Pharmazie
Bei der Therapie der
durch Ovulationsstörungen bedingten weiblichen
Infertilität werden zur Follikelstimulation verschiedene
Gonadotropine eingesetzt. Die meisten dieser Produkte
enthalten follikelstimulierendes Hormon und werden heute
durch Aufreinigung aus dem Urin postmenopausaler Frauen
gewonnen. Dabei kommt der Frage der Verunreinigung durch
Fremdproteine aufgrund des Gewinnungsverfahrens
hinsichtlich der Verträglichkeit besondere Bedeutung zu.
Verschiedene Publikationen und Fallberichte geben
Hinweise darauf, daß gerade die als Verunreinigungen
enthaltenen Fremdproteine das Risiko allergischer
Reaktionen erhöhen können.
Die humanen hypophysären Gonadotropine FSH
(follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes
Hormon) sind Glykoproteine mit einem Molekulargewicht von
20.000 bis 50.000 D, die sowohl für die Steuerung der
Sexualfunktion bei der Frau als auch beim Mann
verantwortlich sind. FSH induziert bei der Frau die
Follikelreifung und Estrogen-Biosynthese während LH
sowohl Ovulation als auch Gelbkörperbildung auslöst.
Die meisten der auf dem Markt befindlichen Produkte
enthalten zusätzlich zu dem Wirkstoff FSH einen
definierten Anteil an luteinisierendem Hormon. Aufgrund
neuerer Untersuchungen ist davon auszugehen, daß LH für
die Wirksamkeit des Produktes bei Fertilitätsstörungen
nicht erforderlich ist. Der Grund hierfür liegt darin,
daß alleine FSH die frühe Follikelreifung induziert,
wohingegen LH erst bei der eigentlichen Ovulation von
Bedeutung ist. Eine Erhöhung der LH-Spiegel in der
frühen Phase der Menstruation führt vermutlich sogar zu
einer Fertilitätsverringerung. Aufgrund dieser
Erkenntnisse enthält beispielsweise das in diese
Untersuchung einbezogene Fertinorm HP laut Deklaration
kein LH.
Bei der Therapie der Ovarialinsuffizienz findet neben den
hypophysären Gonadotropinen FSH und LH auch noch ein
anderes Gonadotropin Verwendung: nämlich das während
der Schwangerschaft in den Chorionzotten der Plazenta
gebildete Choriongonadotropin. Seit kurzem ist auch ein
gentechnisch hergestelltes FSH (Puregon, Organon) auf dem
deutschen Markt erhältlich.
In die vergleichende Reihenuntersuchung des
Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker wurden alle aus
Urin gewonnenen FSH-Produkte einbezogen, die Ende 1994
von den Originalanbietern in Deutschland vertrieben
wurden (Fertinorm HP 75 (Serono Pharma), Humegon
(Organon), Humegon Beragena (Beragena Arzneimittel),
Menogon (Ferring), Pergonal (Serono Pharma)). Die
Beschaffung je einer Charge erfolgte über den
pharmazeutischen Großhandel. Zusätzlich wurden über
eine öffentliche Apotheke alle in der Lauer-Liste
auffindbaren Re- bzw. Parallelimporte angefordert, es
erwies sich jedoch nur ein Produkt als innerhalb von 24
Stunden lieferbar. Somit erlauben die Ergebnisse dieser
Untersuchung eine umfassende Charakterisierung der zu
diesem Zeitpunkt auf dem Markt erhältlichen Produkte.
Ergebnisse
Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Reinheit
der Gonadotropinpräparate Fertinorm HP 75, Humegon,
Humegon Beragena, Menogon und Pergonal. Die Testung auf
Pyrogene und anomale Toxizität ergab in keinem Fall
Grund zur Beanstandung, alle untersuchten Produkte
entsprachen den Arzneibuchanforderungen. Die darüber
hinaus durchgeführte unspezifische Prüfung auf
Verunreinigungen durch herstellungsbedingte Fremdproteine
ergab in allen Fällen mit Ausnahme von Fertinorm HP 75
einen hohen Proteinanteil, der in jedem einzelnen Produkt
eine unterschiedliche Zusammensetzung aufwies. Das bei
Fertinorm HP 75 verwendete spezielle
Aufreinigungsverfahren führt offensichtlich zu deutlich
niedrigeren Verunreinigungen. Das Proteinspektrum von
Humegon bzw. dem entsprechenden Import (Humegon Beragena)
war nahezu identisch. Nach halbquantitativer Begutachtung
ist der Fremdproteinanteil in dem Produkt Pergonal am
höchsten. Diese Einschätzung wird durch die
Feststellung gestützt, daß alle spezifischen
Proteintestungen bei diesem Produkt positiv waren,
während bei den anderen untersuchten Produkten die
getesteten Fremdproteine nur in Einzelfällen nachweisbar
waren.
Üblicherweise wird für Moleküle bis zu einem
Molekulargewicht von 5 000 D eine uneingeschränkte
renale Ausscheidung über den glomerulären
Filtrationsprozeß postuliert. Dagegen wird beim Gesunden
im Molekulargewichtsbereich von 5 000 bis 50.000 D eine
eingeschränkte Filtrationsrate und bei über 50.000 D so
gut wie keine renale Ausscheidung angenommen.
Hinsichtlich der Auswahl der in der
Western-Blot-Untersuchung berücksichtigten Proteine
bleibt anzumerken, daß im Urin bzw. in aus Urin
gewonnenen Proteinpräparationen dennoch eine Vielzahl
von Fremdproteinen auch höheren Molekulargewichts
auftauchen können. Folglich konnte die Untersuchung nur
einige wenige Testproteine berücksichtigen, die jedoch
zusammen mit den Ergebnissen der unspezifischen
Proteinfärbung eine repräsentative
Produktcharakterisierung erlauben.
Unsere Untersuchungen haben somit deutliche Unterschiede
zwischen den getesteten Produkten aufgezeigt. Diese
betreffen sowohl die enthaltenen Fremdproteinmengen in
Relation zu dem deklarierten FSH-Gehalt als auch das
jeweils enthaltene Proteinspektrum. Systematische
Untersuchungen zur Relevanz der einzelnen
Proteinverunreinigungen, zum Beispiel bezüglich der
Frage der Verträglichkeit liegen jedoch bisher nicht
vor. Dennoch sollten die aufgezeigten Unterschiede bei
einer geplanten Austauschbarkeit der unterschiedlichen
auf dem deutschen Markt angebotenen Produkte
berücksichtigt werden. Nach den vorliegenden Befunden
kann hier im Fall der Produkte Humegon und Humegon
Beragena von Ähnlichkeit ausgegangen werden. Darüber
hinaus ist festzustellen, daß Fertinorm HP 75 einen
vergleichsweise niedrigen Anteil an Fremdproteinen
aufweist, was sich beispielsweise hinsichtlich der
Häufigkeit zu erwartender Sensibilisierungen positiv
auswirken könnte.
PZ-Artikel von Barbara Schug, Jörg Ruoff,
Philipp Schäfer, Hugo Fasold und Henning Blume, Eschborn
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