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Antidementiva doch wirksam

13.09.2004  00:00 Uhr
Welt-Alzheimertag

Antidementiva doch wirksam

von Imme Schröder, Lübeck

Antidementiva wie Donepezil können in ausreichend hoher Dosierung einer Heimunterbringung bei Morbus-Alzheimer-Patienten hinauszögern. Darüber waren sich Wissenschaftler auf einem Kongresses der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Lübeck einig. Die Wirksamkeit der Substanzen war durch die Veröffentlichung einer Studie im Fachjournal „Lancet“ in Verruf geraten.

Noch gibt es keinen Wirkstoff, der vor Morbus Alzheimer schützt und auch in absehbarer Zeit rechnen Forscher nicht mit der Entwicklung eines solchen Präparates. Bei leichten und mittelschweren Erkrankungen sind Acetylcholinesterase-Hemmer wie Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin weiterhin Behandlungsstandard. „Es muss allerdings eine ausreichend hohe Dosierung eingehalten werden“, sagte Dr. Klaus-Christian Steinwachs vom Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg auf dem Kongress. „Dann ist es möglich, den geistigen Zustand des Patienten für bis zu zwei Jahre zu halten und für eine Verzögerung der Heimunterbringung zu sorgen.“ Gleichzeitig kritisierten die Ärzte die Bedingungen der Lancet-Studie, die im Juni dieses Jahres veröffentlicht wurde.

In die Untersuchung waren 565 Patienten einbezogen, die an einer leichten bis mittelschweren Form von Morbus Alzheimer erkrankt waren. Bestehende zerebrovaskuläre Demenzursachen bildeten keinen Ausschlussgrund. Im ersten Abschnitt erhielten die Patienten über zwölf Wochen entweder 5 mg Donepezil oder Placebo, anschließend wurden sie zufallsgeneriert auf drei Behandlungsgruppen verteilt, in denen sie 5, beziehungsweise 10 mg Donepezil täglich oder Placebo erhielten. Die Behandlung wurde über 48 Wochen fortgesetzt, danach erhielten die Patienten über sechs Wochen keine Behandlung und konnten über die weitere Teilnahme an der nächsten 48-wöchigen Studienphase entscheiden. Die Behandlungszuteilung blieb bei den folgenden Phasen erhalten, nach einer vierwöchigen Pause konnte erneut über die Teilnahme an einer weiteren 48-wöchigen Behandlungssequenz entschieden werden.

Die Ergebnisse der Studie deuteten darauf hin, dass das Antidementivum weitaus weniger wirksam ist, als frühere, herstellerunterstützte Studien ergeben hatten. Es fanden sich keine Bestätigungen, dass Donepezil die Heimunterbringung verzögerte. „Durch Unzulänglichkeiten in Aufbau und Durchführung wurden Bedingungen geschaffen, in denen die Wirksamkeit der Substanz nicht zur Geltung kommen konnte“, kritisierte Professor Dr. Alexander Kurz von der Psychiatrischen Klinik der Technischen Universität München. Im Verlauf der Studie schrumpfte die Probandengruppe durch Abbrüche erheblich. So schlossen 293 Patienten die erste Behandlungsphase ab, die zweite 111, die dritte nur noch 20. Nur ein Teil der Patienten wurde mit der wirksamen Dosis von 10 mg Donepezil täglich behandelt, so dass im Durchschnitt eine Unterdosierung vorlag. Zudem wurde die Therapie wiederholt für mehrere Wochen unterbrochen. „In diesem Fall klingt der Behandlungseffekt rasch ab, sodass die in einer Phase erzielte Wirkung nicht in den nächsten Abschnitt mitgenommen wird“, erläuterte Kurz. Im Grunde handelte es sich also nicht um eine Langzeituntersuchung, sondern um eine Aneinanderreihung mehrerer Einjahresstudien, sagte der Mediziner.

Neue Therapieansätze

Innovative Möglichkeiten zur Behandlung von Morbus Alzheimer versprechen sich die Mediziner von einer Überprüfung möglicher Kombinationen bekannter Wirkstoffe. Zurzeit kombinierten viele Ärzte Acetylcholinesterase-Hemmer mit Memantin, einem N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor-Antagonisten, oder Ginkgo-biloba-Extrakten. Die Ergebnisse müssten jedoch zentral zusammengeführt und ausgewertet werden, forderte Dr. Martin Haupt, Facharzt des Neuro-Centrums Düsseldorf. Wichtig sei auch eine Neuzulassung weiterer Neuroleptika zur gezielten Behandlung schwerer Fälle. Derzeit stehe den Medizinern mit Risperidon nur ein Wirkstoff für diese Indikation zur Verfügung. Dabei wäre auch eine Überprüfung vorhandener Medikamente auf ihre Wirksamkeit bei Morbus Alzheimer und Demenz sinnvoll.

Große Erwartungen hatten Forscher in die Entwicklung eines Impfverfahrens gesetzt, das zwar in Studien zu einer Stabilisierung des Zustandes über ein Jahr führte, jedoch bei einigen Patienten erhebliche neurologische Nebenwirkungen hervorrief. In der Untersuchung wurden die Patienten aktiv mit dem Antigen b-Amyloid immunisiert, einem Protein, das sich bei Alzheimer-Patienten in der Hirnrinde in so genannten Plaques ablagert.

