UV-Schäden verstehen |
07.04.2003 00:00 Uhr |
Ultraviolettes Licht schädigt die DNA in Hautzellen und aktiviert Schutz- und Reparaturmechanismen. Forschungen zu den molekularen Mechanismen dieser Schäden können neue Ansätze zur Therapie chronischer Hauterkrankungen eröffnen und die Umwandlung von Präkanzerosen in Hautkrebs verhindern.
Das kleine Molekül Stickstoffmonoxid (NO) erfüllt nicht nur in Gefäßen wichtige physiologische Funktionen. Relativ hohe NO-Konzentrationen entstehen auch in der Haut als Folge einer Entzündungsreaktion. Während dies früher mit einer verstärkten Gewebezerstörung in Zusammenhang gebracht wurde, weiß man seit kurzem, dass hohe NO-Spiegel Hautzellen vor Apoptose schützen. Professor Dr. Victoria Kolb-Bachofen, Leiterin der Forschungsgruppe Immunbiologie an der Universität Düsseldorf, präsentierte ihre Forschungsergebnisse bei der 7. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
NO schützt vor Apoptose
Die NO-Synthese wird in Zellen über die konstitutiv vorhandene NO-Synthase (NOS) Typ-1 und Typ-3 gesteuert. Dagegen wird das Isoenzym-2 in vermutlich allen Zelltypen durch proinflammatorische Stimuli wie Interferon-g, Endotoxine oder bestimmte Interleukine induziert und daher kurz „iNOS“ genannt. Unter seiner Regie entstehen aus L-Arginin in großen Mengen das NO-Radikal und Citrullin (high-output NO-Synthese). Das Radikal ist an der Blutdrucksenkung, Immun- und Wachstumsregulation sowie der Stressantwort beteiligt.
In Psoriasis-Läsionen, nicht aber in Hautproben von Atopikern und Hautgesunden, konnten die Forscher die Expression der iNOS nachweisen. NO reguliert konzentrationsabhängig Wachstum und Differenzierung von kultivierten Keratinozyten, zeigte die Arbeitsgruppe um Kolb-Bachofen. Bei niedrigen Mengen wird das Wachstum angeregt, höhere Spiegel induzieren die Zelldifferenzierung.
Sowohl UV-A- als auch UV-B-Strahlen induzieren die Enzymexpression, jedoch auf unterschiedlichen Wegen, berichtete Kolb-Bachofen. In Hautbiopsien von Patienten mit kutanem Lupus oder von gesunden Probanden kann das Enzym iNOS sowohl mit In-situ-Hybridisierung (Nachweis der mRNA) als auch mit spezifischen Antikörpern (Protein) nachgewiesen werden. Es zeigte sich, dass die gesunde Haut das iNOS-Protein innerhalb von 24 Stunden nach Bestrahlung bildet, dieses aber nach weiteren zwei Tagen verschwindet. Im Gegensatz dazu fand die Biologin das Protein bei Lupus-Patienten erst nach drei Tagen. „Im Gegensatz zu früherer Lehrmeinung ist die iNOS-Expression eine normale Antwort der Haut auf UV-Bestrahlung, eine verspätete Expression ist eher ein Krankheitsmarker.“
Erstaunlicherweise sind selbst höchste NO-Konzentrationen für die Hautzellen völlig untoxisch. Im Gegenteil: Die Induktion der iNOS und die verstärkte NO-Produktion wirken protektiv und bewahren Endothelzellen und Keratinozyten vor dem UV-induzierten Zelltod (Apoptose). Dafür sind vor allem zwei Mechanismen entscheidend, erklärte die Biologin. NO schützt die Zellmembranen vor UV-bedingter Lipidperoxidation und verstärkt die Expression des antiapoptotisch wirkenden Proteins Bcl-2. Kurz gesagt: „NO induziert eine protektive Stressantwort auf der Ebene der Genexpression.“
Diese Schutzwirkung zeigte auch exogen zugeführtes NO. Die topische Applikation von S-Nitroso-Thioglycerin als NO-Donor reduzierte bei Hautgesunden die Erythembildung nach UV-Bestrahlung und verstärkte zugleich leicht die Hautpigmentierung. Kolb-Bachofen hofft, dass sich diese Ergebnisse in die Therapie von Hautkrankheiten umsetzen lassen.
Reparaturenzym verhindert Tumoren
Einen präventiven Ansatz zur Verhinderung von Hautkrebs bei Patienten mit aktinischen Keratosen und Xeroderma pigmentosa stellte Professor Dr. Jean Krutmann vom Institut für Umweltmedizinische Forschung an der Universität Düsseldorf vor. Sein Ansatz: eine schnellere Reparatur von geschädigter DNA.
Eine Folge lebenslanger Sonneneinwirkung auf die Haut ist die aktinische Keratose, die als Präkanzerose gilt. Etwa 15 bis 20 Prozent gehen über in invasive Plattenepithelkarzinome; das Basalzellkarzinom ist laut Krutmann sogar der häufigste Krebs beim Menschen. Die beiden Karzinome werden auch als „heller Hautkrebs“ bezeichnet, um sie vom malignen Melanom als „schwarzem Hautkrebs“ abzugrenzen.
Die UV-induzierte Lichtalterung beruht auf spezifischen DNA-Schäden. Unter dem Einfluss von UV-B-Strahlen entstehen durch Dimerisierung DNA-Photoaddukte (Cyclobutanpyrimidin-Dimere). Zur Beseitigung dieser Schäden verfügt die Zelle über hoch komplexe Reparatursysteme, die die schadhaften Stellen aus dem DNA-Strang herausschneiden und ersetzen. Allein an der Nucleotidexzision sind mehr als 20 Enzyme beteiligt, berichtete der Forscher. Ein von Bacteriophagen produziertes Enzym, die T4-Endonuklease 5, kann den Reparaturvorgang dagegen im Alleingang initiieren.
