Paxlovid und Herz-Medikamente |
Daniela Hüttemann |
14.10.2022 12:30 Uhr |
Herzpatienten haben ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf und kommen daher grundsätzlich für eine Behandlung mit Paxlovid infrage. Allerdings besteht großes Wechselwirkungs-Potenzial mit der bestehenden Herz-Kreislauf-Medikation. / Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
Ein Hauptgrund, warum Paxlovid, die Kombination aus dem antiviralen Nirmatrelvir und dem Booster Ritonavir, so zögerlich verordnet wird, ist das große Wechselwirkungspotenzial. Dieses ist in erster Linie auf Ritonavir zurückzuführen und eigentlich aus der HIV-Therapie hinlänglich bekannt. Entsprechende Hinweise und Hilfsmaterialien wurden bereits bei der Markteinführung zu Jahresbeginn veröffentlicht. Trotzdem scheint das Interaktionspotenzial die Ärzte weiterhin von einer Verschreibung bei Risikopatienten abzuhalten. Schließlich sind es gerade diese Menschen, die häufig bereits eine komplexe Medikation haben.
Nun hat die Fachgesellschaft US-amerikanischer Kardiologen, das American College of Cardiology (ACC), in ihrem eigenen Fachjournal ein Review veröffentlicht, um die Verordnung von Paxlovid bei Herz-Kreislauf-Patienten zu erleichtern. Den Autoren zufolge hat sich Paxlovid bei diesen Patienten als sehr wirksam erwiesen, weist jedoch erhebliche Wechselwirkungen mit häufig verwendeten Herz-Kreislauf-Medikamenten auf.
Seniorautor Sarju Ganatra wünscht sich elektronische Unterstützung für eine sichere Verordnung, weist aber auch darauf hin: »Die Beratung mit anderen Mitgliedern des Gesundheitsteams, insbesondere mit Apothekern, kann sich als äußerst wertvoll erweisen.«
Hier fünf der wichtigsten Empfehlungen:
Paxlovid kann die Plasmaspiegel vieler Wirkstoffe gegen Herz-Rhythmus-Störungen steigern, die über die Leber metabolisiert werden. »Es kann zwar möglich sein, die Therapie mit Paxlovid nach einem 2- bis 2,5-tägigen vorübergehenden Absetzen der Antiarrhythmika zu beginnen, doch ist dies aus praktischer Sicht möglicherweise nicht machbar«, so das ACC. In Deutschland wird beispielsweise von der Abteilung klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg empfohlen, Amiodaron während der Paxlovid-Einnahme zu pausieren. Als Alternative ist laut ACC die Gabe des Betablockers und Kaliumkanalblockers Sotalol möglich, da er renal eliminiert wird und damit nicht mit Paxlovid interagiert.
Als sicher stuft die Fachgesellschaft ACC die Koadministration von ASS oder des Thrombozyten-Aggregations-Hemmers (TAH) Prasugrel mit Paxlovid ein. Falls der Patient Clopidogrel oder Ticagrelor einnimmt, soll eine Umstellung auf Prasugrel erwogen werden (erhöhtes Thromboserisiko bei Clopidogrel plus Paxlovid beziehungsweise erhöhtes Blutungsrisiko bei Ticagrelor plus Paxlovid). Bei einer Kontraindikation gegen Prasugrel sollte Paxlovid nicht gegeben und stattdessen eine andere Covid-19-Therapie in Erwägung gezogen werden. Hier stehen Molnupiravir (Lagevrio®) und das Antikörperpräparat Evusheld® bereit.
Blutverdünner wie Phenprocoumon (Marcumar® und Generika) und Warfarin können laut ACC unter Paxlovid-Therapie beibehalten werden, allerdings soll dann ein engmaschiges Monitoring der Blutgerinnungsfaktoren stattfinden. Die deutsche Empfehlung dagegen lautet, unter Phenprocoumon- oder Warfarin-Therapie statt auf Paxlovid auf Molnupiravir zurückzugreifen.
Die Plasmaspiegel aller direkt wirksamen Antikoagulanzien (DOAK, also Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban sowie Dabigatran und Ximelagatran) können durch Paxlovid steigen. Hier empfiehlt das ACC entweder eine Dosisreduzierung der DOAK, eine Therapiepause oder ein Bridging, falls dies notwendig erscheint.
Hier erfolgt eine differenzierte Bewertung, da sich die Stoffwechselwege der verschiedenen Statine unterscheiden. Die Koadministration von Paxlovid und Simvastatin oder Lovastatin kann zu erhöhten Spiegeln der Statine führen und damit zu den gefürchteten Nebenwirkungen Myopathie und Rhabdomyolyse, warnen die Kardiologen. Diese beiden Statine sollten bei einer Paxlovid-Gabe pausiert werden. Die deutsche Empfehlung favorisiert dagegen die Molnupiravir-Gabe.
Bei Atorvastatin und Rosuvastatin soll laut ACC eine Dosisreduktion erfolgen. Auch hier empfiehlt die deutsche Übersicht eher ein Ausweichen auf Molnupiravir. Die anderen Statine gelten laut ACC als sicher in Kombination mit Paxlovid.
Ranolazin gilt in Deutschland als Ergänzungstherapie zur symptomatischen Behandlung einer stabilen Angina pectoris. Auch hier kann Paxlovid den Plasmaspiegel steigern, was das Risiko für Herz-Rhythmus-Störungen erhöht. Hier sprechen die US-Kardiologen eine Kontraindikation aus. Soll Paxlovid dennoch verschrieben werden, soll Ranolazin pausiert werden. In Deutschland wird als Alternative Molnupiravir empfohlen.
Nach einer Herztransplantation müssen die Betroffenen Immunsuppressiva einnehmen. Diese können jedoch toxische Spiegel unter Koadministration mit Paxlovid erreichen. »Eine vorübergehende Reduzierung der Dosierung von Immunsuppressiva würde eine ständige Überwachung erfordern und wäre logistisch schwierig«, urteilen die US-Kardiologen. Daher sollten bei diesen Patienten alternative Covid-19-Therapien in Betracht gezogen werden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.