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Regelmäßige Untersuchung schützt vor Magenkrebs

Datum 27.11.2000  00:00 Uhr

Regelmäßige Untersuchung schützt vor Magenkrebs

von Ulrich Brunner, Köln

Seit einigen Wochen sorgt die vom Bund Deutscher Allgemeinärzte und der Gastroliga initiierte Aufklärungskampagne "Alarmzeichen - Sodbrennen" für Aufregung (siehe PZ 36 auf Seite 60). "Panikmache" kritisieren die Gegner, "endlich wird die Bevölkerung für diese Volkskrankheit sensibilisiert" argumentieren die Befürworter. Fakt ist: Immer mehr Menschen erkranken an Magenbeschwerden und der Anteil der betroffenen Frauen steigt.

Säurebedingte Symptome wie Sodbrennen, saures Aufstoßen und Magendruck stehen meist im Vordergrund. Diese Beschwerden sollten man zwar ernst nehmen, aber nicht überbewerten. Erst wenn die Patienten länger als vier Wochen kontinuierlich Magenschmerzen haben, sollten sie zum Arzt gehen. Diese schluderten aber häufig bei der Diagnose, kritisierte Professor Dr. Siegfried Miederer, Gastroenterologe am Evangelischen Johannes-Krankenhaus in Bielefeld. Viel zu lange hielten sich die meisten Kollegen dann mit nicht invasiven Methoden wie zum Beispiel Ultraschall oder einem Helicobakter-Atemtest auf, sagte der Experte auf einer Bayer-Pressekonferenz in Köln. Das koste nicht nur unnötig viel Geld, sondern liefere oft auch unklare Ergebnisse.

Der Mediziner empfahl die Magenspiegelung als Methode der Wahl. Zwar fürchteten viele Patienten den unangenehmen Eingriff. Die Spiegelung sei aber nicht nur preisgünstig, sondern auch zuverlässig und schnell.

Und gerade bei der Diagnose Magenkrebs kann Zeit Leben retten. Denn je mehr Zeit vergeht, bis ein Karzinom nach der Entstehung diagnostiziert wird, desto schlechter ist die Prognose. Heute müsse eigentlich niemand mehr an Magenkrebs sterben, betonte Miederer. Von ersten Anzeichen bis zur Manifestation des bösartigen Geschwürs vergingen immerhin sechs Jahre. "Wer sich regelmäßig untersuchen lässt, kann sich gut vor Magenkrebs schützen", sagte Miederer. In den USA spiele die Frühdiagnostik eine viel größere Rolle, in der Bundesrepublik bestehe dagegen noch gewaltiger Nachholbedarf.

Achtung bei Dauerschmerz

Beschreiben die Patienten detailliert ihre Symptome, so gibt das laut Miederer wichtige Aufschlüsse über die Art der Erkrankung. Beim Ulkus treten die Beschwerden etwa zwei- bis dreimal jährlich über vier bis sechs Wochen in etwa gleicher Intensität auf, bei Magenkarzinomen nehmen die Schmerzen dagegen über Monate kontinuierlich zu. Auch Patienten, die an funktionellen Magen-Darm-Beschwerden wie dem Reizdarm-Syndrom leiden, klagten meist über unterschiedlich stark ausgeprägten Dauerschmerz. Miederer empfahl unbedingt eine Endoskopie, wenn die Symptome länger als vier Wochen anhalten.

Trotz der stürmischen Entwicklung neuer Therapeutika wie Protonenpumpenblocker und H2-Antagonisten hätten die Antacida nach wie vor ihren festen Platz in der symptomatischen Behandlung säureassozierter funktioneller Magenbeschwerden. Je nach Säurekonzentration müsse man allerdings zu stärker wirksamen Medikamenten greifen, so Miederer.

Er empfahl besonders die Schichtgitter-Antacida. Diese binden nicht nur Protonen, sondern absorbieren auch giftige Gallensalze. Zudem kurbeln Substanzen wie Hydrotalcit die Synthese des Magenschleimhaut-schützenden Protaglandins E2 an. In neusten Untersuchungen hätten Wissenschaftler sogar entdeckt, dass die Antacida so genannte Hitzeschock-Proteine stimulieren. Diese auch als Chaparone bezeichneten Verbindungen induzieren Reparaturmechanismen und bewahren die Zellen somit direkt vor Schädigungen.

Fester Fragenkatalog erleichtert Anamnese

Die Apotheke sei Anlaufpunkt Nummer eins für die meisten Menschen mit Magenbeschwerden, erklärte Dr. Hermann Liekfeld aus Mühlheim. Entsprechend verantwortungsvoll müsste das Personal mit solchen Patienten umgehen. Liekfeld stellte einen kurzen Fragenkatalog vor, mit dem der Apotheker die eher harmlosen funktionellen Magenbeschwerden von anderen Magen-Darm-Erkrankungen abgrenzen kann, bei denen ein Arztbesuch unumgänglich ist.

Er empfahl, zunächst den Kunden zu fragen, für wen die Medikamente bestimmt sind. Gerade bei älteren Patienten sei bei der Abgabe von Antacida Vorsicht geboten. Schwangere sollte der Apotheker prinzipiell zum Arzt schicken. Auch Fragen zum Beschwerdebild und der Lokalisation sind laut Liekfeld unerlässlich. Leide der Patient unter Schluckbeschwerden, müsse er zum Beispiel unbedingt an einen Mediziner verwiesen werden. Der beratende Apotheke müsse zudem unbedingt hinterfragen, seit wann der Magen schmerzt und ob die Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Speisen, Stress oder der Einnahme von gewissen Medikamenten auftreten.

Prinzipiell dürfe der Apotheker nur dann ein Antacidum abgeben, wenn er auf Grund es Beratungsgesprächs davon ausgehen kann, dass der Patient an einer funktionellen Dyspepsie ohne Hinweis auf organische Gewebsveränderungen leidet. 

Kampagne verunsichert

Die seit Herbst diesen Jahres laufende Aufklärungskampagne "Alarmzeichen-Sodbrennen" verunsichere nicht nur die Patienten, sondern habe auch hinreichende ökonomische Konsequenzen, kritisiert Maaloxan®-Hersteller Nattermann. Wissenschaftler hätten zwar einen Zusammenhang zwischen Refluxkrankheiten und Speiseröhrenkrebs nachweisen können. Die Krebsrate sei nur geringfügig erhöht und steige erst dann an, wenn die Refluxkrankheit lange Zeit nicht behandelt wird. Unabhängig davon sprenge es jeden realistischen Kostenrahmen, wenn beispielsweise alle Männer über 40 Jahren regelmäßig gastroskopiert würden. Top

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