Wirkmechanismus von Efeusaponin entschlüsselt |
01.12.2003 00:00 Uhr |
Trotz sich verschlechternder Rahmenbedingungen forschen einige Phytopharmakahersteller weiter, um die Phytotherapie auf eine nachvollziehbar rationale Basis zu stellen. Belohnt wurde dieser Aufwand jetzt mit der Entdeckung des Wirkmechanismus von Efeuextrakt auf zellulärer Ebene.
Die neusten Forschungsergebnisse aus seinem Arbeitskreis stellte Professor Dr. Hanns Häberlein auf einer von der Firma Engelhard unterstützten Pressekonferenz in Frankfurt vor. Am Bonner Institut für Physiologische Chemie konnten die Wissenschaftler klären, wie die hustendämpfende, schleim- und krampflösende Wirkung von α-Hederin, dem Hauptwirkstoff im Efeuextrakt, an den Bronchialzellen zustande kommt. Das Saponin erzielt hier einen indirekten β2-adrenergen Effekt, indem es die Rezeptorzahl an der Zelloberfläche moduliert.
Bindet Adrenalin als endogener Ligand an den β2-Rezeptor, erniedrigt es über cAMP zum einen in Bronchialzellen die intrazelluläre Calciumkonzentration, woraufhin die glatten Bronchialmuskeln erschlaffen und die Bronchien sich erweitern. Zum anderen fördert cAMP in Lungenepithelzellen die Bildung und Sekretion von Surfactant, das die Oberflächenspannung des die Lungenbläschen bedeckenden Flüssigkeitsfilms herabsetzt. Das nun weniger viskose Sekret kann leichter abgehustet werden, und der Hustenreiz wird gestillt.
Docken Adrenalinmoleküle verstärkt an die membranständigen β2-Rezeptoren an, akkumulieren die Rezeptor-Ligand-Komplexe in einer Membranmulde und sind „abgeschaltet“, das heißt funktionslos. Bei weiterer Stimulation umschließt die Membran die Rezeptor-Ligand-Komplexe und „internalisiert“ sie, lagert sie in Endosomen im Zytoplasma ab. Dieser zweistufige physiologische Prozess beugt einer Überstimulation vor und ist jeweils reversibel.
α-Hederin erhält Rezeptordichte
„Ich möchte betonen, dass die Inhaltsstoffe von Efeuextrakt keinen direkten Angriff auf den β2-Rezeptor ausüben“, so Häberlein. Dennoch liegt im Rezeptor der Schlüssel für den Wirkmechanismus von α-Hederin. So lagern sich die oberflächenaktiven Stoffe in die Biomembran ein und verhindern sowohl die Umverteilung zu inaktiven Komplexen als auch die Internalisierung. „Damit bleibt der Rezeptor in seiner Funktionalität erhalten, der Rezeptor bleibt ansprechbar.“ Auf Grund der höheren β2-Rezeptordichte erschlaffen die Bronchialmuskeln und die Zelle bildet mehr Surfactant zum Verdünnen des Sekrets.
Diese Ergebnisse seien „kein experimentelles Feuerwerk, sondern haben auch für die Therapie eine Relevanz“, unterstrich Häberlein. Die In-vitro-Bedingungen der Untersuchungen glichen denen einer Therapie mit Prospan® in den angegebenen Dosierungen. So sei im Labor eine Konzentration von 500 nmol Hederin für die beschriebenen Effekte nötig gewesen, und klinische Studien zur Resorption hätten durchschnittlich eine Blutkonzentration von 650 nmol ergeben. Der Efeuextrakt wirke „indem er ganz normale physiologische Prozesse eingreift und verstärkt“. Dabei sieht der Referent in dem Phytopharmakon einen hervorragenden Kombinationspartner für β2-Sympathomimetika, deren Dosis so gesenkt werden könnte, und würde zu entsprechenden Studien raten.
Studien gelten nur für das Präparat
Dass der entschlüsselte Wirkmechanismus zwar für Efeu generell gelte, die Studien eines Phytopharmakaherstellers jedoch nicht als Wirksamkeitsnachweis für andere Efeupräparate dienen könnten, bestätigte auch Professor Dr. Henning Blume, geschäftsführender Gesellschafter der Socratec, Oberursel. So unterscheiden sich nicht nur die jeweiligen Pflanzenextrakte auf Grund unterschiedlicher Ausgangsdrogen, Extraktionsmittel oder Herstellungsverfahren, sondern auch die aus dem Trockenextrakt erarbeiteten Arzneiformen – etwa in Bezug auf ihre Freisetzung. Daher könne eine Bioäquivalenz bei Phytopharmaka nahezu nicht erreicht werden.
Blume machte deutlich, dass für pflanzliche Arzneimittel prinzipiell dieselben Anforderungen gelten wie für Synthetika, so dass neben der Pharmazeutischen Qualität und toxikologischen Unbedenklichkeit auch die therapeutische Wirksamkeit nachgewiesen sein muss. Die Marktsituation sei jedoch „nicht so erfreulich“, da sich viele Hersteller in die traditionelle Zulassung flüchteten. Er bedauerte, dass diese Produkte nicht stärker abgegrenzt und nur durch die fehlenden klaren Indikationshinweise zu erkennen sind.
Eine rationale Phytotherapie könne nur existieren, wenn die Wirkstoffe und bestenfalls auch der Wirkmechanismus bekannt seien. Nur mit diesem Hintergrundwissen könne die Extraktgewinnung und die nachfolgende biopharmazeutische Verarbeitung optimiert werden. Die in Vergleichsstudien aufgedeckten Unterschiede in der In-vitro-Freisetzung verschiedener Präparate der gleichen Droge, haben zwar Konsequenzen nach sich gezogen. Dennoch müssen die entsprechenden CPMP-Freisetzungsprüfungen nur erbracht werden, wenn der Wirkstoff bekannt ist. Diese Regelung hält der Referent für kontraproduktiv, da sie die Hersteller nur schwerlich motivieren könnten, den Wirkmechanismen nachzugehen und die Wirkstoffe zu identifizieren. Er befürchtet, dass auf diesem Wege Phytopharmaka nicht die Qualitätsstandards chemischer Präparate erreichen werden, und appellierte an die Unternehmen, sich einer rationellen Pharmakotherapie zuzuwenden.
Wirksamkeitsnachweise könnten den Herstellern möglicherweise auch
helfen, auf die vom gemeinsamen Bundesausschuss erarbeitete Ausnahmeliste
zu gelangen, vermutete Professor Dr. Hartmut Morck, der die Veranstaltung
moderierte. Dies birgt die Chance, dass nicht verschreibungspflichtige
pflanzliche Präparate weiterhin verordnet werden dürfen.
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