Forscher wollen künftig an der Weiterentwicklung der Vakzine arbeiten. „Dabei wird zum Beispiel an die Verwendung eines Teilstücks des b-Amyloids oder eine Modifizierung des Moleküls gedacht“, so Haupt. Geforscht werde auch an passiven Immunisierungen mit Antikörpern gegen das Amyloid oder einer genetischen Variante mit DNA-Teilsträngen, die den Patienten injiziert werden und die Antikörper-Bildung anregen.

Krankheitsbild Alzheimer

Morbus Alzheimer ist eine der häufigsten Krankheiten des Zentralnervensystems: Zwischen 5 und 8 Prozent aller über 65-Jährigen sind betroffen, bei den 80-Jährigen schätzt man den Anteil auf 10 bis 20 Prozent. In Deutschland leiden rund eine Million Menschen an der Erkrankung, weltweit sind es etwa 18 Millionen.

In dem fünf bis sieben Jahre dauernden Krankheitsverlauf führt Morbus Alzheimer zum Tode. Das Gehirn verliert etwa ein Drittel seiner Masse. Von den pathologischen Veränderungen sind als erstes die hoch entwickelten Gehirnregionen betroffen.

Heilungsmöglichkeiten gibt es bislang nicht, der Krankheitsverlauf kann jedoch durch eine medikamentöse Therapie um einige Jahre verzögert werden. Über die Ursachen herrscht bisher keine Einigkeit, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine gesunde Lebensweise und eine maßvolle sportliche Aktivität präventiv wirken. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz ähnliche Risikofaktoren gelten.

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden sich zwei typische Veränderungen: Einerseits lagert sich b-Amyloid in der Hirnrinde ab, das zu Plaques verklumpt, andererseits entstehen Fibrillen innerhalb der Nervenzellen, die eine Lähmung der Übertragung hervorrufen. Dadurch wird weniger Acetylcholin produziert, ein Botenstoff, der maßgeblich an den Gedächtnisleistungen beteiligt ist.

Die Ablagerungen im Hirn entstehen bereits lange bevor die ersten Symptome auftreten. Erst mit der Zeit werden das Kurzzeitgedächtnis, das Sprachzentrum, die Orientierungsfähigkeit und schließlich auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Begleitend kann es zu Stimmungsschwankungen, Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen bis hin zum völligen Persönlichkeitsverlust kommen.

Demenz rechtzeitig erkennen

Für die Behandlung von Morbus Alzheimer und eine möglichst lange Aufrechterhaltung der Gedächtnisleistung ist eine frühe Diagnose wichtig. Doch oft ist es schwierig, die Symptome zu erkennen und von „normalen“ Vergesslichkeiten abzugrenzen, zumal die Patienten versuchen, die Unzulänglichkeiten zu überspielen. Erinnerungsprobleme sind das Leitsymptom von Morbus Alzheimer. Erste Hinweise liegen vor, wenn sich der Patient an Gelerntes, ein Buch oder den Inhalt eines gerade gelesenen Zeitungsartikels nicht mehr erinnern kann.

Zu den Gedächtnisstörungen zählen auch Veränderungen in der Urteilsfähigkeit, die zu einer toleranteren oder auch intoleranteren Einstellung führen können. Hinweise sind zum Beispiel eine plötzliche übertriebene Großzügigkeit oder auch extremer Geiz. Orientierungsstörungen treten zunächst meist an unbekannten Orten auf, können im Verlauf der Krankheit jedoch auch das eigene Umfeld betreffen. Sprachstörungen äußern sich zunächst bei der Begriffssuche nach weniger häufig verwendeten Wörtern, die dann von den Patienten umschrieben werden. Auch eine Ungenauigkeit in der Aussprache oder der Verlust der Fähigkeit, langen Sätzen zu folgen, können auftreten.

Einige Patienten entwickeln eine optischen Agnosie, die zum Verlust der einen Gesichtshälfte führt. Frauen schminken dann oft nur noch ein Auge, in Zeichnungen der Patienten finden sich alle Motive auf einer Seite des Blattes. Erst in späten Stadien von Morbus Alzheimer treten starke motorische Störungen, sowie Stuhl- und Harninkontinenz auf. „Eine früh auftretende Inkontinenz spricht gegen die Krankheit“, erläuterte Steinwachs.

Ärzte arbeiten heute zur Diagnosestellung mit Routine-Tests, die das Erinnerungsvermögen fordern, oder vom Patienten verlangen, eine Uhr mit einer bestimmten Zeit zu zeichnen. Mithilfe dieser Verfahren soll es gelingen, die Grenzen zwischen einer alterstypischen Vergesslichkeit und einer pathologischen Demenz zu ziehen und so zu einer schnellen Diagnose zu kommen.

 

Welt-Alzheimertag Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft steht Apotheken, Angehörigen und Pflegenden im Vorfeld des Welt-Alzheimertages am 21. September mit einem Info-Telefon für Fragen zur Verfügung. Gleichzeitig können Broschüren und Informations-Materialien angefordert und regionale Ansprechpartner genannt werden.

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V., Friedrichstraße 236, 10969 Berlin, www.deutsche-alzheimer.de, Telefon (0 18 03) 17 10 17 (9 Cent pro Minute)

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