Was Sie Eltern raten können |
05.09.2005 00:00 Uhr |
Erkältungen trainieren das Immunsystem und stärken die Abwehrkräfte von Kindern. Aber lästig sind sie trotzdem auch für die Eltern. Eine liebevolle Pflege sowie einfache medikamentöse und allgemeine Maßnahmen können zur Heilung wesentlich beitragen.
Ein starkes Immunsystem durch Infekte schön und gut, aber eine verstopfte Nase stört beim Trinken und Schlafen, der nächtliche Husten weckt nicht nur den kleinen Patienten und ein Kind mit Fieber bringt den Alltag durcheinander. Auch wenn diese so genannten Bagatellinfekte kein Grund zur Sorge sind, belasten sie Kind und Eltern gleichermaßen.
Warum sind Kleinkinder im Vergleich zu Erwachsenen so häufig krank? »Größtenteils liegt dies an der Unreife ihres Immunsystems«, sagte Privatdozent Dr. Johannes Liese, Oberarzt am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München, auf einer von Ratiopharm ausgerichteten Veranstaltung. Nachdem sich die in der Schwangerschaft übertragenen mütterlichen Antikörper der Nestschutz nach der Geburt langsam abbaut, nimmt die Häufigkeit von Infektionen und Erkältungen in der Regel im zweiten Lebenshalbjahr deutlich zu. Mit vielen Infektionen setzt sich das Kleinkind dann das erste Mal auseinander. Diese »Schule« des Immunsystems wird von jedem Kind durchschritten und bildet die Grundlage für einen langdauernden Schutz gegenüber einer Vielzahl von Infektionserregern.
Auch der enge Kontakt von Kleinkindern untereinander trägt dazu bei, dass Infektionen in diesem Alter häufiger auftreten. Vor allem Säuglinge sind durch ältere Geschwisterkinder gefährdet, die Infektionskrankheiten aus dem Kindergarten mit nach Hause bringen. Dazu kommt, dass sich auf Grund der altersbedingten Enge der Atemwege die Erreger leichter festsetzen können und so bereits eine geringe Sekretvermehrung schnell zu ausgeprägten Symptomen führt.
Wann zum Arzt?
Die Frage, wann im Rahmen einer Infektion der Arzt aufgesucht werden soll, beschäftigt viele Eltern. Hier gilt die Devise: lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig. Gerade der Zustand von Säuglingen und Kleinkindern kann sich innerhalb kürzester Zeit rasch verschlechtern und unspezifische Beschwerden können Vorboten schwerer Infektionen sein. Jedes Kind, das sich in seinem Wesen verändert, nicht mehr wie gewohnt Kontakt aufnimmt und in seinem Spielverhalten deutlich eingeschränkt ist, gehört in die Arztpraxis. Auch bei allen leichten Erkältungskrankheiten, die nicht innerhalb von drei Tagen deutlich besser werden, sollte der Arzt aufgesucht werden, um zum Beispiel eine bakterielle Infektion auszuschließen. Als Anzeichen für eine schwere Infektion bei Säuglingen nannte Liese hohes Fieber, kalte Hände, Trinkverweigerung, Erbrechen, Berührungsempfindlichkeit und ein schrilles, hochfrequentes Schreien.
Auch ein Hautausschlag gehört in die Hand des Arztes. Zusätzlich könnten die Eltern den so genannten Glastest durchführen, empfahl der Kinderarzt . Lasse sich der Ausschlag durch Drücken eines Glases auf die Haut wegdrücken, sei dies ein Anzeichen für ein virales Exanthem. Lasse er sich hingegen nicht wegdrücken, weise dies auf Hauteinblutungen hin, die zum Beispiel im Rahmen einer Meningitis auftreten können. Gerade bei Säuglingen besteht die Gefahr, dass eine Meningitis zunächst übersehen wird, da sie sich manchmal sehr uncharakteristisch nur in Trinkschwäche und Schlaffheit äußert. Hier könnten die Eltern mittels des Glastests einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Diagnosestellung leisten.
Was können Eltern selbst tun?
Einfache Erkältungskrankheiten zeigen sich bei Kindern meistens mit den Symptomen Fieber, Schnupfen, laufende Nase und Husten. Neben liebevoller Pflege brauchen die kleinen Patienten nun viel Flüssigkeit, Ruhe, leichte Kost und leichte Kleidung. Grundsätzlich gilt: Bevor man das Kind anfasst, sollte man sich die Hände waschen, um den geschwächten Organismus nicht mit zusätzlichen Erregern zu belasten.
Leichterem Fieber, das heißt unter 38,5° C, könne mit altbewährten Hausmitteln wie Wadenwickel zu Leibe gerückt werden, so Liese. Paracetamol oder Ibuprofen in Saft-, Zäpfchen- oder Tablettenform können zwar Fieber wirksam und sicher senken. Beide Medikamente sollten jedoch nur angewendet werden, wenn das Kind leidet oder das Fieber über 38,5° C ansteigt. Acetylsalicylsäure ist wegen der Gefahr des Reye-Syndroms mit schweren Hirn- und Leberschäden bei Kindern tabu. Falls die Kleinen beginnen, zu frieren, sind Wärme sowie Lindenblüten- und Holunderblütentee angezeigt.
