Pharmazeutische Zeitung online

PEGASUS prüft Arzneimittel bei Schwangeren

01.12.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

PEGASUS prüft Arzneimittel bei Schwangeren

82 Prozent der schwangeren Frauen nehmen Arzneimittel ein, im Durchschnitt drei bis fünf Präparate. Die häufigsten Arzneimittelgruppen sind Mineralstoffe, besonders Magnesium, Iod- und Eisenpräparate. Jedoch befolgen noch viel zu wenige Frauen die offiziellen Empfehlungen für die Zufuhr von Iod und Folsäure in richtiger Dosierung zum richtigen Zeitpunkt. Dies zeigte die Auswertung der ersten 1200 Arzneimittelbögen im Rahmen des PEGASUS-Projektes.

Im Mai 1995 startete das Forschungsprojekt PEGASUS am Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der Universität München unter Leitung von Professor Dr. Joerg Hasford. Das Kürzel steht für "Prospektive Erhebung der Gabe von Arzneimitteln während der Schwangerschaft und zur Sicherheit des Kindes". Ziel des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes ist es, systematisch und vollständig Daten über die Arzneimittelanwendung in der Schwangerschaft und gesundheitliche Störungen des Neugeborenen zu erhalten. PEGASUS soll zeigen, welche Medikamente in der Schwangerschaft oder in bestimmten Phasen ohne Risiko eingesetzt werden können, aber auch Schwachstellen aufdecken. Die ersten Ergebnisse wurden jetzt in München vorgestellt.

Zur Dokumentation erhalten die Frauen beim Gynäkologen, von der Hebamme oder in Apotheken einen Arzneimittelbogen, der in den Mutterpaß eingelegt wird, erklärte Hasford. Hier werden alle Arzneimittel mit Datum und Grund der Einnahme eingetragen, die die Frau seit der letzten Periode eingenommen hat. Nach der Geburt des Kindes werden die Ergebnisse der Perinataluntersuchung mit diesen Daten verknüpft und anonymisiert ausgewertet.

Zur Teilnahme an diesem Projekt wurden über 300 niedergelassene Gynäkologen, die freiberuflich tätigen Hebammen, 13 geburtshilfliche Kliniken und über 400 Apotheken in München aufgefordert. Mehrere Institutionen, darunter auch die Bayerische Landesapothekerkammer, unterstützen PEGASUS.

Bisher wurden 1200 Bögen ausgewertet, sagte die Diplomstatistikerin Cornelia Irl. 82 Prozent der Frauen gaben an, Arzneimittel eingenommen zu haben, im Durchschnitt 3,9 Präparate; das Maximum lag bei 26. Die häufigsten Arzneimittelgruppen: 66 Prozent der Frauen nahmen Mineralstoffe, besonders Magnesium, 59 Prozent führten Jod und 48 Eisen zu. Systemische Antibiotika verwendeten 16 Prozent der Frauen, bei den Homöopathika lag der Anteil bei 15 Prozent. In 59,3 Prozent der Fälle handelte es sich um verordnete Präparate, 14,7 Prozent wurden selbst gekauft, und bei 26 Prozent fehlten die Angaben.

Zur Risikobewertung wurde die FDA-Klassifikation herangezogen (Arzneimittel mit bekanntem Risikopotential). Danach wurden in 14 Fällen Medikamente im kritischen Zeitraum oder in kritischer Dosierung verordnet. Acht Frauen nahmen Estradiol oder Ethinylestradiol, zwei Frauen Triamteren/Spironolacton, drei Frauen Tetracycline und eine Frau Propylthiouracil.

Unbefriedigend ist trotz des relativ hohen Arzneimittelkonsums die Zufuhr der offiziell empfohlenen Stoffe Iod und Folsäure. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt täglich 200 mg Iod während der gesamten Schwangerschaft, um einer Hypothyreose und Struma beim Neugeborenen vorzubeugen. Knapp 60 Prozent der Frauen hatten Iod während der Schwangerschaft eingenommen, aber nur 40 Prozent in der empfohlenen Form. Über die normale Ernährung ist der Iodbedarf einer Schwangeren kaum zu decken.

Deutlich schlechter sieht die Situation bei der Folsäure aus, für die seit Ende 1994 eine Empfehlung vorliegt. Danach sollen Frauen perikonzeptionell, also vier Wochen vor bis vier Wochen nach der Konzeption, täglich 0,4 mg Folsäure einnehmen. Die Prophylaxe beugt dem Neuralrohrdefekt, einer schweren Mißbildung des Rückenmarks und Gehirns, vor. Ist bei einer vorausgehenden Schwangerschaft bereits ein Defekt aufgetreten, sollen bei Kinderwunsch 4,0 mg Folsäure eingenommen werden.

Diese Mißbildung ist zwar selten, aber sehr schwer, erläuterte Apothekerin Veronika Egen. Etwa 350 Kinder werden jährlich mit Neuralrohrdefekt geboren. Vermutlich 800 Schwangerschaften sind betroffen, um die 500 Eltern entscheiden sich für einen Abbruch. Die Hälfte der Erkrankungen könnte durch ausreichende Folsäuregabe vermieden werden. In einer Befragung von 131 Wöchnerinnen in München (1997) gaben nur 4 Prozent an, Folsäure in der empfohlenen Form genommen zu haben - häufig Frauen aus Gesundheitsberufen, so Egen. Weitere 12 Prozent taten dies in einem Teil des perikonzeptionellen Zeitraumes. In den PEGASUS-Bögen gaben 7 Prozent eine korrekte Einnahme an.

Aber auch die Beratung der Frauen läßt zu wünschen übrig. In einer Befragung (1996) gaben nur etwa 40 Prozent der Münchener Gynäkologen und Apotheker an, den Frauen zur perikonzeptionellen Folsäuresupplementation zu raten, sagte Egen. In einer Informationskampagne wurden die Münchner Apotheker im Sommer erneut auf den Nutzen der Folsäureeinnahme hingewiesen und erhielten Broschüren zur Weitergabe an Frauen mit Kinderwunsch. Über die Ernährung alleine ist die Menge von 0,4 mg Folsäure kaum zu erreichen.

Die Folsäuresupplementation sei "über alle Zweifel erhaben" ergänzte Hasford. Es gebe eine "ausschließlich positive Nutzen-Risiko-Abschätzung". Er habe beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) angeregt, eine Leitlinie für die Zusammensetzung von Multivitaminpräparaten zu erstellen.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München
Top

PZ Online

© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail:
redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa