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Johanniskraut: Wie wirkt es tatsächlich?

Datum 16.02.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Johanniskraut: Wie wirkt es tatsächlich?

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Vermutlich werden nur zwanzig Prozent der depressiven Patienten ausreichend therapiert. Diese Zahl nannte Professor Dr. Walter Müller vom Pharmakologischen Institut für Naturwissenschaftler in Frankfurt bei einem Presseworkshop des Unternehmens Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel in München. Pflanzliche Antidepressiva könnten hier eine Lücke füllen, da sie von vielen Patienten akzeptiert werden. Es sei bewiesen, daß hochdosierte Johanniskrautextrakte eine über Placebo hinausgehende Wirkung haben.

Welche Inhaltsstoffe (Hypericine, Hyperforin und/oder andere Stoffe) für die Wirkung verantwortlich sind, ist heute unter Experten umstritten. Die methanolisch/ethanolisch-wässrigen Extrakte enthalten zahlreiche Stoffgruppen; mehr als 15 Einzelverbindungen sind bekannt. Bei Schwabe wurde ein ethanolisch-wäßriger Extrakt mit definierter Hyperforin-Menge entwickelt, erklärte Dr. Clemens Erdelmeier, Leiter der Abteilung Naturstoffe II. Das Phloroglucinderivat ist mengenmäßig zwar der Hauptinhaltsstoff im Johanniskraut, wird jedoch bei unsachgemäßer Trocknung, Lagerung oder Aufbereitung abgebaut. Seine Bioverfügbarkeit ist laut Erdelmeier auch beim Menschen belegt.

In pharmakologischen Modellen konnte Müller eine Hemmwirkung des Extraktes auf verschiedene neuronale Systeme zeigen. Vergleichbar stark ist die Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Gamma-Aminobuttersäure; etwas schwächer ist die Wiederaufnahmehemmung bei L-Glutamat. Der Extrakt bewirkt eine Down-Regulation der ß-Rezeptoren im frontalen Cortex der Ratte und - im Gegensatz zur Wirkung des trizyklischen Antidepressivums Imipramin - eine Zunahme der Serotonin-Rezeptorendichte. Diese Effekte scheinen auf Hyperforin zurückzugehen. Es sei deshalb ein für die Wirksamkeit des Extraktes wichtiger Inhaltsstoff - wenngleich es auch Evidenzen für Effekte gebe, die nicht durch Hyperforin vermittelt werden.

Die Interimsanalyse einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie in elf Zentren, die Dr. Rolf Dieter Trautmann-Sponsel in München vorstellte, zeigte die klinische Überlegenheit des Verums bei guter Verträglichkeit. Über 42 Tage erhielten die Patienten dreimal täglich entweder Placebo oder 300 mg Hypericum-Extrakt (Neuroplant® 300). Der Unterschied in der Hamilton-Depressionsskala war bereits nach 14 Tagen signifikant und erhöhte sich noch nach 28 und 42 Tagen. In der Selbsteinschätzung der Patienten (Depressionsskala nach von Zerssen) war das Verum schon nach sieben Tagen überlegen. Auch im Ärzte- und Patientenurteil über die Veränderung der Schwere der Erkrankung schnitt der Johanniskrautextrakt besser ab.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München

Oder ist es doch das Hypericin?

Je nach Untersuchungsaufbau und -konzept kommen Fachleute offenbar zu unterschiedlichen Theorien über das Wirkprinzip des Johanniskrauts. So ist nach neueren Untersuchungen an der Universität Münster das Hypericin doch ein wirksamer Inhaltsstoff. Der Nachweis gelingt jedoch nur, wenn Hypericin nicht alleine, sondern in Kombination mit lösungsvermittelnden Begleitstoffen getestet wird.

Vorgestellt wurden diese Ergebnisse beim Kongreß der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung in Regensburg. Veronika Butterweck aus Münster hatte im Rahmen ihrer Dissertation die antidepressive Wirkung des Extraktes in pharmakologischen Tests mit Ratten untersucht.

Die antidepressive Wirkung selbst läßt sich im Tierversuch schwer bestimmen. Gute Korrelationen gibt es aber beim "Forced Swimming Test". Ratten werden am ersten Untersuchungstag in ein Gefäß mit Wasser gesetzt, aus dem sie sich nicht aufs Trockene retten können. Sie lernen so, daß Schwimmen nichts nützt, und versuchen, sich am zweiten Tag mit möglichst wenig Aufwand über Wasser zu halten. Die Dauer der "erlernten Immobilität" wird durch die Gabe von Antidepressiva verkürzt, das heißt, die Ratten versuchen früher wieder, an Land zu schwimmen. Die Phase der erlernten Immobilität wird in dem Modell einer Frustration/Depression gleichgesetzt.

Butterweck testete in dieser Versuchsanordnung verschiedene Hypericum-Fraktionen. Hyperforin war dabei in keiner der Fraktionen enthalten. Dosisabhängig wirksam waren Flavonoide sowie eine Fraktion, die fast ausschließlich aus Proanthocyanidinen, Hypericin und Pseudohypericin bestand.

Von diesem Gemisch wurden die Naphthodianthrone abgetrennt. Die so erhaltene Procyanidin-Fraktion verbesserte die Löslichkeit von Hypericin deutlich. Daß sich dies auch auf die Bioverfügbarkeit auswirkt, bewiesen die schwimmenden Ratten: Hypericin verkürzte erst über 0,23 mg/kg die Immobilitätsdauer. Wurde jedoch die Procyanidin-Unterfraktion dazugegeben, versuchten die Ratten schon ab 0,009mg/kg Hypericin signifikant eher gegen ihr Schicksal anzuschwimmen. Ob auch andere Begleitstoffe lösungsvermittelnde Eigenschaften haben, soll demnächst geklärt werden.

PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Regensburg

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