Da Babys ausschließlich durch die Nase atmen, stört ein Schnupfen erheblich beim Stillen oder Füttern. Erst ab dem 18. Monat können Säuglinge durch den Mund atmen. Zudem sind ihre Nasenhöhlen noch sehr fein und eng und verstopfen schnell. Insofern ist eine verstopfte Nase beim Baby ein ernstes Problem, das dazu führen kann, dass die Kleinen das Trinken ganz verweigern und sich der Allgemeinzustand deutlich verschlechtert. Am besten eignen sich hier Nasentropfen auf natürlicher Basis mit Meersalz oder isotonischer Kochsalzlösung, um zähes Sekret zu lösen und die physiologische Nasenatmung wieder zu ermöglichen. Dadurch wird auch das Schlafen und Durchschlafen deutlich erleichtert. Bei hartnäckigem Schnupfen sind adstringierende Nasentropfen, die Xylometazolin enthalten, wirksamer. Mit älteren Kindern kann auch eine Dampfinhalation mit Kamillenblüten versucht werden. Dazu sollten die Kinder nicht am Tisch, sondern auf dem Boden sitzend inhalieren, da so ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt und der Stand der Schüssel sicherer sei, so der Rat des Kinderarztes.
Auch bei Husten empfiehlt Liese, zunächst Hausmittel wie warme Milch mit Honig oder Tee aus Süßholz-, Schlüsselblumen- und Eibischwurzel zu versuchen. Nur in Ausnahmefällen sollten Hustenstiller (zum Beispiel Clobutinol, Dihydrocodein, Dextrometorphan) oder Hustenlöser (zum Beispiel Acetylcystein, Ambroxol) gegeben werden. Zähes Sekret könne mit Efeublättern, zum Beispiel Efeu-ratiopharm®-Hustensaft, flüssiger gemacht werden, was das Abhusten erleichtert, sagte der Pädiater.
Grenzen der Selbstmedikation
Im Zusammenhang mit einer Erkältung tritt bei Kleinkindern nicht selten eine Mittelohrentzündung auf. Die akute Otitis media müsse in jedem Fall vom Arzt abgeklärt werden, mahnte Liese. Das Trommelfell ist gerötet, infiziertes Sekret sammelt sich im Mittelohrraum und drückt auf das Trommelfell. Der Sekret\-stau verursacht stechende, bohrende Schmerzen, die nachts oft stärker werden. Typische Symptome sind Ohrenschmerzen und Hörminderung, aber auch Fieber, Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen sowie Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Obwohl 60 bis 80 Prozent der Entzündungen spontan abheilten, griffen Ärzte allzu rasch zu Antibiotika, konstatierte der Pädiater. Indiziert seien diese nur bei Kindern unter zwei Jahren, bei allen Älteren hieße es, abzuwarten und diese engmaschig zu überwachen. Hier kann zunächst mit Schmerzmitteln, Sekretolytika und abschwellende Nasentropfen symptomatisch behandelt werden. Auch Zwiebelwickel sind hilfreich. Werden die Beschwerden jedoch nach zwei bis drei Tagen nicht besser, sind Antibiotika angebracht.
Zigarettenrauch strikt meiden Verschiedene Allgemeinmaßnahmen können das Infektionsrisiko bei Kindern eindeutig senken. So konnte in mehreren Untersuchungen gezeigt werden, dass Stillen die Häufigkeit von Infektionen, Magen-Darm-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen um bis zu
30 Prozent reduzieren kann. Auch das strikte Meiden von Zigarettenrauch in Wohnung, Kleidung und Umgebung senkt das Risiko deutlich. »Passivrauchen schädigt die kindliche Gesundheit wesentlicher schwer wiegender als bislang angenommen«, informierte Liese. So zeige eine aktuelle Studie, die mit Hilfe des Bundesgesundheitsministeriums und der Stiftung Kindergesundheit vom Krebsforschungszentrum Heidelberg herausgegeben wurde, dass Rauchen während der Schwangerschaft beim ungeborenen Kind schwere Wachstumsstörungen hervorruft; das Geburtsgewicht ist durch täglich 20 Zigaretten um etwa 400 g erniedrigt. Auch Fehlbildungen sowie Fehl- und Totgeburten treten vermehrt auf, die perinatale Sterblichkeit erhöht sich laut Liese sogar um 150 Prozent. Im späteren Säuglingsalter sei der gefürchtete plötzliche Kindstod 8- bis 16fach häufiger.
Aber auch nach der Geburt kann der Tabakrauch noch erhebliche Schäden anrichten. Zum einen sind die Organe und das Immunsystem von Kleinkindern noch unreif, zum anderen ist die Schadstoffexposition durch Passivrauch bei ihnen viel höher, da sie, bezogen auf ihr Körpergewicht, wesentlich mehr Atemluft aufnehmen müssen als Erwachsene.
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