Hoffnungsträger bei Magenkrebs |
20.06.2005 00:00 Uhr |
Der bei Darmkrebs eingesetzte Topoisomerase-I-Hemmer Irinotecan soll bald eine Zulassungserweiterung bekommen. Laut einer auf dem Krebskongress ASCO vorgestellten Studie zeigt das Zytostatikum auch Erfolge in der Therapie des Magenkrebses.
Das Magenkarzinom stellt Onkologen vor ein Problem. Da es zumeist erst in fortgeschrittenem, metastasiertem Stadium Symptome hervorruft, kann es nur selten geheilt werden. In der Todesstatistik steht der relativ seltene Tumor unter den Krebsarten daher nach dem Bronchialkarzinom an zweiter Stelle. »Obwohl das fortgeschrittene Magenkarzinom mit einer Ansprechrate von 30 bis 40 Prozent relativ chemosensibel ist, verlängert die Chemotherapie das mittlere Überleben nur um vier bis sechs Monate und erhöht die Lebensqualität nur bei ausgewählten Patienten«, sagte Dr. Magdolna Dank auf einer Pressekonferenz von Pfizer-Onkology in Berlin. Zwar sei die palliative Chemotherapie laut bisheriger Studien besser als »Best supportive care«, dennoch gebe es keinen unumstrittenen Goldstandard bei der Behandlung. In der Regel werden platinbasierte Regime verabreicht. Die Budapester Onkologin untersuchte nun mit ihrem Team in einer Phase-III-Studie, ob Irinotecan in Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Folinsäure (FS) wie in vorhergegangenen Phase-II-Studien der Behandlung mit Cisplatin und 5-FU überlegen ist. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Progression.
In der Studie erhielten 333 Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Magen/Ösophagus randomisiert entweder über sechs Wochen einmal wöchentlich Irinotecan/5-FU/FS oder alle vier Wochen Cisplatin- und 5-FU-Infusionen. Dabei war das Gesamtansprechen in der Irinotecan-Gruppe mit 31,8 Prozent höher als im Cisplatin-Arm (25,8 Prozent). »Fünf Patienten hatten unter Irinotecan eine komplette Remission, unter Cisplatin war es nur einer«, sagte Dank. Die mittlere Zeit bis zur Progression des Tumors betrug 5 gegenüber 4,2 Monate. Das Gesamtüberleben war unter dem Topoisomerase-I-Hemmer jedoch nur marginal verbessert (9 gegenüber 8,7 Monate).
Auch wenn das Prüfregime nur tendenziell besser war, sah die Referentin gute Chancen dafür, dass es sich künftig etablieren werde. Denn die Verträglichkeit war deutlich besser: Nebenwirkungen vom Schweregrad 3/4 traten unter Irinotecan hauptsächlich als Diarrhö auf (22 versus 7 Prozent), die laut Dank gut zu behandeln war. Dagegen kam es nur bei halb so vielen Patienten zu Neutropenien, unter denen im Cisplatin-Arm jeder Zweite litt. Des Weiteren brachen doppelt so viele Patienten nach Cisplatin-Behandlung die Therapie ab, fünf Todesfälle wurden auf sie zurückgeführt, unter Irinotecan war es einer.
Die guten Ergebnisse vorangegangener Phase-II-Studien konnten zwar nicht erreicht werden. Hersteller Pfizer erwartet jedoch auf Grund dieser Studie noch in diesem Jahr die Zulassung für Irinotecan für die First-line-Behandlung des metastasierten Magenkarzinoms.
Optionen und Perspektiven Das Magenkarzinom ist hier zu Lande selten, in Asien hingegen sind sehr viele Menschen betroffen. Dort initiierte Studien sind jedoch nur schlecht zu übertragen. »Nun wurde die erste positive Studie des Westens vorgestellt, die zeigt, dass bei einem operablen Karzinom auch eine vorangehende Chemotherapie effektiv ist«, sagte Dr. Florian Lordick vom Klinikum rechts der Isar, TU München, auf einer Pressekonferenz von Sanofi-Aventis in Berlin. Demnach war eine Chemotherapie aus Epirubicin, Cisplatin und 5-FU (drei Zyklen vor und drei nach der OP) der alleinigen Resektion des Tumors signifikant überlegen und zwar hinsichtlich der kurativen Resektionsrate, des progressionsfreien Überlebens sowie des Gesamtüberlebens.
Beim nicht operablen, metastasiertem Magenkarzinom wurden neben der Strategie mit Irinotecan noch weitere Regime vorgestellt. So erhielten rund 500 Patienten mit Adenokarzinom randomisiert entweder Cisplatin und 5-FU allein oder zusätzlich Docetaxel bei verminderter Dosierung der beiden anderen Zytostatika. Diese Dreier-Kombination verlängerte die Zeit bis zur Progression um 32 Prozent, das heißt zwei Monate. Zudem war die Ansprechrate deutlich verbessert (37 versus 25 Prozent) und nach zwei Jahren Nachbeobachtung lebten noch doppelt so viele Patienten wie im Kontrollarm. Lordick wies aber auch auf die etwas erhöhte Toxizität der Dreier-Kombi hin (vor allem Neutropenien, was den Einsatz von Wachstumsfaktoren erforderte). Die Lebensqualität war allerdings laut standardisierter Fragebögen besser als im Kontrollarm. Weniger toxisch zeigte sich das neue Regime bei Patienten unter 65 Jahren, sodass der Referent es als künftige Standardoption für jüngere Patienten in der palliativen Therapie bezeichnete. Schließlich sei diese Phase-III-Studie seit acht Jahren die erste, die einen Überlebensvorteil gegenüber einer eingespielten Standardkombination brachte.
In Phase-II-Studien zeigte sich auch Oxaliplatin in der Behandlung des Magenkrebs als effektiv, sagte Lordick. In der Münchner STOMOX-Studie erhielten 48 Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom wöchentlich eine Kombination aus Oxaliplatin und Leucovorin® sowie 5-FU über vier Zyklen. Diese war laut Referent »hämatologisch äußerst gut verträglich«. Zudem traten keine Neuropathien vom Grad 3/4 auf, da die Oxaliplatin-Dosierung »unter der typischen Neuropathieschwelle« lag. Die Ansprechrate war mit 54 Prozent sehr hoch und die Zeit bis zur Progression und die Gesamtüberlebenszeit (6 respektive 11 Monate) länger als erwartet.
Die Dreierkombination scheint nach einer noch laufenden Studie zudem dem Cisplatin-haltigen Pendant überlegen. Getestet werde auch die zusätzliche Gabe des Biologicals Cetuximab oder aber eine Kombination von Oxaliplatin und Docetaxel (+ 5-FU) mit oder ohne Biological »viel versprechende Perspektiven«.
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