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Neurodermitis-Diät nicht ohne geeignete Diagnostik

01.07.2002  00:00 Uhr

PZ-Akademie

Neurodermitis-Diät nicht ohne geeignete Diagnostik

Der Aufklärungsbedarf bei Nahrungsmittelallergien ist groß: Viele halten eine Diät, weil sie oder ihre Eltern fälschlicherweise glauben, dass bestimmte Nahrungsmittel den Hautzustand beeinflussen. "Völlig sinnlos erhöht sich dadurch der Leidensdruck", sagte Claudia Schwandt, Ernährungswissenschaftlerin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München.

Unter diesen selbst auferlegten Diäten entwickeln die Betroffenen zudem häufig Mangelzustände. Bei Kindern kann dies zu Wachstumsstörungen führen. Bei einer atopischen Dermatitis spielen die Nahrungsmittel nur eine Rolle von vielen. Nicht bei jedem Kind sind Nahrungsmittel an der Entstehung einer Neurodermitis beteiligt, stellte Schwandt klar. Im Gegenteil: Der Einfluss von Nahrungsmitteln wird allgemein überschätzt.

Pauschale Neurodermitis-Diäten verurteilte die Ernährungswissenschaftlerin als unverantwortlich. So habe eine zuckerfreie Diät keinen positiven Einfluss auf den Hautzustand bei Kindern mit atopischer Dermatitis und sei als generelle therapeutische Maßnahme daher nicht gerechtfertigt, so Schwandt. Die Rolle der Ernährung muss individuell geklärt werden und eine Diät - falls nötig - auf den Patienten zugeschnitten sein, sagte die Ernährungswissenschaftlerin.

Tatsächlich spielen Nahrungsmittel bei etwa einem Drittel der Kleinkinder mit schwerer bis mittelschwerer Neurodermitis eine Rolle. 90 Prozent dieser Kinder reagieren auf ein bis zwei Nahrungsmittelallergene (Milch, Hühnerei, Erdnuss, Soja, Weizen). Meist sind es Allergien auf Grundnahrungsmittel. Ihren Höhepunkt haben sowohl Nahrungsmittelallergien als auch das atopische Ekzem im zweiten Lebensjahr. "Bei der Einschulung sind 60 bis 80 Prozent der Nahrungsmittelallergien verschwunden", so Schwandt.

 

Pseudoallergien Bei Pseudoallergien handelt es sich wie bei den Nahrungsmittelallergien um Unverträglichkeitsreaktionen. Pseudoallergene wirken jedoch nicht über immunologische Komponenten wie IgE-Antikörper oder andere Botenstoffe. Sie regen die Mastzellen direkt zur Ausschüttung von Botenstoffen an, die eine Entzündung hervorrufen. Im Unterschied zu den Allergien, die frühestens beim zweiten Kontakt mit dem Allergen auftreten können, reagiert der Körper auf Pseudoallergene sofort. Zudem ist die Wirkung dosisabhängig. Welche Mechanismen einer pseudoallergischen Reaktion zu Grunde liegen, ist bislang nur teilweise bekannt. Zu den Pseudoallergenen gehören Zusatzstoffe wie Farbstoffe und Konservierungsstoffe sowie natürliche vorkommende Stoffe, zum Beispiel Salicylsäure, biogene Amine und Aromastoffe. Pseudoallergien sind insgesamt relativ selten. So leidet nur etwa 1 Prozent aller Neurodermitiker unter einer Pseudoallergie.

 

Im Gegensatz zu Kindern reagieren Erwachsene nur selten auf Grundnahrungsmittel. Bei ihnen spielen pollenassoziierte Allergene häufiger eine Rolle. Welchen Stellenwert Pseudoallergien (siehe Kasten) einnehmen, ist bisher weder bei Erwachsenen noch bei Kindern geklärt.

Die Diagnose einer Nahrungsmittelunverträglichkeit sollte nie ausschließlich auf einem Prick-Test oder der Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper beruhen. Denn etwa 25 bis 35 Prozent dieser Ergebnisse sind nicht klinisch relevant, betonte Schwandt. Die getesteten Personen zeigen in den Tests zwar eine Immunreaktion, diese ist jedoch gar nicht verantwortlich für die Symptome, unter denen die Patienten leiden. Diese Allergene zu meiden bringt ihnen keinen Vorteil. Nicht zuletzt sind die Tests für Aussagen über Pseudoallergien ungeeignet.

Bei Verdacht auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten steht zunächst eine Anamnese an. Sie ist der erste und wichtigste Mosaikstein der Diagnostik, sagte Schwandt. Allerdings gestaltet sie sich schwierig bei versteckten Allergenen und Spätreaktionen. Bei Pseudoallergien ist die Anamnese auf Grund der fehlenden Immunantwort besonders wichtig.

Nach der Anamnese-Erhebung fordert Schwandt die Patienten auf, ein Symptom- und Ernährungstagebuch zu führen. Dabei wird über die Menge und den Zeitpunkt der aufgenommenen Lebensmittel sowie das Auftreten der Symptome Protokoll geführt. Etiketten und Zutatenlisten aufzubewahren erleichtert die anschließende Auswertung. Erst danach stehen Haut- und Bluttests an. Anschließend konzentriert sich oft der Verdacht auf eines oder einige wenige Nahrungsmittel. Erst hier kommt die diagnostische Diät ins Spiel. Zunächst wird dabei das im Verdacht stehende Nahrungsmittel weggelassen und beobachtet, ob sich die Haut bessert (Eliminationsdiät).

Bessert sich das Hautbild daraufhin nicht, gibt es auch keinen Grund für eine Diät, sagte Schwandt. Lindert die Diät die Symptome, wird die Wirkung des Nahrungsmittels anschließend im Provokationstest untersucht. Dabei werden dem Betroffenen unter definierten Bedingungen doppelblind und placebokontrolliert relevante Mengen Allergen zugeführt. Reagiert der Patient eindeutig auf die Allergengabe, so sollte er tatsächlich das Nahrungsmittel meiden. Reagiert er nicht, gibt es dafür keinen Grund, informierte die Referentin.

Liegt eine Unverträglichkeit vor, so bespricht sie die individuelle Zusammenstellung der therapeutischen Diät, weist auf Ersatzprodukte hin, erarbeitet mit Eltern oder Patienten eine praktikable Umsetzung und empfiehlt einen bedarfsgerechten Ersatz der Inhaltsstoffe, zum Beispiel von Calcium bei einer kuhmilchfreien Ernährung. Die Diät sollte ein bis zwei Jahre eingehalten werden, dann stehen neue Tests an, da sich die Allergie oft im Laufe dieser Zeit verliert. Pseudoallergien können schon nach einem halben Jahr verschwinden.

 

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