berg, Hamburg

 

Mehr über den Norddeutschen Zytostatika-Workshop: 

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