Pharmazie
In
der biotechnischen Forschung bestellen heute vor allem
Biochemiker, Biologen und Mediziner das Feld. An den
Pharmazeuten ist dieser Forschungsbereich bis auf wenige
Ausnahmen vorbeigelaufen. Dabei gibt es genug
Teilgebiete, in denen Apotheker bestens aufgehoben
wären, denn ...
... "Was nutzen gentechnisch gewonnene
Arzneimittel, wenn sie nicht dort im Körper ankommen, wo
sie gebraucht werden?" fragte Professor Dr. Gert
Fricker auf einer gemeinsamen Veranstaltung der
Universität Heidelberg und der Landesapothekerkammer
Baden-Württemberg in Heidelberg.
Gentechnisch hergestellte Substanzen haben eines gemein:
Es sind alles Peptide. Peroral gegeben würden sie im
Gastrointestinaltrakt freigesetzt und resorbiert.
Aufgrund ihrer geringen metabolischen Stabilität hätten
sie eine geringe Bioverfügbarkeit. Da einige
biotechnisch hergestellten Substanzen, etwa Cyclosporin
A, lebenslang eingenommen werden müssen, ist auch
transkutane Injektion als Applikationsform ungünstig.
Die Compliance des Patienten würde hier erheblich
reduziert.
Neuerdings scheint es jedoch möglich zu sein, die
Schwächen der peroralen Gabe zu minimieren. Durch den
Einsatz von Tensiden als Resorptionsförderer lasse sich
die Bioverfügbarkeit des Somatostatinanalogons Octreotid
bei peroraler Gabe um den Faktor 10 bis 12 verbessern.
Octreoid zeichnet sich durch eine 45fach erhöhte Potenz
gegenüber dem relativ instabilen Somatostatin aus. Die
Substanz wird zur Behandlung der Akromegalie eingesetzt.
Als Resorptionsverstärker, so Fricker, würden zur Zeit
in vitro und in vivo Gallensäuren getestet. Mit der
Chenodeoxycholsäure lasse sich die Resorptionsrate von
Octreotid vervierfachen. Über solche Ergebnisse müßten
eigentlich auch Gesundheitsökonomen frohlocken, kostet
doch ein Gramm Octreotid nach Frickers Angaben rund 100
000 DM.
Die schlechte Bioverfügbarkeit war auch ein großes
Problem bei dem Immunsuppressivum Cyclosporin A, das
Patienten nach einer Organtransplantation regelmäßig
einnehmen müssen, um Abstoßungsreaktionen zu
unterdrücken. Seit kurzem ist jedoch eine neuentwickelte
Mikroemulsion auf dem Markt, deren Bioverfügbarkeit
deutlich über der bislang verwendeten grobdispersen
Emulsion liegt.
Neben der Darmwand stellt für neuroaktive Substanzen die
Blut-Hirn-Schranke ein kaum zu überwindendes Hindernis
dar. Die Blut-Hirn-Schranke wird von
Kapillarendothelzellen gebildet und reguliert über
spezifische Systeme den Stofftransport in das Gehirn.
Für Peptide gibt es keinen Transportmechanismus.
Allerdings bestehe die Möglichkeit, Carrier für andere
Moleküle auszunutzen, indem man das gentechnisch
hergestellte Peptid an ein solches Molekül koppelt,
erläuterte Fricker. Die beiden Komponenten können über
einen sogenannten Spacer verbunden werden, der eine hohe
Kopplungsrate aufweisen muß und das Protein nach dem
Übertritt in das Gehirn wieder freigibt.
Der Nachteil an diesem System sei, daß jeweils nur ein
Molekül der Wirksubstanz ins Gehirn transportiert werden
kann, führte Fricker weiter aus. Eine Alternative mit
der eine größere Menge gentechnisch hergestellter
Peptide an den Wirkort transportiert werden können seien
Liposomen.
Liposomen bieten sich neben Viren auch als Vektoren in
der somatischen Gentherapie an. Ziel der Gentherapie ist
es, ein defektes Gen in Körperzellen durch Einbringen
eines analogen Gens zu ersetzen. Auch hierbei sei die
Hauptschwierigkeit, das Gen in die Kerne der betroffenen
Zellen zu schleusen, sagte Professor Dr. Alfred Fahr,
Universität Marburg. Das entsprechende Gen kann entweder
in die Erbsubstanz eines Virus eingebaut werden oder in
ein Liposom eingeschlossen werden und so zu den
Zielzellen gebracht werden.
Viren sind eigentlich die effizienteren Transportsysteme.
Sie haben jedoch den Nachteil, daß sie neben dem Peptid,
das vom eingebrachten Gen codiert wird, auch virale
Proteine produzieren und so eine Immunantwort im Körper
auslösen. Dies hat zur Konsequenz, daß die erfolgreich
transfizierten Zellen vom Immunsystem eliminiert werden.
Liposomen werden dagegen vom Immunsystem ignoriert. Das
Ziel müsse es deshalb sein, die positiven Eigenschaften
von Viren mit denen der Liposomen zu kombinieren,
erläuterte Fahr weiter.
Nach seiner Einschätzung bieten sich in der Gentherapie
einige für Pharmazeuten interessante Fragestellungen: Um
die negative Ladung der DNA zu neutraliesieren müssen
die Liposomen aus kationischen Lipiden bestehen. Diese
können jedoch Entzündungen auslösen, einige von ihnen
sind cytotoxisch. Bei welchem Verhältnis von DNA zu
Liposom ist die Transfektionsrate am höchsten? Wie
beeinflußt die Inkubationszeit die Transfektionsrate?
Welche Pufferlösungen bieten sich an? Fahr: "Diese
Fragen sollten Pharmazeuten beantworten, hierum kümmert
sich sonst niemand."
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Heidelberg
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