Um dieses Prinzip therapeutisch nutzen zu können, wurde das Bacteriophagen-Enzym in Liposomen eingebettet (T4N5-Liposomen) und diese in eine Lotion gepackt (Dimericine). Die Liposomen dringen in die Epidermis, aber nicht tiefer ein. Dies könnte erklären, warum in vivo bislang keine Antikörperbildung gegen das fremde Protein beobachtet wurde, vermutete Krutmann. Bei Mäusen verhinderte die Lotion eine UV-induzierte Immunsuppression und Hautkrebsentwicklung.
Die T4N5-Liposomenlotion wurde in einer Phase-III-Studie mit 30 Patienten mit Xeroderma pigmentosa getestet. Diese Patienten sind auf Grund genetischer Defekte im DNA-Reparatursystem extrem empfindlich gegenüber Sonnenlicht und entwickeln rasch und in jungen Jahren schweren Hautkrebs. In der Studie trugen 20 Patienten die Dimericine-Lotion und 10 Patienten Placebo auf. Zuvor waren alle Karzinome operativ entfernt worden. An die einjährige Studienphase schloss sich eine sechsmonatige Wash-out-Phase an. Das Verum reduzierte die Inzidenz neuer aktinischer Keratosen hoch signifikant um 68 Prozent, berichtete der Arzt. Der Unterschied zwischen den Gruppen war bereits nach drei Monaten deutlich und hielt über 18 Monate an. In der Verumgruppe wurden 30 Prozent weniger Basalzellkarzinome diagnostiziert.
Nach den ermutigenden Ergebnissen soll Mitte dieses Jahres eine Studie mit 120 nierentransplantierten Patienten starten. Da diese Menschen eine immunsuppressive Dauertherapie benötigen, ist ihr Hautkrebsrisiko erhöht. Die Hälfte der Patienten soll Dimericine auftragen, die anderen Placebo. Ziel ist es, die Entwicklung des hellen Hautkrebses zu verhindern.
„Die topische Anwendung von DNA-Reparaturenzymen zur Prävention von UV-bedingten Hauttumoren ist viel versprechend“, resümierte Krutmann. Sie könne ideal mit anderen Therapien kombiniert werden.
After-sun mit Algenenzym
Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Photobiologie erhielt Krutmann bei der GD-Jahrestagung Anfang April den neu geschaffenen Dermopharmazie-Innovationspreis. Ein Spezialgebiet des Preisträgers ist die Erforschung von DNA-Reparaturenzymen, erklärte der Sprecher des Preiskuratoriums, Professor Dr. Wolfgang Wiegrebe, vor Journalisten in Bonn. Die Reparatur geschädigter DNA ist beim Menschen ein komplexer und langsamer Prozess. Anders bei der Alge Anacystis nidulans: Sie produziert das Enzym Photolyase, das sie vor Schäden durch Sonnenstrahlen schützt. Das Enzym spaltet die unter langwelligem Licht vernetzten DNA-Stränge wieder in die Einzelstränge und ermöglicht damit deren Ablesung.
Krutmann beobachtete, dass sich durch UV-Strahlen geschädigte menschliche Hautzellen mit Hilfe der Photolyase in viel kürzerer Zeit regenerieren. Schon nach 30-minütiger Einwirkung sind rund 45 Prozent der DNA-Schäden behoben, das dermale Immunsystem ist vollständig wiederhergestellt. Außerdem entwickelte er ein System, das DNA-Schäden in Mitochondrien erfasst. Dieses eigne sich als zusätzlicher Test bei der Prüfung von Sonnenschutzmitteln, berichtete Wiegrebe. Das Algenenzym wird heute in Sonnenschutz- und After-Sun-Präparaten auf dem Markt angeboten.
Neue Leitlinien und eine Task Force Die Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) will Fachkreise und Öffentlichkeit über neue Forschungen und Therapieoptionen bei Hautkrankheiten informieren, erläuterte der Vorsitzende Dr. Joachim Kresken bei einer Pressekonferenz am 2. April im BfArM. In Bonn stellte die GD zwei neue Leitlinien vor (abzurufen unter www.gd-online.de).
Die Leitlinie für den dermokosmetischen Sonnenschutz fordert beispielsweise umfassende Prüfungen auf Schutzwirkung, Photostabilität, Augen- und Hautverträglichkeit der Produkte. Für berufliche Hautschutzmittel hat die Fachgesellschaft gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft eine Leitlinie entwickelt, die eine interdisziplinäre Prüfung der einzelnen Inhaltsstoffe und des gesamten Produkts empfiehlt.
Die Häufung des „hellen Hautkrebses“ hat die GD zur Gründung einer „Task Force Licht.Hautkrebs.Prävention“ angeregt. Der Arbeitskreis zur Hautkrebsprävention soll vor allem die Aufklärung und Forschung fördern, erklärte Professor Dr. Hans Christian Korting. Der helle Hautkrebs - Stachelzellkrebs und Basaliome - entwickle sich langsam aus Vorstufen, die als raue Lichtschwiele oder aktinische Keratosen bezeichnet werden. In Australien sei diese Präkanzerose bereits bei 40 Prozent der über 40-Jährigen zu beobachten, in Mitteleuropa immerhin bei 10 bis 15 Prozent. Dann sei eine regelmäßige hautärztliche Kontrolle unerlässlich. Nach Ansicht Kortings können Lichtschutzmittel die Häufigkeit von hellem Hautkrebs „mäßiggradig“ verringern. Den besten Schutz bietet der Rückzug aus der starken Sonne.
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