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Kombianalgetika: Keine neuen Erkenntnisse

15.12.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Kombianalgetika: Keine neuen Erkenntnisse

Ende September beschäftigte sich ein Satellitensymposium im Rahmen des Kopfschmerzkongresses in Berlin mit dem Thema "Kombinationsanalgetika in der Selbstmedikation des Kopfschmerzes". Absicht war es, eine Standortbestimmung vorzunehmen, um die Frage zu beantworten: Ist der Antrag des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), coffeinhaltige Kombinationsanalegtika unter die Verschreibungspflicht zu stellen, berechtigt?

Am 20. Januar 1998 soll der Sachverständigenausschuß für Verschreibungspflicht darüber befinden, der 1994 bereits einen gleichlautenden Antrag abgelehnt hatte. Fazit des Satellitensymposiums: Seit 1994 gibt es keine neuen Erkenntnisse, die die Risikobewertung der coffeinhaltigen Kombinationsanalgetika verändern könnten.

Aus der Sicht eines niedergelassenen Arztes kommentierte Dr. Jan-Peter Jansen, Berlin, den BfArM-Antrag, daß in seiner eigenen Sprechstunde die vom Amt geschilderten Probleme mit den coffeinhaltigen Kombinationsanalgetika, wie Sucht und Nephrotoxizität, keine Rolle spielten. Eine Befragung von 6000 Berliner Schülerinnen und Schülern habe keinen Hinweis für einen gehäuften unsachgemäßen Einsatz dieser Analgetika geliefert. Auch eine Umfrage in 20 deutschen Schmerzkliniken nach ihren Erfahrungen mit Kopfschmerzpatienten ergab kein Gefahrenpotential, das von den "Kombis" ausgehen könnte. Aus seiner eigenen Praxis konnte Jansen nur einen nicht sachgemäßen Gebrauch von Ergotaminen feststellen. Er empfahl eine Studie, um grundlegende Vorurteile, die sich nach seiner Meinung fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum finden lassen, mit wissenschaftlichen Methoden zu hinterfragen.

Als Kritiker und Fürsprecher gegen die Anwendung von Mischpräparaten bei Kopfschmerzen erwies sich in Berlin Professor Dr. Hans Christoph Diener, Essen. Er begründete seine Einstellung damit, daß
  • es nur wenige Studien gebe, die belegen, daß die Kombination zweier Analgetika wirksamer sei als die Monosubstanz;
  • Coffein zwar die Wirkung von Analgetika leicht verstärken, eine Tasse Kaffee allerdings den gleichen Effekt mit mehr Genuß erzeugen würde;
  • Coffein Schlafstörungen verursache;
  • Coffein als psychotrope Substanz bei Absetzen nach längerem Gebrauch zu Kopfschmerzen führe;
  • nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung ein Medikament mit drei Komponenten häufiger Nebenwirkungen hervorrufe als eine Monosubstanz.

Diener räumte allerdings ein, daß die verschreibungspflichtigen Kombinationsanalgetika mit Codein mehr Sucht und Nebenwirkungen zeigen würden, und daß die Verschreibungspflicht nicht unbedingt als Schutz für den Patienten interpretiert werden könnte: "Die Patienten sind viel vernünftiger als das Verschreibungsverhalten mancher Ärzte!" Außerdem sei eine fundierte Beratung und Aufklärung der Bevölkerung besser als gesetzliche Regelungen.

Professor Dr. Dr. Johannes M. Fox, Frankfurt, warnte davor, mit der erneuten Diskussion über die Verschreibungspflicht coffeinhaltiger Analgetika, die Bundesrepublik Deutschland zum "Nachtwächterstaat" zu machen. Bei nur drei Prozent der Anwender könne ein Mißbrauch registriert werden. Hier sollten die Apotheken die Aufklärungspflicht übernehmen. Die Apothekerinnen und Apotheker müßten wissen, daß zum Beispiel durch Mißbrauch von Analgetika ein Kopfschmerz induziert werden könnte. Bezugnehmend auf den Antrag des BfArM sagte er, daß Thesen, wie "Kombis seien nephrotoxischer als Monos" und "Coffein steigere die Analgetikasucht", nicht durch Wiederholungen richtiger würden. Die Analgetikaniere sei eindeutig eine Phenacetinniere. Außerdem gebe es keine wissenschaftlichen Daten, die belegen könnten, daß eine definierte Abhängigkeit durch coffeinhaltige Analgetika verursacht werde. Außerdem verschwiegen die Gegner der Mischanalgetika immer, daß Monos auch Nephrotoxizität entwickeln.

Schließlich versucht Professor Dr. Gunther Haag, Elztal, Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), die Frage zu beantworten, ob die Ablehnung von Kombinationsanalgetika in den Therapierichtlinien der DMKG gerechtfertigt sei.

Dazu habe er alle verfügbaren Studien mit Dreierkombinationen analysiert. Als Fazit zog Haag, daß Kombinationen in einigen Studien effektiver waren als Monos und Placebo. Es sei auch falsch, aufgrund der Datenlage zu behaupten, vorwiegend oder ausschließlich würden Kombinationspräparate Schmerzmittelkopfschmerz verursachen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es deshalb auf der Basis wissenschaftlicher Ergebnisse nicht gerechtfertigt, den Kombinationspräparaten eine negative Rolle in der Kopfschmerztherapie zuzuschreiben. Haag empfahl deshalb, die Richtlinie dahingehend zu ändern, daß Schmerzmittel grundsätzlich nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden sollten.

Neue Studie begonnen


Im November 1997 war der Startschuß einer neuen klinischen Studie, die das Ziel hat, die Rationale der fixen Arzneimittelkombination Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein unter Beweis zu stellen. Diese Studie wurde von der Firma Thomae initiiert und wird mit Thomapyrin durchgeführt. Erstmals soll in einer sechsarmigen, placebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudie der Effekt der Dreierkombination gegenüber einer Zweierkombination aus ASS und Paracetamol, den drei Monosubstanzen und Placebo gleichzeitig untersucht werden. Es werden 1600 bis 1700 Patienten in 100 bis 120 Prüfzentren eingeschlossen. Um ein repräsentatives Patientenkollektiv zu bilden, werden in diese Studie nur Patienten einbezogen, die üblicherweise ihre Kopfschmerzen mit einem verschreibungsfreien Schmerzmittel selbst behandeln. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich Anfang des Jahres 2000 vorliegen.

PZ-Artikel von Hartmut Morck, Berlin

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