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Eletriptan und Tenofovir Disoproxil

04.03.2002  00:00 Uhr
NEU AUF DEM MARKT

Eletriptan und Tenofovir Disoproxil

von Ulrich Brunner, Eschborn, und Brigitte M. Gensthaler, München

Neben dem 5HT1B/1D-Agonisten Eletriptan ergänzt seit Mitte Februar ein HIV-Therapeutikum das deutsche Arzneimittelsortiment. Tenofovir Disoproxil gilt als erster Vertreter einer neuen Gruppe antiretroviraler Medikamente, den nukleotidanalogen Inhibitoren der Reversen Transkriptase (NtRTI).

Eletriptan

Die Wirkstoffgruppe der Triptane hat erneut Zuwachs bekommen. Seit Mitte Februar vermarktet das Pharmaunternehmen Pfizer auch in Deutschland sein Migränemedikament Eletriptan (Relpax®). Damit stehen inzwischen insgesamt sieben 5HT1B/1D-Agonisten zur Verfügung.

Die Filmtabletten mit 20 und 40 mg sind zur Therapie akuter Kopfschmerzen bei Migräneanfällen mit und ohne Aura zugelassen. Wie die Vergleichssubstanzen wirkt der Arzneistoff als Agonist an den Serotonin-Rezeptoren vom Typ 1B in kranialen Gefäßen sowie vom Typ 1D in nozizeptiven Fasern des peripheren Nervus trigeminus.

Der Arzneistoff ist ausgesprochen lipophil und überwindet damit besser die Blut-Hirn-Schranke. Eletriptan hat mit 50 Prozent eine relativ hohe Bioverfügbarkeit. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach rund einer Stunde erreicht. Die Dosis-Wirkungsbeziehung verläuft linear. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei vier Stunden.

In einer doppelblinden placebokontrollierten Multicenterstudie mit 1151 Patienten linderten Einzeldosen von 40 und 80 mg Eletriptan innerhalb von zwei Stunden nach Einnahme effektiv den Migräneschmerz. 80 mg des neuen Triptans halfen zudem in einer placebokontrollierten doppelblinden Vergleichsstudie mit 692 Patienten sowohl nach einer als auch zwei Stunden signifikant besser gegen den Kopfschmerz als 100 mg Sumatriptan.

Erst vor wenigen Tagen publizierten Mediziner der Universität Essen eine Studie, die die Migränetherapie mit Eletriptan und Ergotamin plus Coffein vergleicht. Hierbei schnitt das neue Triptan in allen Bewertungskriterien, unter anderem Ansprechrate und Wiederkehrrate des Kopfschmerzes, in beiden Dosierungen besser ab. Allerdings gelten die Ergotamine inzwischen auf Grund der schlechten Datenlage nicht mehr als Präparate der ersten Wahl.

Wenige Monate zuvor hatten Wissenschaftler der Universität Leiden eine Metaanalyse veröffentlicht, die die Daten zur Wirksamkeit verschiedener Triptane aus insgesamt 53 Studien vergleicht. Fazit: Sämtliche peroral verfügbaren Triptane wirken vergleichbar effektiv und werden gut vertragen. 10 mg Rizatriptan, 80 mg Eletriptan und 12,5 mg Almotriptan versprechen allerdings die höchsten Chancen eines dauerhaften Therapieerfolgs.

Ein Pluspunkt von Eletriptan ist seine günstige Pharmakokinetik. Bei einem Anfall empfiehlt der Hersteller eine Initialdosis von 40 mg. Nur wenn diese nicht anspricht, der Migräniker das Arzneimittel aber gut verträgt, sollte beim nächsten Anfall die Einzeldosis auf 80 mg erhöht werden. Patienten im Alter über 65 Jahren und Kinder unter 17 Jahren sollten Eletriptan auf Grund mangelnder Erfahrungen nicht anwenden. Kontraindiziert ist das Triptan zudem bei Patienten mit schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen, mittelschwerer bis schwerer Hypertonie, koronaren Herzkrankheiten, peripheren Gefäßerkrankungen und ischämischen Anämien in der Vorgeschichte.

Tenofovir Disoproxil

Seit Mitte Februar ist der ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse zur Behandlung der HIV-1-Infektion auf dem Markt: Tenofovir Disoproxil, ein nukleotidanaloger Hemmstoff der Reversen Transkriptase (NtRTI). Er darf nur in Kombination mit anderen antiretroviralen Medikamenten eingesetzt werden, wenn diese die Viruslast nicht mehr in Schach halten können ("virologisches Therapieversagen").

Das Prodrug Tenofovir Disoproxil ist als Fumarat (daher der Name Tenofovir DF) im Fertigarzneimittel Viread® von Gilead Sciences International verpackt. Die Substanz wird in vivo in Tenofovir, ein Nukleosidmonophosphat-(Nukleotid-)Analogon, umgewandelt. Nach zweimaliger Phosphorylierung entsteht daraus der aktive Metabolit Tenofovirdiphosphat, der virale Polymerasen wie die HIV-1-Reverse-Transkriptase hemmt. Wichtig: Die Subsatnz wird sowohl in ruhenden als auch in aktivierten T-Zellen umgewandelt. Die Halbwertszeit des Diphosphats ist mit 50 Stunden in ruhenden Monozyten fünfmal so lange wie in aktivierten Zellen. Daher reicht die einmal tägliche Gabe von 300 mg Tenofovir DF. Tenofovir wird hauptsächlich renal eliminiert.

In zwei Studien war Tenofovir DF wirksam bei 186 und 550 mehrjährig intensiv vorbehandelten Patienten, die auf Grund von Mutationen gegen verschiedene Medikamente resistent waren. Sie erhielten zusätzlich zur bestehenden Therapie entweder den NtRTI oder Placebo. Die Viruslast, gemessen als Anzahl der RNA-Kopien pro ml Plasma, blieb unter Placebo nahezu unverändert und sank unter Verum um 0,6 bis 0,7 log10-Stufen. Dieser virologische Effekt blieb über 24 und 48 Wochen erhalten. Die Zahl der CD4-Zellen blieb unverändert oder stieg leicht, aber signifikant an (immunologischer Effekt).

Unter der Therapie trat bei einigen Patienten eine K65R-Mutation neu auf, die auch bei Didanosin, Zalcitabin und Abacavir selektiert werden kann. Die klinische Bedeutung ist noch nicht klar. Der Frankfurter HIV-Spezialist Privatdozent Dr. Schlomo Staszewski empfahl bei den Münchner Aids-Tagen, bei antiretroviral vorbehandelten Patienten vor der Gabe von Tenofovir DF einen Resistenztest zu machen.

Häufigste Nebenwirkung sind Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö. Ein gering- bis mittelgradiger Abfall des Serumphosphat-Werts wurde bei 15 Prozent der Patienten nach 58 Wochen (Langzeitdaten) beobachtet, jedoch nach Angaben von Dr. Stefan Mauss, Düsseldorf, keine Knochenbrüche oder Osteoporose.

Das neue Medikament wird derzeit in einer Studie bei 600 noch nicht antiretroviral behandelten Patienten geprüft. Diese erhalten Efavirenz und Lamivudin kombiniert mit Stavudin oder Tenofovir DF. Die erste Auswertung soll nach 48 Wochen erfolgen, die gesamte Studie läuft 96 Wochen lang. Die Substanz könnte auch für die Postexpositionsprophylaxe geeignet sein, sagte Mauss in München. Zumindest Rhesusaffen schützte sie bei Gabe bis zu 24 Stunden nach Infektion. Top

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