Hygienestandard korreliert mit Durchfallhäufigkeit |
22.01.2001 00:00 Uhr |
Jeder Deutsche hat einmal im Jahr Durchfall, der im Wesentlichen durch Bakterien, Viren oder Parasiten über die Nahrung übertragen wird. Aber auch Enterotoxine, Antibiotika und mucosale Invasion können die Ursache für eine Diarrhöe sein. Privatdozent Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam fasste die wesentlichen Erreger in seinem Vortrag zusammen.
Mit 44 Prozent sind in Mitteleuropa die Enteritis-Salmonellen die häufigsten Durchfallerreger. Sie werden in der Regel durch kontaminierte Nahrungsmittel wie Geflügel und mit Eiern angesetzten Produkten auf den Menschen übertragen. Die Erkrankung limitiert sich von selbst. Die Therapie erschöpft sich daher in der Rehydratation der Patienten mit Elektrolytenlösungen. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Immunsupprimierten, Kleinkindern und alten Menschen, sind Antibiotika indiziert. Eingesetzt werden bevorzugt Chinolone, aber auch Cotrimoxazol und b-Lactam-Antibiotika.
Die zweithäufigste Ursache einer Enteritis infectiosa in Deutschland (in den USA an erster Stelle) sind Campylobacter-Spezies, die durch Milch, Milchprodukte, Trinkwasser und kontaminiertes Fleisch übertragen werden. Die Symptomatik dieser Infektion reicht von der akuten Gastroenteritis und Colitis bis zur systemischen Erkrankung mit Bakteriämien und Vaskulitiden. Als Folge einer Campylobacter-Infektion kann es zu einer reaktiven Arthritis kommen. Bei schweren Verläufen können Antibiotika wie Erythromycin oder Ciprofloxacin den Krankheitsverlauf abkürzen und lindern.
Die bakterielle Ruhr wird durch Shigellen besonders in tropischen Gebieten übertragen. In Deutschland gilt sie als importierte Infektion, bei der es zu schleimig blutigen Durchfällen mit erheblichen krampfartigen Schmerzen kommt. Antibiotika wie Chinolone, Cotrimoxazol oder Ampicillin verkürzen den Krankheitsverlauf und die Ausscheidung der Shigellen. Opiate zur Schmerzbehandlung sind absolut kontraindiziert, betonte der Tropenmediziner aus Potsdam.
Clostridium difficile-Infektionen, die mit einer pseudomembranösen Colitis einhergehen, sollten in erster Linie mit Metronidazol behandelt werden. Vancomycin gilt hier nur als Reserveantibiotikum.
Einen breiten Raum bei den Durchfallerkrankungen nehmen nach Aussage von Weinke die Infektionen mit pathogenen Escherichia-coli-Stämmen ein. Hier unterscheidet man vier Stämme:
ETEC-Stämme sind besonders in den Tropen verbreitet und gelten als häufigste Erreger der Reisediarrhöe. Über die Aktivierung von cyclischem AMP kommt es zur sekretorischen Diarrhöe, die nur wenige Tage dauert und mit Antibiotika abgekürzt werden kann. Die Therapie erschöpft sich allerdings in erster Linie in der Rehydratation.
EHEC-Stämme werden über landwirtschaftliche Nutztiere übertragen. Lebensmittel wie Milchprodukte und Fleisch sind also für die Übertragung bedeutsam. In Deutschland werden laut Weinke jährlich 500 EHEC-Infektionen gemeldet. Besonders bei Kleinkindern kann es nach Sistieren der Diarrhöe zu einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) kommen, das in 10 Prozent der Fälle tödlich endet. Hier kann man nur symptomatisch therapieren, da Antibiotika die Toxinbildung ankurbeln und der Patient verlängert Erreger ausscheidet.
Die Reisediarrhöe gilt als die häufigste Krankheit bei Fernreisen. In einer im Jahr 2000 an circa 60 000 Patienten durchgeführten Studie stellte die Forscher fest, dass das Risiko mit dem Ausmaß der Unterschiede des Hygienestandards zwischen Heimat und Reiseland steigt. 54,6 Prozent der Reisenden nach Kenia, 53,9 Prozent der nach Indien, 23,6 Prozent der nach Jamaika und 13,6 Prozent der Reisenden nach Brasilien bekamen Durchfall. Aber nicht nur Bakterien die Krankheit auslösen, auch Parasiten wie Entamoeba histolytica oder Giardia Lamblia verursachen Durchfallerkrankungen. In der Regel reicht eine symptomatische Therapie. In Einzelfälle kann auch ein synthetisches Opioid eingesetzt werden, oder man versucht mit der Einmalgabe eines Chinolon den Krankheitsverlauf zu verkürzen.
Auch Erreger wie Rota- oder Adenoviren können Gastroenteritiden auslösen, die meist nur symptomatisch behandelt werden. Ebenso beobachte man im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion Diarrhöen, die durch atypische Mykobakterien, Zytomegalie-Viren oder Parasiten wie Kryptosporidien oder Mikrosporidien ausgelöst werden, erklärte Weinke. Im Vordergrund der Behandlung steht die antiretrovirale Therapie, um den Immunstatus zur verbessern.
Im Zusammenhang mit Typhus abdominalis, der durch Salmonella typhi verursacht wird, ist Weinke ein großer Verfechter der prophylaktischen aktiven Immunisierung mit peroralen Lebendimpfstoffen oder parenteralen Totimpfstoffen. Beide führen zu einem 60- bis 80-prozentigen Impfschutz über drei Jahre. Jeder, der in Länder mit einfach hygienischen Verhältnissen reist, sollte sich nach Meinung des Tropenmediziner impfen lassen.
Abschließend stellte Weinke mit dem Morbus Whipple noch eine seltenere Erkrankung vor,
die durch das Bakterium Tropheryma whippelii hervorgerufen wird: eine Systemerkrankung,
die neben Gewichtsverlust, Gelenkbeschwerden, abdominellen Schmerzen und Fieber auch durch
eine chronische Diarrhöe charakterisiert ist. Zur Abklärung sollte eine Dünndarmbiopsie
durchgeführt werden. Bewährt hat sich hier ein Initialtherapie mit Penicillin G und
Streptomycin über zwei Wochen. Anschließend sollte der Patient über mindestens ein Jahr
Cotrimoxazol erhalten.
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